1.

[111] Die Blüten schlafen am Baume

In schwüler, flüsternder Nacht,

Sie trinken in duftigem Traume

Die flimmernde, feuchte Pracht.

Sie trinken den lauen Regen,

Den glitzernden Mondenschein,

Sie zittern dem Licht entgegen,

Sie saugen es taumelnd ein:

Sie sprengen die schweigende Hülle

Und gleiten berauscht durch die Luft

Und sterben an der Fülle

Von Glut und Glanz und Duft.


Das war die Nacht der Träume,

Der Liebe schwül gärende Nacht,

Da sind mit den Knospen der Bäume

Auch meine Lieder erwacht.

Sie sprengten die schweigende Hülle

Und glitten berauscht durch die Luft

Und starben an der Fülle

Von Glut und Glanz und Duft.

Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 1: Gedichte, Dramen, Frankfurt a.M. 1979, S. 111.
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