[22] Ian. Traurnicht. Weinholt.
Ian egrediens taberna vinaria. Canit partem veteris Cantiunculae: Traut Henßlein vber die Heiden etc. vel aliud. Finito Cantu.
Sih! Sih! wie betreugt mich der wein?
Wolln mich doch nicht tragen mein bein:
Itzt, da ich in dem glach noch war,
Daucht mich ich wer noch nüchtern gar:
Wann ich nu kom in Lufft hinaus,
Kan ich nicht findn mein eigen haus,
Kan nicht mehr sehn,
Nicht gehn, nicht stehn.
Muß mich hie legn ein weinig nidr,
Biß das ich kom zu rechte widr.
Procumbens humi obdormit.
Interea Compotatores ejus caupona vociferando exeunt, et canunt hoc, vel alio modo.
TRAURNICHT.
Solt ich so offtmals trauren
Als es mir vbel geht,
So müst ich allzeit zagen
Vnd viel zu schaffen het:
Laß trawren immer trawren
Wer gerne trawren thut,
Ich laß den lieben Gott walten
Vnd trag einn frischen muth.
WEINHOLT.
Man sagt wol in den Meyen
Da sind die Brünnlein gsund:
Ich glaubs nicht bey meinn trewen,[22]
Es schwenckt einm nur den mund,
Vnd thut im magen schweben,
Drumb wil mirs auch nicht ein,
Ich lob die edlen Reben
Die bringn vns guten wein.
TRAURNICHT.
Hoichta: ju, jo.
WEINHOLT.
Hoscha, ho, ho.
TRAURNICHT.
Juch hoscha: tummel dich mutz.
WEINHOLT cernens Ebrium.
Sih da! sih da mein huderputz,
Sih! da ligt er in allr Sewnahmn.
TRAURNICHT.
Ho, ho: komm wir so widr zusamn?
WEINHOLT Ebrio illudens canit.
Ach wein du schmackst mir also woll,
Du machest mich offt also voll,
Das ich nicht heim kan kommen:
So hebt mein wunder böses weib
Daheime an zu brommen, ja brommen.
TRAURNICHT.
Greiff an, wir wolln jhn führen heim,
Was soll er hie so lign im schleim?
WEINHOLT.
Er hat die kleien noch im bart,
Wie wird sein weib jhn küssen zart.
TRAURNICHT.
Steh auff mein Ian, du bist gar voll,
Steh auff, du liegst hie traun nicht woll.
IAN.
Las mich zu fried, vnd schweig nur still,
So lang als ich hie ligen wil,
Ists mir gut gnug.
WEINHOLT.
Laß lign den Geck,
Eine Saw gehört nur in dreck.
TRAURNICHT.
Ja wann du mir nicht wilt beystan,
So wil ichs auch wol bleiben lan.
WEINHOLT.
Potz rasperment! wer kompt vns dort?
TRAURNICHT.
Vieleicht die wacht, lauff fort, lauff fort.
Aufugiunt.
Buchempfehlung
Diese Ausgabe gibt das lyrische Werk der Autorin wieder, die 1868 auf Vermittlung ihres guten Freundes Ferdinand v. Saar ihren ersten Gedichtband »Lieder einer Verlorenen« bei Hoffmann & Campe unterbringen konnte. Über den letzten der vier Bände, »Aus der Tiefe« schrieb Theodor Storm: »Es ist ein sehr ernstes, auch oft bittres Buch; aber es ist kein faselicher Weltschmerz, man fühlt, es steht ein Lebendiges dahinter.«
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro