Botschaft

[13] Ich habe mich bedacht, daß schönste Tage

Nur jene heißen dürfen, da wir redend

Die Landschaft uns vor Augen in ein Reich

Der Seele wandelten: da hügelan

Dem Schatten zu wir stiegen in den Hain,

Der uns umfing, wie schon einmal Erlebtes,

Da wir auf abgetrennten Wiesen still

Den Traum vom Leben niegeahnter Wesen,

Ja ihres Gehns und Trinkens Spuren fanden

Und übern Teich ein gleitendes Gespräch,

Noch tiefere Wölbung spiegelnd als der Himmel:

Ich habe mich bedacht auf solche Tage,

Und daß nächst diesen drei: gesund zu sein,

Am eignen Leib und Leben sich zu freuen,

Und an Gedanken, Flügeln junger Adler,

Nur eines frommt: gesellig sein mit Freunden.

So will ich, daß du kommst und mit mir trinkst

Aus jenen Krügen, die mein Erbe sind,

Geschmückt mit Laubwerk und beschwingten Kindern,

Und mit mir sitzest in dem Garten-Turm:

Zwei Jünglinge bewachen seine Tür,

In deren Köpfen mit gedämpftem Blick[13]

Halbabgewandt ein ungeheures

Geschick dich steinern anschaut, daß du schweigst

Und meine Landschaft hingebreitet siehst:

Daß dann vielleicht ein Vers von dir sie mir

Veredelt künftig in der Einsamkeit

Und da und dort Erinnerung an dich

Im Schatten nistet und zur Dämmerung

Die Straße zwischen dunklen Wipfeln rollt

Und schattenlose Wege in der Luft

Dahinrollt wie ein ferner goldner Donner.


Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke. Erste Reihe in drei Bänden, Band 1, Berlin 1924, S. 13-14.
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