Rechtfertigung

[118] So wie der Wandrer, der durch manch Verhau,

Manch blühend Dickicht seinen Weg gefunden:

Zerrißne Ranken haben ihn umwunden,

Auf Haar und Schläfen glänzt der frische Tau,


Und um ihn webt ein Duft noch viele Stunden

Wie Frühlingsgären und wie Ätherblau –:

So trägt der Dichter unbewußt zur Schau

Was schweigsam oft ein Freundesherz empfunden.


Er raubt es nicht, es kommt ihm zugeflogen

Wie Tau aus Blütenkelchen sich ergießt;

Der Blumen Zutraun hat er nicht betrogen,


Weil sichs ihm selber, unbegehrt, erschließt:

Den Tropfen hat ein Sehnen hingezogen,

Wo Bach zum Strom, und Strom zum Meere fließt.

Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 1: Gedichte, Dramen, Frankfurt a.M. 1979, S. 118.
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