Dritter Akt


[436] Der alte Musiksaal. Hoher kreisrunder Oberlichtraum, von dem man nur die etwas größere Hälfte erblickt. Die geschwungenen Wände, sowie die Kuppelwölbung, aus dunkelrotem Mahagoniholz. Unter der Kuppelwölbung, bevor diese beginnt, ein glatter, meterbreiter Fries aus schwarzpoliertem Birnbaum. Eine ebensolche, nur schmälere Leiste trennt die Wände vom dunkelbraunen Parkett, in das ein einziger, schwarzer Stern eingelassen ist. In etwa ein Drittel Höhe der Wände große, vertiefte, schwarzumränderte Ovale, in denen aus leicht gelblich angetöntem Marmor Apollo mit den neun Musen steht. Im vordersten Oval links Apollo selbst in weitem, flatterndem Gewande, lorbeerbekränzt die Zither schlagend, dann Polyhymnia und Euterpe, und rechts Terpsichore, Urania und Melpomene, die ihm genau gegenübersteht. In der Mitte des Hintergrunds, seiner Rundung sich einwärts anschmiegend, ein dreiteilig sich ausbauchender, silbrig schimmernder Orgelaufbau über einer breiten, nischenartigen Vertiefung, vor der ein schwerer, faltiger, dunkelroter Samtvorhang hängt, der sich der Form des Orgelaufbaus ebenfalls anschmiegt. Er ist in seinem mittleren

Rundteil teilbar und kann in halber Höhe zurückgeschlagen werden. Dieser Aufbau ruht auf einem schwarzen Podium in Form eines sanften Kreissegments mit nur einer Stufe, in der gleichen Höhe, wie die um den ganzen Saal laufende Leiste. Rechts und links von ihm, sowie zwischen den Ovalen, in beträchtlicher Höhe, ebenfalls ovale, in die Täfelung eingelassne Leuchtkörper aus irisierendem Milchglas. Unter jedem dieser Leuchtkörper, auf schwarzen geschweiften Beinen, ein bequemer, roter Samtsessel mit Armlehnen. Schräg links ein schwarzer, mächtiger, barock gehaltner, nicht aufgeklappter Flügel, über dem eine alte, goldrote Brokatdecke gebreitet liegt. Vor ihm, krummbeinig, ein kleiner, ebenfalls rot gepolsterter Hocker und rechts ein entsprechender runder Tisch mit roter Samtdecke. Das Oberlicht, das sonst durch eine sich rundende Glasüberdachung fällt, unter der kreisrund abermals ein schwarzer Rahmen läuft, ist[437] durch eine Außenvorrichtung abgestellt und sämtliche Leuchtkörper, in voller Lichtstärke, brennen.

Bereits bevor der Vorhang aufgeht, ertönt auf dem Klavier, vor dem Onkel Ludwig sitzt, simpel aber korrekt gespielt, die Melodie des »Integer vitae!«.

Gemessen feierlich, aber nicht zu langsam.


3. Akt

Da der wiedergegebene Tonsatz für Männerchor gedacht ist, muß die rechte Hand eine Oktave tiefer gespielt werden. Vom neunten Takt ab hebt sich der Vorhang.

Hinterm Flügel, den rechten Unterarm leicht auf ihn gestützt, die linke Hand um die rechte, scheint Uexküll dem Spielenden andächtig-aufmerksam zu lauschen, dabei aber, fast unausgesetzt,

verstohlen-scharf Marianne beobachtend, die mit geschlossnen Augen, den Kopf halb zurück, die Linke lässig über die Armlehne ihres Sessels, neben dem Vorhang unter dem Orgelaufbau rechts sitzt; Georg, der ab und zu grimmig nach[438] Uexküll rüberblickt, steht halb über den runden Tisch gebückt, auf den er, die Augenbrauen finster zusammengezogen, beide Fäuste stützt, mit einem Gesicht, als ob er sich gegen die Töne aber auch ganz und gar abschließen wolle, während Dufroy-Regnier, dem die Musik in diesem Moment augenscheinlich ebenfalls mehr Peinlichkeit als Behagen bereitet, ganz im Vordergrund im ersten Sessel rechts sitzt.


ONKEL LUDWIG der schon während des Spiels es keineswegs unterlassen hat, sich bei allen Zuhörenden durch entsprechende Blicke zu vergewissern, was sein musikalisches Nochkönnen auf sie für einen Eindruck macht; nachdem er geendet; nicht ohne einen gewissen, wie er davon überzeugt ist, berechtigten Stolz, während Georg, mit unwillkürlichem Augenaufschlag, ordentlich wie erlöst, aufatmet. »Integer vitae!«

GEORG den von Onkel Ludwig mit so großem Selbstgefühl zitierten Textanfang, ganz merkwürdig verbissen, fortsetzend; sein zweites Wort betont-auffällig nach Uexküll rüber. »Scelerisque purus!

MARIANNE die Augen geschlossen, das Wort nur gehaucht. Purus!

ONKEL LUDWIG in seinem »berechtigten Stolz« nun womöglich noch gesteigert. Einzge Lied, Knax: »Memento mori!«. das ich noch aus meiner Studentenzeit kann! ... Sich orientierender, fragender Blick über alle Anwesenden. Seelische Harmonie der gesamten, verehrten Zirkelteilnehmerschaft endlich und glücklich wiederhergestellt?

DUFROY in seinen Sessel zurückgelehnt; ein Bein übers andre; achselzuckend; scheinbar gelassen; mit einem heimlich triumphierenden Unterton in der Stimme. So weit es an mir liegt ...

UEXKÜLL leichte, chevalereske Verbeugung zu Dufroy rüber; Onkel Ludwig mit seinem Blick dabei streifend; rechte Hand »verbindlich« auf dem Flügel. Ich möchte mir höflichst zu bemerken erlauben, daß auch ich ...

GEORG hinter seinem Tisch; losbrechend. Natürlich! Selbstverständlich! Nachdem seit zwei Stunden von allen Seiten alles geschehn, um das Eintreten auch nur des kleinsten, bescheidensten Phänomens einfach unmöglich zu machen ...[439]

ONKEL LUDWIG empört; durch diesen Allgemeinvorwurf gekränkt; von seiner Unschuld überzeugt. Na von mir aus und von meiner Seite ...

DUFROY zu Georg; schnell, gereizt. Du kannst nicht sagen ...

GEORG der ihn nicht ausreden läßt; noch immer ganz aufgebracht und erbittert; so sehr er seinen Ingrimm auch in eine »Eloge« für ihn kleidet. Ehrlicher Skepsis und vernünftigem Zweifel, grade auf diesem Gebiet, werde ich nie meine Hochachtung versagen!

ONKEL LUDWIG ihm beipflichtend; von seiner »Maxime« durchdrungen. Ganz meine Meinung!

DUFROY ironisch-skeptisch. Hm!

GEORG immer deutlicher und rücksichtsloser, in seiner Anklage und Beschwerde weiter; sie jetzt direkt und nur noch ganz allein auf Uexküll münzend. Wenn man mir aber mit böswilliger Voreingenommenheit kommt, als ein durch nichts legitimierter Laie, und wie ein bestellter Detektiv ...

UEXKÜLL ihm ins Wort; entrüstet. Herr Professor!

DUFROY beschwörende, fast wie angstvoll erschreckte Geste. Georg!

ONKEL LUDWIG mit beiden Händen sich die Ohren zuhaltend. Schon wieder!

GEORG der unterdessen, die drei letzten Repliken fielen fast gleichzeitig, von seinem Gegner kein Auge gelassen. Hat Herr Baron, die ganze Zeit über, nicht ein Benehmen beliebt ...

UEXKÜLL schärfst; seine »Blicke« vermeidend; jeder Iktus ein Florettstoß. Verzeihung! Pardon!

DUFROY für den Angegriffenen eintretend; Georgs Vorgehen aufs allerentschiedenste mißbilligend. Herr Baron ist jetzt im Augenblick zwar dein Gegner ...

GEORG durch die beiden kaum unterbrochen, seinen Satz mit erhobner Stimme schließend. Als ob er sich unter berufsmäßigen Betrügern befände?!

DUFROY scharfer, nervös vorgestoßner »T«-Laut; die Linke dabei unwillkürlich einen Moment erregt von der Armlehne seines Sessels hebend und sie schwer wieder fallen lassend; etwa wie in dem Sinne. »Es ist nicht zu sagen!«. Tttch!

UEXKÜLL noch entschiedner. Ich muß doch bitten!

ONKEL LUDWIG ganz ehrlichst und redlichst verzweifelt, daß all seine »Liebesmüh« umsonst gewesen; »a« kurz. Ja, wenn nu auch ... die Macht der Töne nichts mehr hilft ...! ... In diesem Augenblick ein[440] erstes, noch fernes Donnergrollen. Alle horchen einen Moment unwillkürlich auf, mit Ausnahme Mariannes. Diese hat kurz nach dem Aufhören der Musik, die Augen noch immer geschlossen, ihren Kopf seitlich in die rechte Hand gestützt und ist in dieser Stellung, unter der Erregung der wieder Streitenden, wie darunter leidend, ab und zu etwas zusammengezuckt. Niemand hat in der Zwischenzeit auf sie geachtet. Das Rollen des Donners scheint sie nicht mehr empfunden zu haben. Im Gegenteil ist grade in diesem Augenblick ihr Kopf sogar noch etwas tiefer gesunken.

DUFROY nachdem der Donner verklungen. Ein ganz gewöhnliches Donnergrollen. Das Wetter, das schon den ganzen Tag ...

GEORG seine Selbstverständlichkeit unterbrechend. Auch das Wetter ist leider nicht ohne Einfluß.

DUFROY der sofort aufgemerkt hat; fast als hätte er seinen Gegner damit »auf etwas ertappt«. Ah, so! Also ein Gewitter ...

GEORG der ihn auch jetzt wieder nicht erst ausreden läßt. Ein Gewitter ist für das Eintreten von Fakten, wie wir sie hier jeden Augenblick erwartet haben und noch erwarten, erfahrungsgemäß eins der allerschwerwiegendsten Hindernisse!

ONKEL LUDWIG ihm assistierend. Haben wir schon ixmal und dutzendfach erlebt! Gehört zum einfachsten A-b-c!

DUFROY durch seinen Tonfall an diesem ihm so versicherten »Sachverhalt« eine sehr durchsichtig-deutliche »Kritik« übend. Sehr bedauerlich!

GEORG trocken; markiert-gleichgültig mit den Achseln zuckend. Du wirst an Naturgesetzen nichts ändern können!

ONKEL LUDWIG zu Dufroy rüber; Georg wieder beispringend. Du darfst nicht verlangen ...

GEORG seinen »Alliierten« gar nicht beachtend; so geladen er im Moment durch die versteckt-hochmütige Art Dufroys auch ist, in seiner »Feststellung« mit scheinbarer Ruhe weiter. Photographische Platten lassen sich nicht bei hellem Tageslicht entwickeln, und Wasser, das bei Null Grad nicht siedet, wird dir bei achtzig Grad nicht den Gefallen tun und gefrieren!

DUFROY der gegen solche »Unbezweifelbarkeiten« »nichts einzuwenden« hat. Gewiß nicht!

ONKEL LUDWIG wie vorhin. Na ja also![441]

DUFROY »überlegen«-ironisch. Es ist nur merkwürdig, oder vielmehr gradezu typisch, daß verheißne Wunder ...

ONKEL LUDWIG gegen dies letzte Wort sofort wieder empört Front machend. »Wunder«??

GEORG zu Dufroy; in dieselbe Kerbe hauend; jetzt bereits, merklich, wieder gereizt. Ich habe dir »Wunder« und ähnliche kleine Kinderscherze, das heißt also Dinge, die gegen jede, als ganz selbstverständlich, auch von mir angenommne, notwendge Weltordnung gehn, nicht versprochen!

ONKEL LUDWIG Geste; »grandios«, emphatisch. Auch das Supranormalste geht bei uns natürlich zu!

UEXKÜLL wieder in die Debatte greifend; kopfschüttelnd; an dem von Onkel Ludwig mit so üppiger Vehemenz in die allgemeine mehr als Mißstimmung geschleuderten Schlagwort förmlich wie »kauend«. »Supranormalste«!

ONKEL LUDWIG zu ihm rüber; fast grob. Na etwa nich?

DUFROY vermittelnd; seinem heimlich Verbündeten damit indirekt zur Hilfe kommend. Nun, diese Bezeichnung ...

ONKEL LUDWIG zu Dufroy; »Knurrhahn«. Hast du was gegen sie einzuwenden?

GEORG ungeduldig; ebenfalls zu Dufroy; den ihm von Onkel Ludwig nun schon so wiederholt gewährten, »freundwilligen Sukkurs« damit gewissermaßen wieder wettmachend. Setz dafür was du Lust hast, und es ist dasselbe!

DUFROY den Disput abschließend; Öl in die Gemüter gießend; dabei aber doch der »Gegenpartei« nach Kräften wieder eins auswischend. Über Nomenklatur wollen wir uns hier nicht streiten! Ich hätte auch nicht gleich, und gewissermaßen wie auf einem Teebrett, eure sogenannte »Materialisation« verlangt! Daß aber bis jetzt auch noch nicht einmal das Minimalste und Mindeste passiert ist ...

ONKEL LUDWIG ihn unterbrechend; als hätte er damit das denkbar aber auch allerunbilligste Verlangen gestellt. Zu so ungewohnter Stunde und zum erstenmal in diesem Raum?

DUFROY mit hochgezognen Schultern; »a« kurz; »lächelnd«. Ja ...

ONKEL LUDWIG sich in die Brust werfend; »machtvoll«; der Unantastbarkeit seines »Aperçüs« in diesem Moment sich bewußt. Kommandieren lassen sich diese uns unbekannten Kräfte nu mal nich![442]

GEORG ruhig, konstatierend. Wenigstens vorläufig und jetzt noch nicht!

DUFROY noch ironisch-mokanter als vorhin. Dann muß man Leute ...

GEORG ihn, wieder etwas ungehalten-ungeduldig, unterbrechend. Außerdem hatte ich dir auch schon sofort und von vorneherein erklärt Mit einem entsprechenden, sehr unmißverständlichen Blick nach Uexküll rüber, der jeden Moment, in dem er sich von Georg unbeachtet geglaubt, solange benutzt hatte, um immer wieder nach Marianne rüberzuäugen, die nach wie vor, von der allgemeinen Erregtheit um sie fast unberührt und nur noch bei ganz besonders starken Stellen wie physisch darunter leidend, mit geschlossnen Augen in ihrem Sessel sitzt. Wenn der Kreis der Teilnehmer ...

UEXKÜLL seinen Angreifer nicht aussprechen lassend; ostentativ zu Dufroy. Mit andern Worten, wenn ein berufner Sachverständiger, wie Exzellenz ...

DUFROY für diese faustdicke Schmeichelei nicht ganz unempfänglich; ihm lebhaft beipflichtend. Sehr richtig!

ONKEL LUDWIG auffahrend; zu Uexküll rüber. Wie beliebt?

GEORG noch schärfer; Uexküll von oben bis unten messend. Erlauben Sie! Halten Sie mich hier etwa für den ersten, besten, hergelaufnen Zinngießer oder Seifensieder?

DUFROY Uexküll wieder beispringend; zu Georg und Onkel Ludwig gleichzeitig; unwillig. Ihr dürft nicht immer gleich bei jedem Wort ...

UEXKÜLL ebenso zu diesen beiden; in dem Gefühl, sich mit seinem letzten Ausfall allzuweit vorgewagt zu haben, wieder »klug« einen Schritt zurück; sich auf das ihm von »Exzellenz« »anvertraute Amt« berufend. Die Kapazität beider Herren, auf diesem Gebiet, ganz unangetastet und in Ehren! Ich wollte mir nur als Unparteiischer ...

GEORG ähnlich wie vorhin; ingrimmigst »durch die Zähne«. »Unparteiischer«?

DUFROY sich den Kopf haltend. Herrgott, Herrgott!

ONKEL LUDWIG an dem die ihm eben von Uexküll plötzlich so gezwungen »großmütig zugestandne »Kapazität« denn doch nicht so ganz spurlos vorübergegangen ist; nicht viel anders und fast gleichzeitig. Wie soll bei dieser ewgen Katzbalgerei ...?![443]

GEORG zu Onkel Ludwig; mit einem wütenden Blick nach Uexküll rüber. Die du uns ... Den Rest in sich verschluckend.

UEXKÜLL sich verteidigend; gereizt; zu allen dreien. War es von mir bereits »parteiisch«, daß ich diesen Raum, in den ich als völlig Fremder trat ...

GEORG brüsk; ihn unterbrechend. Ich hatte Sie nicht darum gebeten!

DUFROY am »Ende seiner Geduld«; zu Georg. Wenn du nicht jetzt bald ...

ONKEL LUDWIG ebenso; seinem Stiefbruder diesmal zur Hilfe kommend. Man muß doch Vernunft annehmen!

GEORG ausholend, scharf. Ich würde nichts gesagt haben, wenn der Raum, zu dem wir uns, Kurz zu Dufroy rüber. auf deinen Vorschlag hin, für diese Sitzung bestimmten ... wie bisher, mein Laboratorium gewesen wäre! Wieder zu Uexküll. Sie hätten dort meinetwegen das Unterste zu oberst kehren können! Ich garantiere Ihnen, ich hätte dazu nicht einmal eine Miene verzogen!

UEXKÜLL kühl-ablehnend. Möglich. Aber dieser Saal ...

GEORG ihn unterbrechend und in der Darlegung und Trassierung seines »Standpunkts« weiter. Herr Professor Dufroy hatte Sie ausdrücklich und zur Genüge informiert, daß dieser Saal seit Jahr und Tag bereits von niemand mehr betreten worden war, sein Schlüssel hatte sogar umständlich erst gesucht werden müssen, und so schien mir die verletzende Übergenauigkeit, mit der Sie hier alles inspizierten ...

DUFROY »diplomatisch«; seinem »Antagonisten« nun doch etwas »zukommen« lassend; leis verweisender Tonfall gegen Uexküll. Ich glaube in diesem Fall allerdings auch ...

ONKEL LUDWIG knurrig-brummig; von seinem ehemaligen »alten Freund« jetzt unverhohlen abrückend. Wir sind doch hier schließlich ... keine Fälscherbande!

UEXKÜLL mit einer leichten, sich entschuldigenden Kopfbewegung zuerst zu Onkel Ludwig, dann zu Dufroy rüber. Herr Doktor verzeihn! ... Exzellenz gnädigstes Fräulein Tochter hatten sich, bevor wir diesen Raum, der erst gereinigt und gelüftet werden mußte, betraten, etwa gut eine dreiviertel Stunde lang auf ihr Zimmer zurückgezogen, was für die Dame des Hauses, in dem[444] ein diesem sonst Fernstehender zufällig die Ehre hatte als Gast zu weilen, doch immerhin ... Jetzt auch noch zu Georg und in seiner »Insinuation« »deutlich« werdend. ein ganz klein wenig auffällig war ...

GEORG der in diesem Augenblick an sich halten muß, um sich nicht gradezu auf ihn zu stürzen. Sie wagen eine direkte ... persönliche Beschuldigung?

ONKEL LUDWIG mit seinem Krückstock, den er zuerst, noch bevor er sein »Integer vitae« begonnen, rechts hinter sich gegen seinen Sessel gelehnt hatte und den er inzwischen längst wieder an sich genommen, ergrimmt aufs Parkett stoßend. Das ... wäre doch!

DUFROY aufgeregt; mit erhobnen Händen; seine früheren, eignen Anschuldigungen und Verdächtigungen nach dieser Richtung hat er auf einmal ganz und gar vergessen. Das geht nicht, das geht nicht! Der Charakter meiner Tochter ...

UEXKÜLL vor dieser allgemeinen Empörung und Revolte gegen ihn notgedrungen den Rückzug antretend. Exzellenz haben mich mißverstanden! Oder ich ... drückte mich etwas fahrlässig aus! Bitte um Entschuldgung! Dieser Raum wirkte auf mich so seltsam und wirkt es auch noch, daß ich unmöglich wissen konnte, ob sich nicht schon allein hinter diesem Orgelaufbau ...

GEORG zorniger, wegwerfend-verächtlicher Nasallaut. ...

ONKEL LUDWIG zu Uexküll; seinen Ausfluchtsversuch nicht gelten lassend; noch immer ganz aufgebracht. Wir versichern Ihnen mit Bestimmtheit!

DUFROY seinem Protest sich anschließend; ebenso; betreffende, wie dozierende Gesten. Der Saal, in dem wir uns hier befinden, ist seit Bestehn dieses Hauses, genau in dessen Mitte, massiv eingebaut; das kleine Gelaß oder Gemach hinter diesem Vorhang steht, außer mit diesem Saal, mit irgendwelchen andern Räumlich- ...

ONKEL LUDWIG einfallend. Oder Baulichkeiten ...

DUFROY in seinem Satz weiter. In absolut keinerlei Verbindung ...

GEORG die Fortsetzung ihm abnehmend und sie sofort »pfeffernd«. Und eine romantisch geheime Falltür ...

ONKEL LUDWIG wie vorhin. Oder eine sonst ähnliche Vorrichtung ...

GEORG noch ironisch-sarkastischer; erst jetzt ihren Dreimännersatz schließend.[445] Wir würden Ihnen brennend gern damit dienen, aber zu unserm aufrichtgen Bedauern ist derartges, oder dem auch nur Annäherndes, nicht in ihm angebracht!

ONKEL LUDWIG nachgrollend. Darauf können Sie sich nu schon mal verlassen!

DUFROY ähnlich. Ich hätte diesen alten Festraum sonst schwerlich ...

GEORG ihn unterbrechend; von neuem. Falls Sie sich aber, zu Ihrer nochmaligen Beruhigung, noch mal davon überzeugen wollen ...

UEXKÜLL kurz, kühl. Danke.

ONKEL LUDWIG der sich noch immer und zwar keineswegs beruhigt hat. Wär ja auch ... ganz und gar! Kenne in diesem ollen Rumpelkasten doch von Anno dazumal jedes Loch und jeden Winkel!

DUFROY der das Bedürfnis in sich verspürt, dem gemeinsamen Gast die so gemeinsam verabfolgte Pille jetzt wenigstens nachträglich etwas zu »versüßen«; wieder betreffende Geste, wie vorhin, nach dem Vorhang; »allgemein«. Ich sagte »Gelaß, oder Gemach«.

GEORG der die »sentimentale Seelenregnng« seines Schwiegervaters, die er natürlich sofort gemerkt hat, diesem »Sieur« gegenüber höchst deplaciert und überflüssig findet; barsch, schroff. Gleichgültig!

DUFROY zu Uexküll jetzt direkt; erläuternd. Es handelt sich vielmehr eigentlich ... bloß um eine Art Nische!

ONKEL LUDWIG ähnlich; mit sich beschwerendem, noch deutlich vernehmbarem Nachknurren. Zwei Meter tief und nach rechts und links so quasi 'n paar Hühnersteigen als Treppen! Herr Baron muß sich doch überführt haben!

UEXKÜLL reserviert. Gewiß!

DUFROY in seinem freiwillig übernommenen Amt und Posten als ehrlicher Makler und Vermittler mit unwillkürlich etwas erhobner Stimme weiter. Grade die natürliche Abgeschlossenst dieses profanen, lauschigen Adytons, dessen ich mich im Moment vorhin erinnerte, hatte mich veranlaßt ...

UEXKÜLL erkenntlich-verbindlich. Hätte ich gewußt, daß Exzellenz ...

DUFROY wie vorhin; nur noch geölter. Diese primitive Einrichtung, um Sie auch noch darüber aufzuklären, hatte im Rokoko als kleine Bühne gedient; Nun, einen Moment, halb zu Onkel Ludwig rüber. und erst der Vater von Herrn Doktor Brodersen, Herr[446] Kirchen- und Kommerzienrat Brodersen, eine etwas nach dem Religiösen veranlagte Natur ...

ONKEL LUDWIG Geste; wie den ganzen »Kirchen- und Kommerzienrat« damit endgültig erledigend; brummend vor sich hin. Gott hab ihn selig!

DUFROY von dieser kurzen Expektoration und Seelenerleichtrung kaum unterbrochen, noch schwungvoller in seiner Rede weiter. Erst dieser letzte Vorbesitzer hatte an Stelle jener leichten, mit ihren galanten Schäfern und geschürzten Schäferinnen entschwundnen Weltlichkeit diese kostbare Musikvorkehrung errichten lassen, um zu ihren feierlichen Klängen, mit Personal und Familie, streng abseits von jeder Öffentlichkeit, die ihm in solchen Dingen verhaßt war, seine stimmungsvollen Hausandachten abzuhalten.

ONKEL LUDWIG ähnlich wie vorhin. Allwöchentlich dreimal! N Vergnügen war s nich!

DUFROY der sich jetzt »ganz auf der Höhe« fühlt. Wo jetzt dieses sozusagen christliche Flötenwerk ragt, hatte also bis zum Jahre Achtzehnhundertundzweiunddreißig, wie auf einer alten Abbildung noch feststellbar, in schön geschwungnen Antiquainitialen »APOLLINI ET MUSIS« gestanden!

UEXKÜLL leichte, elegante Verbeugung. Exzellenz sind zu gütig.

ONKEL LUDWIG der sich das »sozusagen christliche Flötenwerk«, noch immer sitzend und auf seinen Stock gestützt, höchst mißbilligend betrachtet. Wahrer Jammer drum!

DUFROY von dem Ergebnis seiner eloquenten Intervention, trotzdem und obgleich ein solches eigentlich gar nicht vorhanden ist, auf das Lebhafteste befriedigt; zu allen dreien; schließend. Jedenfalls hat all unsre Geduld bisher keinen Erfolg gehabt, unser guter Wille, so ehrlich und redlich wir uns auch bemüht haben, ist unbelohnt geblieben, Bedauernd-vorwurfsvoll unterstrichen. schönste, kostbarste Zeit, die jeder von uns ebenso und vielleicht noch besser hätte anders verwerten können, ist nutzlos vertrödelt worden, Zu Georg rüber, der, noch immer aufrecht hinter seinem Tisch, während der letzten Repliken eine mehr als verächtlich-abwehrende Haltung und Stellung angenommen und jetzt fast nur noch auf Marianne achtet, die sich in ihrem Sessel kaum noch regt. und deshalb schlage ich nun vor ...[447]

ONKEL LUDWIG trocken; alles weitre ihm damit abschneidend. Daß wir noch n bißchen weiter Geduld haben!

DUFROY sofort, fast im gleichen Moment, gegen ihn aufgefahren; spitz. Zu welchem Zweck? Wozu?

UEXKÜLL allerschärfst; sich a tempo, und zwar diesmal enragiert, auf Dufroys Seite stellend. Um uns etwa noch einmal um diesen ... Entsprechende, wie in diesem Augenblick fast persönlich beleidigte Geste. Injurien, Indiskretionen und unbeweisbare Behauptungen klopfenden Tisch zu setzen?

DUFROY dem diese Verwahrung, so energisch sie auch ist, noch nicht genügt; noch hochfahrend- ausfälliger; in Tonart und Positur ihn noch übertrumpfend. Lächerlich! Alberne, einfältge Beschäftgung für insipide, zeittotschlagende Spiritistenkränzchen!

ONKEL LUDWIG höhnisch zu seinem »Stiefbruder« rüber; zitierend. »Narr! Noch nicht mal dieses Leben konntest meistern nach deinem bißchen Stückwerkwissen!« Triumphierend-boshafte Kopfbewegung nach dem von den beiden Vereinigten so rabiat und mit so viel Zungenaufwand diskreditierten, harmlosen Möbel hin. Hat dir wohl nicht ganz gefallen diese typtologische Offenbarung?

DUFROY den ihm so angetanen »Affront« – »haust du meinen Juden, hau ich deinen Juden« – mit gleicher Münze zurückzahlend; ebenfalls zitierend. »Ludwig Onkel krank! Onkel Ludwig: »Knax«. Höchste Zeit! Großmutter!« Wenn du dich in der Illusion wiegst, daß du mit diesem ... Ähnliche Kopfbewegung nach dem Tisch, wie vorhin Onkel Ludwig. Pronunziamento vorteilhafter abgeschnitten hast ...

ONKEL LUDWIG rechte Seite; neuer Knax; erbittert. »Ludwig Onkel krank!« quatsch! »Höchste Zeit! Großmutter!« Als ob ich überhaupt ...

DUFROY dem sein »armer Bruder«, dessen innern Jammer er mitfühlt, nun denn doch wieder aufrichtig leid tut; in dem ehrlich-redlichen Bestreben, seine einen Moment herzlose Grausamkeit wieder zuzudecken. Ich bin ja auch davon durchdrungen, daß wirklich Ernsthaftes ...

ONKEL LUDWIG mit Eifer darauf eingehend; sich und seinen Tröster nach Kräften »betrügend«. Nu ja! Vielleicht n kleiner, vorübergehender Ansatz zu so n bißchen Gallengrieß! Aber sonst ... Knax Nummro drei.[448]

DUFROY auch jetzt noch in dem gleichen Bestreben. Immerhin! Ich biete dir für alle Fälle noch mal ... eine Untersuchung an!

ONKEL LUDWIG der seine »Pappenheimer« kennt; aufgebracht-ablehnend. Um dann vielleicht schon übermorgen auf deinem Seziertisch zu liegen? Wieder »Knax«. Gratias!

DUFROY durch diese »unvernünftige Verstocktheit« fast gegen seinen Willen wieder etwas pikiert. Nun! Um so besser, wenn du diesmal an die Allwissenheit deines vierbeinigen Orakels ... Kleine, verschnupfte, halbsekundenlange Pause. plötzlich nicht mehr glaubst!

ONKEL LUDWIG »geharnischt«; wie auf einmal ganz »aus dem Häuschen«. »Glaubst«, »glaubst«, »glaubst«! Nach dem betreffenden Möbel hin. Wenn so n verrücktes Biest ... Abbrechend und sofort wieder weiter. Einmal, kommt s einem vor, als spricht die höchste Vernunft, und gleich drauf ...

UEXKÜLL mokant-ironisch; seinen früheren »Reisekameraden« aber auch vollständig im Stich lassend. Das ist es ja eben!

DUFROY wieder »grausam-mitleidslos«; ähnlich; seinem Partner beipflichtend. Jaja! Wie soll man sich da rausfinden! Onkel Ludwig: neuer Knax; Marianne hat bei diesem letzten Disput wieder mehrmals, wie schmerzlichst, leise aufgestöhnt.

GEORG scharf, hochmütig; sich an der Diskussion wieder beteiligend. Ich warnte vor solcher Kindlichkeit gleich, da sich durch Produktionen in diesem kommunen Genre ...

ONKEL LUDWIG der sich auf diese Weise plötzlich, von allen überhaupt möglichen drei Ecken zugleich, barbarischst in die Enge getrieben sieht; gegen das harte Verdikt Georgs mit hochgezognen Schultern, wenn auch allerdings bereits etwas gedeppt, Einspruch erhebend; »a« kurz und betont. Ja nu ...

DUFROY ihm den »Rest« gebend; »unbarmherzig«; mit einmal ganz auf Georgs Seite. Stimmt!

UEXKÜLL die »seltne Gelegenheit«, und zwar »mit Genuß« sofort ebenfalls ergreifend. Ausgezeichnet!

GEORG zu Onkel Ludwig rüber; die beiden »Zuzügler« gar nicht beachtend; seinen Satz mit erhobner Stimme schließend und dann sofort, mit gleicher Schärfe zuerst gegen Uexküll gewandt, weiter. Nichts beweisen läßt! Zu Dufroy rüber. Nachdem aber[449] Ihr gesamtes Trio ... Zu Onkel Ludwig. auf dein wiederholtes, eigensinniges Drängen Achselzuckend. mich überstimmt hatte?

ONKEL LUDWIG jetzt auch mit ihm, als seinem eigentlichen Kompagnon, im Hader. Wenn man anderthalb Stunden gesessen, und sich nichts ereignet?

UEXKÜLL sich plötzlich wieder mit ihm verbündend; in seinem Satz, noch gesteigert, weiter. Und man zum Überfluß, völlig ergebnislos, fast bis zur allgemeinen Erschöpftheit auch noch sogenannte »Kette« gebildet hat?

ONKEL LUDWIG von neuem und noch mal gegen Georg in dasselbe Horn tutend. Wir konnten doch nicht bloß die ganze Zeit ...

GEORG höhnisch-verbissen; keinen von seinen jetzt drei Gegnern mehr anblickend. Jaja! Neinnein!

DUFROY die gemeinsame Attacke, wie dies seiner »präponderierenden« Bedeutung zukommt, beschließend und von allem Bisherigen das »Fazit« ziehend. Wir hatten alles getan, was nach deinen Wünschen und Anordnungen in unsern Kräften stand! Dein von dir so betiteltes »Medium« hatte seinen verheißnen »Trance« innerhalb wie außerhalb des Kabinetts erwartet ... Einen Augenblick »konnivent« zu Uexküll rüber, der über diese »Bevorzugung« sofort entsprechend »quittiert«. leider, wie Herr Baron eben sehr richtig bemerkte, »völlig ergebnislos« ... wir hatten hinter den Vorhang auf dem Stuhl, wie du dies für angebracht und nötig hieltst, einen Gong, ein Tamburin und meinen Notizblock placiert, wo diese drei Dinge ihr beschauliches Dasein jetzt noch fristen, Einen Moment nach der Decke hoch. und wir hatten diesen Raum, fast noch mitten am Tag, da du darauf vor allem und in erster Linie bestandst, künstlich verdunkelt! Resümierend-»entgegenkommende« Geste; auch zu den beiden übrigen wie nach Billigung und Beifall blickend. Alles, ohne auch nur das geringste Resultat zu erhalten! Jetzt nur noch zu Georg gewandt; letzte, seines kompletten »Sieges« aber auch bereits ganz und gar sichre und gewisse Steigrung; »a« kurz. Ja ... worauf wartest du jetzt eigentlich noch?

GEORG hartnäckig-verbissen; mit einem grimmigen, bitterbösesten »Blick« nach Uexküll rüber. Auf die Aufklärung, die uns der Tisch ...[450]

DUFROY ihn sofort unterbrechend; »nervös«. Der »Tisch«!

GEORG herausforderndst-unterstrichen; mit seinem Blick wieder über alle drei. Jawohl!

ONKEL LUDWIG ganz erstaunt-ungehalten; von einem zum andern. Ich denke ...

UEXKÜLL den ihm hingeworfnen »Handschuh« jetzt »aufhebend«; scheinbar ebenfalls ganz überrascht. Herr Professor hatten doch eben erst geäußert, daß sich durch »Produktionen in diesem kommunen Genre« ...

GEORG der ihn nicht ausreden läßt. Ganz recht! Ihn nicht mehr anblickend; wie allgemein. So wenig ich sonst geneigt bin, auf diese heute noch populärste und beliebteste Art, transzendentale Probleme und Dinge anzuecken, irgendwelchen Wert zu legen ...

DUFROY einen Moment ganz naiv-ratlos. Ja aber dann ...

ONKEL LUDWIG noch »konsternierter«. Dann begreif ich nicht ...

GEORG über ihre Unterbrechung hinweg. Was mich in diesem Fall an ihr lockt, ist ... Jetzt wieder zu Uexküll direkt; allergeschliffenst; sein Ton ist ein scheinbar »weltmännisch«-leichtrer geworden, schillert aber dabei, plötzlich, in ganz seltsam »bedenklichen«, wie irgend etwas versteckt »andeutenden« Nüancen. verzeihn Sie, eine kleine Neugierde. Wenn Sie gestatten, eine gewisse, kleine persönliche Neugierde!

UEXKÜLL als »begriffe« er von alledem »nichts«; von Dufroy zu Onkel Ludwig rüber; beide Worte betont. Ahnen Sie ...?

ONKEL LUDWIG vollständig wieder »Wickelknabe«. Und wenn Sie mich mitten entzweischneiden!

DUFROY zu Georg; wie mit einmal von einem ihm äußerst unbehaglichen, unbestimmten »Vorempfinden« ergriffen; unruhig. Du machst uns ... gespannt!

GEORG aufgereckt-drohend, jeden Akzent schärfst betont. Ich lasse jetzt jede Maske vor Ihnen fallen, Herr Baron!

UEXKÜLL beeilt-verbindlich«. Aber ich bitte darum!

GEORG seinem Gegner »gegenüber«; auch die beiden übrigen lassen, wie Uexküll, keinen Blick von ihm. So auffällig und heftig, ja gradezu so bösartig auch der Tisch vorhin, sofort nachdem wir uns um ihn gesetzt, gegen Sie protestiert hatte ... und so wiederholt er dies dann immer wieder tat ... ich würde meine schließliche Frage nach dem mysteriösen Warum dieser ostentativen[451] Feindseligkeit nicht gestellt haben, wenn ich nicht, als für mich ganz selbstverständlich, die Antwort erwartet hätte, Herr Baron ... »Höflich«-parenthetisch. Sie werden mir dies im Moment nicht verübeln ... Noch langsamer und schärfer. sind hier in diesem Kreise ...

UEXKÜLL der ihn bereits »zur Genüge verstanden«; ihn unterbrechend; wie vorhin. Herr Professor meinen, »zuviel«.

GEORG noch immer, wie dies sonst nicht grade in seiner Gewohnheit liegt, etwas beklemmend-langsam. Ich möchte es nicht mehr recht ... leugnen!

ONKEL LUDWIG der das »Gefühl« hat, er müsse jetzt seinem »alten Freund« irgendwie zur Hilfe kommen; wieder »von einem zum andern«. Ja, aber ...

UEXKÜLL zu Georg; wie scheinbar lediglich für dessen »retrospektive Feststellung« interessiert; auf die »entgegenkommende Möglichkeit«, die dieser ihm gelassen, respektive ihm eben freigestellt, sich nämlich jetzt noch zu »empfehlen«, nicht reagierend. Und statt dessen?

GEORG scharf. Erfolgte als Antwort ...

UEXKÜLL wie das Allerharmloseste von der Welt, die betreffende »Antwort« »reproduzierend«. »Siebzehn Drei Neunzehn Null Neun!«

DUFROY dem diese ganze »lächerliche, erneute Komplikation«, zumal er ja doch die »Sitzung«, als absolut »resultatlos« verlaufen, eigentlich schon längst hatte »aufheben« und »schließen« wollen, so peinlich überflüssig als nur irgend möglich gekommen; wie um überhaupt nur etwas zu sagen; von Georg über Uexküll zu Onkel Ludwig rüber. Wie es schien ... ein Datum?!

ONKEL LUDWIG letzte, felsenfesteste Überzeugung. Nu, aber ganz zweifellos!

GEORG Uexküll noch immer, durchdringend, anblickend. Glaube ich auch!

ONKEL LUDWIG die vom Tisch geklopften Zahlen jetzt »explizierend und ausdeutend«. Siebzehnter März Neunzehnhundertundneun!

UEXKÜLL mit aller Gewalt seine »Haltung« bewahrend; keinen mehr anblickend; Dufroy bei der Übersetzung Onkel Ludwigs, so sehr sich diese, nachdem der Datum-Anhalt einmal gegeben, eigentlich doch nur absolut folgerichtig von selbst verstanden hatte, plötzlich zusammengezuckt und nach einem schnellen, scheuen Blick[452] auch nach Georg rüber, der dies nicht bemerkt, Uexküll einen Moment lang, wie ganz entsetzt, anstarrend. Seltsamer Unsinn!

GEORG der von ihm so lange »kein Auge« gelassen; allerschärfst. Wieso?! Weshalb?!

UEXKÜLL der genau weiß: verlierst du jetzt, auch nur eine Sekunde lang, die Balance, so hat dein Spürhund dich beim Kragen; gemacht hochmütig- »gleichgültig«. Weil ich mich nicht entsinnen kann ... daß dieses »Datum« ... in meinem Leben auch nur die geringste Rolle gespielt hätte! Dufroy bei dieser Ableugnung, der er sofort, gern und bereitwillig, Glauben schenkt, unwillkürlich, wie erleichtert, aufatmend.

GEORG durch Uexkülls anscheinende »Sicherheit« unverblüfft; fast bereits triumphierend-höhnisch. Der Tisch schien ein bessres Gedächtnis zu haben!

ONKEL LUDWIG zu Georg; für seinen »alten Freund« wieder eintretend. Ja aber Herr Baron ...

DUFROY der seinen »Verdacht« wieder fallen gelassen; ähnlich wie Onkel Ludwig; nur mit vielleicht ausgerechnet grade für diesen Anlaß zu viel Zorn und Temperament und sich so einen Augenblick fast »selbst verratend«. Du hast doch eben gehört!

UEXKÜLL jetzt wieder vollkommen »Herr seiner selbst«; legeres, halb gradezu wie »belustigtes« Achselzucken. Wenn Herr Professor sich diese drollige Hartnäckigkeit nicht ausreden lassen will?

GEORG knapp, klar, kalt; im übrigen wie vorhin. Auf meine wörtlich gestellte, weitere Frage: »Werden wir heute noch erfahren, was es mit dieser Zahl oder diesem Datum für eine Bewandtnis hat?« ... erfolgte mit drei Schlägen, die so stark waren, daß das Möbel in seinen Fugen krachte, die deutliche Schlußantwort: »Ja!«

ONKEL LUDWIG der über seinen Stock vorgebeugt, jedes Wort »in« sich gesogen; unwillkürlich zu Dufroy rüber. Das können wir doch beschwören?

DUFROY »konzedierend«-widerwillig. Die Tatsache als solche ... läßt sich nicht in Abrede stellen!

UEXKÜLL mit einem Unterton leiser Ungeduld, wie von der ganzen »Angelegenheit« durch seinen Gegner »belästigt«. Was ich auch nie behaupten werde![453]

GEORG in der Weiterverfolgung seiner »Fährte«, die ihm der »Zufall« so seltsam geheimnisvoll aufgedeckt, als hätten die drei auch nicht eine Silbe gesagt, beharrlichst weiter. Auch dies überraschend heftige, prononciert-temperamentvolle »Ja«, auf das wir in solcher Form nicht gefaßt waren, hätte mich höchstwahrscheinlich kaum aus dem Text gebracht, wenn Sie nicht daraufhin sofort, ohne daß von irgendeiner andern Seite bereits etwas passiert oder gefallen war, aufgesprungen wären und ebenso eigenmächtig, wie rücksichtslos, den Tisch verlassen hätten!

DUFROY zögernd; von neuem mit einem etwas unsichern Blick nach Uexküll rüber, der durch möglichst zur Schau getragne »Gelassenheit« versucht, die Hiebe seines Gegners an sich abprallen zu lassen, während er zwischendurch ab und zu wieder Marianne beobachtet, die, die Augen noch immer geschlossen, vollkommen regungslos dasitzt. Auch ... das ist allerdings wahr!

ONKEL LUDWIG von seinem »alten Freund« abgewandt; trotz seiner im Moment Wiederparteinahme für ihn, brummig-verdrossen. Wenn einem mal ne Antwort nicht paßt, stört man doch nich deshalb gleich die ganze Gemütlichkeit!

GEORG nach einem Blick wieder über alle drei; auch jetzt noch, wie vorhin. Es bleibt nur die eine Erklärung: Diese Zahl, oder dies Datum steht zu irgendeinem von uns in irgendeinem Zusammenhang, oder einer Beziehung ...

DUFROY ihn unterbrechend; als hätte er eben gradezu in einer Art Volapük oder Esperanto gesprochen; sich auch bei den beiden übrigen wie nach einer Hilfe umblickend. Ja, in ... was für einer »Beziehung«?

ONKEL LUDWIG zu Georg. Herr Baron hat dir doch eben erst ...

UEXKÜLL nun schon fast »ungehalten«. Ich versichre und wiederhole!

GEORG noch schärfer als vorhin; wieder nur zu ihm ganz allein. Bitte, lassen Sie mich ausreden! Dieser betreffende Zusammenhang, oder diese Beziehung, die unmöglich eine uns angenehmer Natur sein kann, ist Ihnen bekannt ...

ONKEL LUDWIG der ihn wieder nicht ausreden läßt. Ja, wer sagt denn ...

UEXKÜLL »mitleidig«-ablehnend; fast als zweifle er an seinem Verstand. Diese Annahme ist so phantastisch ...

DUFROY ohne daß er sich dagegen wehren kann, plötzlich wieder von[454] seiner »inneren Unruhe« erfaßt; von Uexküll zu Georg, als begriffe er von alledem auch noch nicht das Geringste. Wie ... kommst du nur in diesem Augenblick darauf?

GEORG von seinem »Opfer« nicht ablassend; aus seinen »Prämissen« jetzt das »Resümee« ziehend. Ich wiederhole und bleibe dabei: Wenn meine Annahme, meine Vermutung, mein Argwohn, oder mein Verdacht, ganz gleich, wie Sie dies nun nennen wollen, nicht stimmt, weshalb scheuen Sie dann so seine Aufhellung?

ONKEL LUDWIG ablehnend-unwirsch. »Aufhellung«!

DUFROY aufgebracht-lebhaft; den abscheulichen »Verdacht«, der jetzt noch mal und wieder in ihm aufgestiegen, nun noch mal und wieder von sich weisend; Onkel Ludwigs »Resistenz« allernachdrücklichst unterstützend. Und wo es sich um ein »Datum« vielleicht überhaupt noch nicht einmal handelt!

GEORG kleine, bei Onkel Ludwig, namentlich und vor allem aber bei Dufroy, erwartungsvolle Pause. Herr Baron ... schweigen?

UEXKÜLL nach einer abermals kleinen Pause; mit »erhobnem Haupt«; zu einem »innern Entschluß« gekommen; den Kampf mit seinem Gegner und, wie er dies sofort fühlt, zugleich auch noch mit den beiden andern und übrigen, nun endlich aufnehmend; genau so prononciert-höflich, als bestimmt und entschieden. Ich zog dies bis jetzt vor, nehme aber nun kein Blatt mehr vor den Mund und erkläre Der Wirkung dieser Erklärung, die er, fast jedes Wort schärfst unterstrichen, unter die drei jetzt wie eine Bombe wirft, schon im voraus sich bewußt. Ich stand vom Tisch auf, weil mir seine »Schlußantwort«, wie übrigens auch bereits alles Vorausgegangne, nicht aus ihm allein zu stammen schien!

DUFROY sofort; stärkst. Wie??

ONKEL LUDWIG noch empörter. Was??

GEORG Unwillkürlich einen Schritt auf ihn zu; den Kopf etwas vor, seine Stimme vibriert. Sie wollen damit sagen??

UEXKÜLL fest; nicht einen Millimeter zurück. Ich will damit sagen, ich glaube deutlich bemerkt zu haben, Kurzer Blick nach Marianne, die in noch immer unveränderter Haltung von allem um sie schon längst nichts mehr zu hören scheint. daß von meiner Nachbarin rechts ... auf den Tisch ein zwar leiser ... aber ab und zu doch recht spürbarer Druck ausgeübt worden war![455]

ONKEL LUDWIG ähnlich wie vorhin. Das ist doch ...

DUFROY rausplatzend. Unerhört!

GEORG dessen Fäuste sich geballt haben; jeder Nerv an ihm ist gespannt; man hat das Gefühl: jetzt noch einen »Ton«, und er springt auf seinen Gegner zu. Sie ... wagen es, und wie ich fast annehmen muß, wider Ihr bessres Wissen ...

UEXKÜLL ihn von oben herab messend; jeder Zoll »Aristokrat«. Erlauben! Gestatten!

ONKEL LUDWIG noch gesteigert. Marianne und eine Betrügerin?!

DUFROY ebenso. Es hat doch, bitte, alles seine Grenzen!

UEXKÜLL mit noch »bebenden Nüstern«; seine Augen in denen Georgs. Sie gehn zu weit! ... Habe ich an dieser Sitzung teilgenommen, um kritiklos ...

GEORG fast noch maßloser, als vorhin; die Erregung aller, mit Ausnahme Mariannes, hat den bis jetzt höchsten Gipfelpunkt erreicht. Schützte Sie nicht im Augenblick eine Art Vorrecht, das Sie hier als Gast genießen ...

ONKEL LUDWIG der in diesem Augenblick als erster bemerkt, daß Marianne sich plötzlich, wie schlafwandelnd, erhoben; Georg stürzt sofort auf den drehbaren Schalter am Mittelaufbau rechts und reduziert das Licht in den Ovalen um zwei Drittel; auch Onkel Ludwig und Dufroy stehn jetzt. Ssst! Marianne, wie eine Statue, bis in die Mitte des Raums.

DUFROY vor seiner Tochter, im ersten Moment, fast zurückgeprallt; ganz entsetzt-erschüttert. Um Gottes willen! ... Kind! ... Marianne!

GEORG schnell, kurz, wie vollständig verändert; nur noch »Sitzungsleiter«; bereits bei Marianne. Sie hört und sieht dich nicht mehr! ... Zu Dufroy, der inzwischen, besorgt, ganz nahe an sie herangetreten, jetzt Miene macht, auf ihren linken Arm seine rechte Hand zu legen. Berühre sie nicht! ... Zu den übrigen. Der eingetretne Trance, auf den wir seit einer Ewigkeit gewartet haben![456]

ONKEL LUDWIG der an seinem Platz, mit der Rechten auf seinen Stock gestützt, so lange, gespannt-erwartungsvoll, dagestanden und von seinem »Liebling« kein Auge gelassen; zu allen dreien; aus innerstem Stolz, vermengt mit gerührtester Genugtuung. Durch meine Musik! Wäre ich nicht vorhin plötzlich ... ich weiß nicht, wie ... auf diese Idee verfallen ...

UEXKÜLL der vorhin ebenfalls vor dem Anblick Mariannes einen Moment ganz perplex gestanden; jetzt bereits wieder »gesammelt«; kühl-skeptisch, zu den beiden übrigen. Und die Garantie ... der unwiderlegliche Beweis, daß dieser Zustand kein fingierter ist?

ONKEL LUDWIG unwillkürlich. Na, da hört doch ...

GEORG schnell, scharf, schadenfroh; mit deutlich durchklingendem Triumph in der Stimme; sich sofort wieder steigernd. Den sollen Sie bald haben! Den werden Ihnen die kommenden Phänomene, und zwar wahrscheinlich sehr schnell, schon rein durch sich selbst beibringen! ... Zu Dufroy rüber; allerstärkst unterstrichen. Jetzt werden wir erfahren ...

DUFROY zu Uexküll, der unter dem Eindruck dieser Worte in Verbindung mit der ganzen, ihm immer unheimlicher und drohender auf den Leib rückenden Situation nun doch, wenn auch nur einen kurzen Moment lang, seine Haltung verändert hat; mit jetzt nochmal, nun schon zum drittenmal in ihm aufsteigenden Verdacht. Was ist Ihnen, Herr Baron?

UEXKÜLL der sich bereits wieder in der »Raison« hat, »kalt«; vor Marianne. Gibt es dafür ... keine Prüfungsmethoden?

ONKEL LUDWIG noch immer von seinem Platz aus; als hätte ihm der Herr Baron plötzlich per Distanz auf sein bestes, seelisches Hühnerauge getreten. »Prüfungsmethoden«??

DUFROY noch halb wie vorhin. Sie verlangen ...?

GEORG ironisch-sarkastisch zu seinem Schwiegervater. Falls du hier als der »berufne Sachverständge« ...

DUFROY der sich zu einem »fachmännischen« Gutachten, oder doch wenigstens einer solchen Aussage, so jetzt wohl oder übel gezwungen sieht; zu Uexküll. Der Zustand ist echt. Wenn Sie die Haut der jetzt fast Kataleptischen mit Nadeln durchstächen ... sie fühlte es nicht! Das suchende Zucken der Hände ist ein konvulsivisches, und die Augäpfel hinter den geschlossnen Lidern sind, Zu seinem Schwiegersohn rüber. wie Herr Professor Dorninger mir dies wohl ohne weitres bestätigen wird ...

GEORG diese versteckte captatio unterbrechend und ihm seinen Satz schnell schließend. Jetzt nach oben gedreht! Mit hohnlächelnd-zuvorkommendster[457] Bereitwilligkeit wieder zu Uexküll. Wenn Sie aber trotzdem noch wünschen ...

UEXKÜLL der in diesem Augenblick, mit allen Zeichen fast entsetzten Überraschtseins, zum erstenmal halb aus der Fassung, nach dem großen Mittelbau starrt. Was ist da? ... Was war da? ... Bewegte sich nicht eben der Vorhang?

ONKEL LUDWIG mit starker Stimme; der Vorhang, in diesem Augenblick, wieder gebläht, wie durch einen Luftzug. Er bewegt sich ja noch!

DUFROY vor dieser ihm Unbegreiflichkeit gradezu wie gelähmt. Ganz deutlich!

UEXKÜLL im Raum sich umblickend. Es steht doch nicht ... auf einmal irgendwo eine Tür auf?

GEORG wie »eine mit heimlicher Ungeduld bis zum Platzen vollgefüllte Dynamitbombe«; mit aller Energie an sich haltend; einen kurzen Moment nach dem Zuschauerraum. Da die Herren die einzige Tür, die in diesen Raum führt, auf besondern Antrag von Herrn Baron, vorhin selbst, nicht bloß doppelt verschlossen, sondern auch noch obendrein umständlich versiegelt haben?

DUFROY sich jetzt ebenes umblickend. Und diese ... plötzliche ... Kälte!

UEXKÜLL noch gesteigert. Woher ... kommt die?

DUFROY beinahe zusammenschaudernd. Ein fast eisiger Luftzug! Zu Onkel Ludwig rüber. Spürst du ihn auch?

ONKEL LUDWIG jetzt »ganz in seinem Element«. Wie aus einer geöffneten Grabkammer!

DUFROY sich wieder umblickend; jetzt nach der Decke hoch. Doch ... gar nicht denkbar! ... Sollte vielleicht ... da oben im Glasdach ...

GEORG höhnisch-verbissen; einen Moment, wie auch alle übrigen, ebenfalls nach der Decke blickend. Selbstverständlich! Eine kaputte Scheibe, obgleich sie alle ganz sind!

ONKEL LUDWIG mit den Augen nach oben. Und nachdem wir den eisernen Wetterschirm ...

GEORG »trocken« seinen Satz schließend und jedem »rationalistischen Erklärungsversuch« damit die vielleicht allenfalls sonst noch »letzte Möglichkeit« nehmend. Noch extra über die Kuppel gelassen![458]

DUFROY nach einer kurzen Pause; die auf einmal ganz seltsame »Stimmung«, die ihn überkommen, mit Gewalt von sich schüttelnd. Unsinn!

UEXKÜLL ähnlich. Selbsttäuschung!

DUFROY noch verstärkt; an sein Wort sich wie an einen Halt klammernd. Autosuggestion!

UEXKÜLL da in diesem Augenblick, vom hintern Vorhang her, plötzlich ein metallisch tiefer, machtvoll schwingender, wie»kirchlicher« Klang erklungen; Dufroy und Uexküll wie gebannt. Der Gong!

GEORG der jetzt, etwas nach dem Vorhang hin, von Marianne rechts steht; zu Uexküll, der, von ihr links, auf den Vorhang zu, wie unwillkürlich, einen Schritt macht; scharf. Bleiben Sie an Ihrem Platz!

MARIANNE die sich inzwischen, die Angen noch immer geschlossen, langsam nach dem Vorhang umgedreht; vorgebeugt; die Rechte, wie lauschend, emporgehoben. Du?

DUFROY von dem ganz seltsamen Ton dieser Frage, wider seinen Willen, bis ins letzte Innerste berührt und getroffen; nach einer kleinen »Sammlungs«pause. »Du«?

UEXKÜLL fast heftig. Wer »du«?

GEORG die Augen auf Uexküll; mit jetzt wieder deutlich durchklingendem, noch gesteigertem Triumph. Das wird sich jetzt bald ...

ONKEL LUDWIG da der Klang noch nicht völlig verklungen; noch immer »ganz Ohr«. Wie das noch ... summt! Wie das ... zittert!

DUFROY der sich mit aller Gewalt wieder zu »fassen« versucht; von Georg zu Uexküll. Wir hatten den Schlägel ... über die Stuhllehne gehängt!

UEXKÜLL ihm sofort beipflichtend; von ihm zu Georg. Es wäre also ... sehr wohl möglich ...

DUFROY in seinem Satz weiter; noch verstärkter als vorhin. Ja, es ist gradezu einfach gar nicht anders denkbar ... als daß durch eine zufällige, kleine Erschüttrung ...

UEXKÜLL da in diesem Augenblick Marianne, noch immer vorgebeugt, die erhobne Rechte einen kurzen Moment lang, seltsam flackernd, hin- und herbewegt; Dufroy unterbrechend, schnell. Warum schüttelt das Medium so mit der Hand? Erneutes »Geflacker«; wie auf etwas »wartend«. Warum ...[459]

GEORG der jetzt fast nur noch auf Marianne achtet; kurze, Uexküll unterbrechende und ihn zugleich halb wie zurechtweisende Geste. Bitte? Marianne hat ihre Hand jetzt noch mal und zum drittenmal bewegt, und sofort setzt hinterm Vorhang ein kurzes, leises, ganz befremdlich-sonderbar klingendes Schellengeräusch ein.

DUFROY sobald es aufgehört; zu allen dreien; noch erregter. Das Tamburin!

UEXKÜLL zu Dufroy; jetzt schon fast wie »zornig«. Das kann doch nicht von selbst ... Erneutes Geklirr; diesmal bereits lauter und länger.

MARIANNE noch immer in derselben Haltung; wie auf das »Etwas« hinterm Vorhang antwortend. Ja ...? Das Schellengeklirr zum drittenmal; fast »herrisch«.

UEXKÜLL den es jetzt kaum noch hält, sich hinter den Vorhang zu stürzen. Wenn wir uns jetzt nicht auf der Stelle überführen dürfen ...

DUFROY zu Georg rüber, der in gespanntester Energie, wie sprungbereit, dasteht und auf alles und jeden, wie mit Luchsaugen, wacht; Uexküll beipflichtend. Nur dann ...

MARIANNE durch das unbekannte »Ix« wie magnetisch gezogen, mit beinahe »hieratisch« erhobnen Händen, langsam auf das Podium und den Vorhang zu; Dufroy, für dessen Worte, ebenso wie für die der andern, ihre Ohren vollkommen taub gewesen zu sein schienen, unterbrechend; draußen, auf das Wetterdach, die ersten, schweren, fallenden Tropfen. Ich ... komme! Durch den Vorhang, den sie, ohne sich dabei umzuwenden, stumm hinter sich schließt.

GEORG während Dufroy und Uexküll, durch ihr Verschwinden überrascht, noch ganz verdutzt dastehn; zur Decke hoch. Dieser dumme ... Regen ...

ONKEL LUDWIG zu den beiden Verblüfften; triumphierend. Nun?

GEORG zu Onkel Ludwig; die beiden andern anscheinend gar nicht beachtend; noch mal zur Decke hoch. Hoffentlich läßt das bald nach!

UEXKÜLL der sich inzwischen wieder gefaßt hat; ebenfalls zur Decke hoch, auf die das Rauschen jetzt noch stärker wird; fast wie mit heimlich durchklingender Genugtuung; markiert-»sachlich«. Scheint nicht so![460]

DUFROY noch wie vorhin; die rechte Hand vor der Stirn. Mir ist das alles ...

UEXKÜLL sich aufraffend und gegen das eben Gehörte und Gesehne, dessen »Zumutung« »vernünftigen« Menschen gegenüber er »einfach gradezu »haarsträubend« findet, jetzt energischst Protest einlegend. Wie kann das Schütteln mit einer Hand ...

DUFROY sich ihm anschließend; in seinem Satz – einen Moment dabei, parenthetisch, zu Georg rüber – unwillkürlich weiter. Selbst eine gewisse ... wie du das nennst ... psychokinetische Fernwirkung, als ja schließlich noch immerhin denkbar, zugegeben ...

UEXKÜLL seinen Satz, unmittelbar weiter, noch verstärkt schließend. Auf gut drei Meter Abstand, das fast gleichzeitige Ertönen eines Musikinstruments zustande bringen!

DUFROY der sich endlich wieder »gefunden«; lebhaft. Sehr wahr! Nur zu richtig! Und namentlich noch obendrein beide voneinander getrennt Entsprechende, »tadelnde«, sich dabei gradezu halb wie belustigende Geste nach dem großen Mittelvorbau. durch einen solchen schweren Vorhang!

ONKEL LUDWIG einen Moment fast perplex. Na du kannst doch nicht leugnen ...

DUFROY heftig; in seiner, wie er jetzt fest davon überzeugt ist, gerechten Entrüstung sich schnell steigernd. Ich leugne jede Tatsache, die gegen meine Vernunft und gegen meinen Verstand geht! Und wenn meine Ohren sie auch zehnmal hören, und meine Augen sie auch zehnmal sehn! Was hier eben vorgegangen, ist so absurd ...

GEORG kalt-sarkastisch. Daß es eben einfach gar nicht vorgegangen sein kann!

ONKEL LUDWIG ähnlich; Georg jetzt wieder assistierend. Auch n Standpunkt!

UEXKÜLL über seine »Assistenz« hinweg; Georgs Worte anders drehend. Oder doch wenigstens vorgegangen in einer Weise ...

DUFROY diese Andersdrehung billigend und nun erst so seinen Satz schließend; das »beleidigend Inkriminierende« dabei empört unterstreichend. Daß ich mir jede verdeutlichende Andeutung vorläufig erspare!

ONKEL LUDWIG zu Georg rüber; höhnisch. Also jetzt ...

GEORG der keine Miene verzogen, abwinkend, kurz. Das war vorauszusehn![461]

UEXKÜLL Onkel Ludwig ignorierend; aufgebracht; halb zu Dufroy und Georg, halb nach dem Vorhang hin. So lange Herr Professor uns verwehrt, daß wir uns mit eignen Augen nochmals vergewissern ...

DUFROY dem »die Galle« jetzt fast »überläuft«. Wir sind doch hier schließlich keine Hanswürste!

ONKEL LUDWIG nach diesem für den sonst so Höflichen beinahe »unparlamentarischen« Ausbruch etwas zurückstoppend. Nu jaja! Zu seinem »alten Freund« rüber. Aber Sie haben doch ...

GEORG Onkel Ludwig unterbrechend; schärfst; seine instinktiv-prinzipielle Gegnerschaft gegen den von ihm »Gehaßten« wieder aufnehmend. Herr Baron hat das Kabinett bereits abgesucht bis auf jeden Millimeter, und ich muß mir daher im Augenblick, wo die Phänomene sich jetzt entwickeln, die ungehörige Zumutung ...

UEXKÜLL prompt; »wie du mir, so ich dir«; fast im gleichen »Tonfall«. Dann werden Sie uns auch nicht überzeugen!

GEORG keinen mehr anblickend; noch gesteigert. Woran mir auch nichts mehr liegt!

ONKEL LUDWIG an Georg, den er in diesem Augenblick nicht mehr »begreift«, einen Moment ganz wie »irre«; von Uexküll zu Dufroy rüber; erstes »a« kurz und betont. Ja nu, aber ...

DUFROY allerschärfst; zu Georg rüber; gegen dessen »Art« sich auflehnend. Erlaube! Dann hat es doch absolut keinen Sinn mehr ...

GEORG der ihn nicht ausreden läßt; wie vorhin. Ich habe meine Absicht, die einzige, die ich jetzt noch verfolge, klar und deutlich vorhin angegeben, und du wirst sehn, daß ich diese Absicht erreiche!

DUFROY nach einem schnellen, keinem von den drei andern in diesem Moment auffallenden Blick wieder nach Uexküll rüber; Georgs »Ton« womöglich noch überbietend. Dann nenne ich dies nicht mehr eine Sitzung, eine rechtschaffne Zusammenarbeit zu irgendwelchem wissenschaftlichen Zweck, um nach irgendeiner Richtung irgendein objektives Resultat zu erreichen ...

UEXKÜLL ihm seinen Satz, »entrüstet« gegen Georg gewandt, fast »verächtlich« schließend. Sondern nur noch eine Veranstaltung, um an mir Ihre persönliche Animosität auszulassen![462]

ONKEL LUDWIG der in diesem Fall der »Gegenpartei«, bei sonst »bestem Willen«, nicht so ganz unrecht geben kann; erheblich im »Dilemma«. Ich kann da ...

DUFROY von Georg jetzt ganz und gar abgewandt; ihn nun ebenfalls nicht mehr anblickend; die Linke auf eine Armlehne seines Sessels gestützt, die Rechte ergrimmt in der Hüfte. Ich schließe mich Herrn Baron vollkommen an!

GEORG auf seinen vorgefaßten »Plan« dadurch nur um so erpichter; jetzt, ähnlich wie ganz am Anfang, wieder hinter seinem Tisch. Nennen Sie es, beide Herren, wie Sie es wollen, betitulieren Sie diese »Veranstaltung«, wie Sie Lust haben, Zu Uexküll, der hinterm Klavier ihm wieder vis-à-vis steht, jetzt direkt. wenn Sie die Aufhellung jenes Datums nicht zu fürchten brauchen??

UEXKÜLL mit zusammengezognen Brauen; in seiner »Seele« ein »Leopard«, der, durch seinen Widersacher zu gereizt, sich zum Sprung duckt. Herr Professor halten mich für feig??

DUFROY der sich jetzt plötzlich nach beiden wieder umgedreht. Ich bitte jedes Persönliche ... Abbrechend und zu Georg nur allein; dabei schneller, hastiger, wieder argwöhnischer Blick nach Uexküll rüber. Du gibst auf diesem angeblichen »Datum« Konzerte ...!? Was kann dir überhaupt ...

GEORG nachdrücklich-hartnäckigst. Das wird sich herausstellen!

ONKEL LUDWIG mit dem brav und bieder gemeinten Versuch, der nun schon wieder so mehr als »bedenklich« gewordnen »Situation« dadurch »aufzuhelfen«; Taper wie immer. Vielleicht ... entsinnt sich jetzt Herr Baron?

UEXKÜLL abweisend-hochmütig; einen Moment – es komme nun, was da komme – »va banque« spielend. Ich »entsinne« mich jetzt, und zwar sehr genau! Ein Tag, wie jeder andre, und zum Schluß ... ein Abenteuer, wie jedes andre!

DUFROY durch den es bei den letzten Worten, von den andern wieder unbemerkt, wie ein Ruck gegangen war, Uexküll wieder einen Augenblick, fast wie entgeistert, anstarrend. Ein ... »Abenteuer«?

ONKEL LUDWIG mit dem unverhofften »Resultat« seiner »diplomatischen Intervention« nicht ganz unzufrieden; »verständnisvoll-bedeutsam« den rechten, gerunzelten Zeigefinger hebend; zweites »a« kurz und betont. Aha! »Cherchez la femme!«[463]

GEORG der bei der so gewagt-herausfordernden, plötzlichen »Enthüllung« Uexkülls nicht einmal mit der Wimper gezuckt; kurz, knapp, bestimmt; zu ihm rüber. Dies Abenteuer hatten Sie hier in Berlin gehabt!

UEXKÜLL seinen Blick erwidernd; ähnlich. Darüber verweigre ich die Auskunft!

GEORG ihn noch immer, wie »durchbohrend«, anblickend. Seltsam!

DUFROY dem es vor dem, was nun, zu seinem eignen Entsetzen und Schrecken, vielleicht »kommen« könnte, fast bereits angst und bange wird. Du kannst schließlich nicht Herrn Baron ...

GEORG der jetzt einen Moment nach dem Vorhang gehorcht; wieder, im Nu, wie umgewandelt; ihn unterbrechend. Einen Augenblick! ... Der Trance ... scheint ein so schwerer ... die Klagelaute sind so auffällig ...

DUFROY der genau so, wie auch die andern, jetzt ebenfalls aufhorcht; von plötzlich in ihm aufsteigender, schwerster Besorgnis gepackt. Es wird ihr doch ... um Gottes willen nichts geschehn?

ONKEL LUDWIG mit feierlichst erhobner Linken; eine neue Art »Moses«, der seinem »Volk« mit prophetisch ausdeutender Stimme ein »Gesetz« verkündigt. Medien in Trance ... schützen die Spirits!

DUFROY wie mit einmal mitten unter der Nase von einer großen Brennessel gekitzelt. »Spirits«!

UEXKÜLL zu Onkel Ludwig; nicht unähnlich. Herr Doktor könnten ebensogut sagen ...

MARIANNE mit angstvoll-entsetzter, wie von einem namenlosen Grauen durchzitterter Stimme hinterm Vorhang; alle wie starr. Nicht! ... Laß! ... Weg!

STIMME tief, bös, langsam; ein dunkler, klangvoller Frauenalt. Wehr dich nicht!

ONKEL LUDWIG dessen Augen sich unwillkürlich etwas erweitert haben; er weiß nicht, soll er jetzt ebenfalls entsetzt sein, oder triumphieren; von Uexküll über Georg zu Dufroy rüber. Habt ihr gehört?

UEXKÜLL sich bei allen umblickend; das linke Ohr noch, wie lauschend, nach dem Vorhang; mit der Nüance: »Das wollten wir uns aber recht sehr verbitten!«. Das war doch ... noch eine zweite Stimme?

DUFROY noch aufgebracht-entschiedner. Wo eine zweite Stimme, ist auch eine zweite Person![464]

UEXKÜLL zu Georg; ähnlich. Wenn Herr Professor noch immer ...

GEORG durch Blick und Ton ihn fest an seinen Platz bannend. Ich ersuche Sie nochmals!

MARIANNE wie vorhin; nur jetzt noch gequält- schmerzvoller. Du ziehst zu fest! ... Warum bindest du mich? ... Das hast du noch nie getan!

STIMME heftig, rauh. Schweig!

DUFROY der es, allein auch schon aus Besorgnis für seine Tochter, für die er, in seltsamem Gegensatz zu seiner prinzipiellen und apriorischen Leugnung alles sogenannt »Übernatürlichen«, in diesem Moment fast etwas wie Unheil wittert, als bloßer Zuhörer und Zuschauer kaum noch aushält, bereits mit einem ersten Schritt auf den Vorhang zu. Ich kann das unmöglich ...

GEORG finster; kurze, ihn zurückwehrende Geste; ohne jeden aggressiven Unterton. Es ist das Medium und sein Phantom! Stör sie nicht!

MARIANNE noch klagend-gesteigerter. Du tust mir weh! ... Ich habe Furcht! ... Ich mag dich nicht!

STIMME befehlend-hart; fast drohend. Seht nicht so her! ... Blickt alle weg! ... Ihr stört uns bloß!

UEXKÜLL hämisch; mit einem befriedigten Blick zu Dufroy rüber; zweites »a« kurz und betont. Aha!

DUFROY mit einem ähnlichen Blick, kopfnickend, ihm zustimmend. »Ihr stört uns bloß!«

UEXKÜLL ähnlich wie vorhin. Der alte Trick ...

DUFROY schnell, mit noch stärkerem Kopfnicken seinen Satz ihm schließend. Um im entscheidenden Moment die Aufmerksamkeit abzulenken!

ONKEL LUDWIG verblüfft-entrüstet; noch immer von seinem Platz aus; die ganze, ehrenrührige Tiefe ihres nichtswürdig-»pyrrhonischen« Skeptizismus im Moment noch nicht ermessend. Ihr glaubt ... daß ein Phantom ...

GEORG ihn unterbrechend; ähnlich wie vorhin; mit einem Blick wieder über alle drei. Bitte der ergangnen Auffordrung nachzukommen und keine überflüssgen Exkurse! Die Zeit ist zu kostbar, um sie jetzt mit unfruchtbaren Erörtrungen zu vergeuden! Nochmals an den Schalter. Ich stelle noch weiter das Licht ab! [465] Von den sechs Ovalen verlöschen vier und nur noch die beiden rechts und links von dem großen Mittelvorbau glimmen, wie bisher, matt weiter. Wir haben zwar sonst stets ...

ONKEL LUDWIG ganz empört-entsetzt zu Uexküll rüber, der, wie es schien, den kurzen Augenblick, in dem Georg ihm den Rücken gedreht, dazu hatte benutzen wollen, um hinter die Geheimnisse des Vorhangs zu kucken. Herr Baron!!

UEXKÜLL bereits wieder an seinem Platz; eilfertigst, zu allen dreien. Pardon! ... Zu Georg rüber, der jetzt mitten zwischen Tisch und Schalter, voll nach Uexküll zu, einen Moment »wie festgewurzelt« steht; man hat das Gefühl, bereits in der nächsten Sekunde, unweigerlich, erfolgt nun die Katastrophe und der Herr Baron fliegt ans dem Tempel; geschmeidig-liebenswürdig. Es war nicht meine Absicht ...

DUFROY dem es fast »eiskalt über den Rücken gelaufen«; ebenfalls nach Georg zu; dem »Gast« schleunigst zur Hilfe kommend. Herr Baron wird sich doch nicht einfallen lassen ...

GEORG der sich, eingedenk seines »Plans«, und daß ein solcher »Rausschmiß« jetzt denn doch etwas zu früh käme, mit aller Energie wieder bezwungen hat; »sardonisch« zu seinem Schwiegervater rüber; jeder Iktus betont. Du meinst, den kindischen Versuch einer sogenannten »Entlarvung« inszenieren zu wollen?! Mit »vernichtender« Ironie nach Uexküll zu. Nachdem seine damit korrespondierenden, bisherigen Versuche ...

UEXKÜLL über das »bedauerliche Mißverständnis« anscheinend »ganz trostlos«. Dies Knacken des Parketts war ein unglücklicher Zufall!

DUFROY ähnlich wie vorhin. Man kann doch nicht immer bloß auf einem Fleck ...

GEORG zu Uexküll; noch betonter. Es bleibt mir nichts übrig, als Ihnen zu glauben! Denn täte ich dies nicht, und zwar, wie ich dies jetzt bereits ... fast annehmen möchte, vielleicht sogar in meinem allereigensten Interesse ...

ONKEL LUDWIG ihn unterbrechend; ganz aufgebracht-»unglücklich«; beide Hände erhoben. Herr-Gott! All wieder!

DUFROY ähnlich; von einem zum andern. Dieses ... entsetzliche ... »Datum«?![466]

UEXKÜLL als »irrte« sich Georg »wirklich und wahrhaftig«; von seinem »unseligen Mißgeschick« nun schon fast gradezu selbst überzeugt. Ich versichre Ihnen noch mal! Ich wollte nur ...

GEORG grimmig-sarkastisch. Sie wollten »nur« ... und zwar in einem sehr unpassend gewählten Moment ... ein wenig Ihren bisherigen Standort verändern! Verächtlich von ihm wegblickend. Erledigt!

UEXKÜLL jetzt beinahe bereits »gekränkt«. Ich wiederhole meine Erklärung!

GEORG kurz, kalt. Die Sache ist für mich abgetan!

DUFROY nach einer kleinen Pause; mitten in den Regen, der in der Zwischenzeit schon so gut wie aufgehört hatte, plötzlich auf das Dach ein noch weit stärkeres Getrommel; aufblickend. Das prasselt nicht schlecht!

ONKEL LUDWIG ebenso. Nu auch noch Hagel!

GEORG von der Decke nach dem Vorhang hin. Ich fürchte, bei diesem Unwetter ...

UEXKÜLL ebenfalls nach der Decke hoch; der Hagelschauer, so plötzlich er eingesetzt, läßt bereits wieder nach. Es geht schon vorüber!

STIMME während man wieder nur noch den Regen hört; nach einer abermals kleinen Pause; jede Silbe sich steigernd. Kommt! ... Seht! ... Licht!

GEORG der sofort wieder den Schalter gedreht; auch die vier Ovale, die bereits vollständig erloschen gewesen, glimmen wieder; eine runde, rot verhängte Ampel, die matt das »Adyton« erleuchtet, ist ebenfalls aufgeknipst; zu Uexküll, der die ser Auffordrung sogleich nachkommt. Haken Sie die Draperie hoch!

DUFROY vor dem Anblick, der sich ihm jetzt bietet – beide Schals, rechts und links, sind in ein Drittel ihrer Höhe aufgehakt und rahmen so das Ganze wie ein »Bild« ein – unwillkürlich zurückgetaumelt. Mein ... Gott!

UEXKÜLL ähnlich. Was ist ... das?

ONKEL LUDWIG an seinem Stock, schon auf die erste Auffordrung der Stimme hin, schleunigst näher gehumpelt; ganz erschüttert. Erbarmen!

GEORG den Tatbestand untersuchend. Die Arme des Mediums sind mit großer Gewalt ... und in, wie es scheint, schmerzhafter Lage,[467] nach hinten und um die Stuhllehne gezwängt ... und die gekreuzten Handgelenke fest verschnürt!

ONKEL LUDWIG ihm dabei behilflich; zu Dufroy, der sich nun ebenso bemüht. Mit einem Knoten, wie du ihn wahrscheinlich ... oder vielmehr ganz und gar sicher und gewiß ... noch nie gesehn hast!

GEORG wie vorhin. Drei andre Schnüre fesseln Schultern und Fußknöchel, und das Ganze ist wieder, mit eben solchen Knoten, fest untereinander verschnürt!

ONKEL LUDWIG der sich jetzt aufrichtet; zu Dufroy und Uexküll rüber, der, nun ebenfalls im »Adyton«, von seinem überraschten Erstaunen sich noch kaum erholt hat. Ein uns aber auch absolut völliges Novum!

GEORG mit seiner Untersuchung fertig; Onkel Ludwigs Erklärung sich anschließend. Wie ich annehmen muß, den Herren jetzt deshalb vordemonstriert ...

UEXKÜLL ihn unterbrechend; schnell; erst jetzt wieder ganz »zu« sich gekommen. Wo kommen die Schnüre her?

DUFROY in seiner »Skepsis« einen Moment fast schwankend. Wenn hier wirklich ein Betrug nicht mit im Spiel ist ...

ONKEL LUDWIG empört. Immer noch!

GEORG der sich kurz umgeblickt. Von den beiden Doppelvorhängen, die dort rechts und links die kleinen Treppen abschließen! Einladende, halb wie höhnische, das Betreffende ihm freistellende Handbewegung. Wenn Sie die Örtlichkeit jetzt noch mal revidieren wollen?

UEXKÜLL von dieser Erlaubnis sofort Gebrauch machend; eiligst die rechte Treppe hoch. Da muß unbedingt ...

GEORG seiner Sache sicher, ihm nachspottend. Sie werden nicht viel entdecken!

UEXKÜLL bereits oben. Niemand! ... Der Platz hinter der Orgel leer! ... Auch auf den Treppen! ... Von links her schon wieder zum Vorschein gekommen; ganz verwirrt-aufgeregt. Hätte ich mich nicht selbst überzeugt ... Sich unterbrechend und ringsum auf die Wände starrend. Wenn das alles feste Mauern sind ...

ONKEL LUDWIG achselzuckend. Es steht Ihnen frei ...

GEORG zu Uexküll; mit einer entsprechenden, erneuten Handbewegung ihm seinen Satz schließend. Sie noch mal abzuklopfen!

DUFROY der so lange dagestanden, »wie vor den Kopf geschlagen«;[468] sich wieder auf- und zusammenraffend. Das kann nicht sein! Eine solche Unerklärlichkeit ... Plötzlich, als wäre das ersehnte »Licht« ihm damit aufgegangen und das »Rätsel« so »gelöst«. Selbstfesslung!

ONKEL LUDWIG grob. Das Bequemste!

GEORG nach Marianne hin; nicht allzuviel anders. In dieser kunstvollen Verschnürung?

ONKEL LUDWIG als ob er seinen Stiefbruder »auffressen« wolle. Und noch dazu im Stockdunkeln?

UEXKÜLL vollständig ratlos. Aber wie soll man denn sonst ...

DUFROY noch stärker als vorhin. Einzge Erklärung!

GEORG zu Dufroy; während Uexküll, durch diesen neuen Beweis offenbar ungleich betroffner, noch fast wie betäubt steht; mit aller Gewalt sich zur Ruhe zwingend. Du mutest deiner Tochter damit allerdings zu ...

DUFROY erbittert-heftig; jede etwa noch mögliche, weitere Verständigung über diesen Punkt damit ablehnend. Eh ich die Naturgesetze ...

MARIANNE schmerzvoll; die Augen geschlossen. Geht!

GEORG zu allen; mit der kurzen, auffordernden Geste, den Raum zu verlassen. Bitte!

DUFROY der kaum fähig ist, sich von seinem Platz zu bewegen; die rechte Hand wieder vor der Stirn. Mir ist von alledem ...

UEXKÜLL ähnlich. Ich kann es noch gar nicht ...

MARIANNE noch wehklagend-dringlicher. Geht!! ...

GEORG nachdem jetzt endlich alle wieder draußen; die Vorhänge wieder herablassend und noch mal an den Schalter. Ich stelle wieder das Licht ab!

DUFROY die vier vorderen Ovale wieder erloschen; sich nach ihnen umdrehend. Aber so ganz ...

UEXKÜLL seinem Protest sich anschließend. In halb ägyptischer Finsternis ...

ONKEL LUDWIG ebenso. Und nu grad heut ...

GEORG bereits wieder an seinem alten Platz, von dem aus er die übrigen alle scharf beobachtet. Ich bitte, die Leitung der Sitzung mir vollständig zu überlassen! Die Herren geben mir ihr Wort, die materialisierte Erscheinung, die sich nun zweifellos sehr[469] bald zeigen wird, weder zu berühren, noch am allerwenigsten, aus irgendwelchen Gründen oder Motiven, deren jeder von uns, und rückten sie ihm unter Umständen vielleicht auch noch so nah, unbedingt Herr zu bleiben hat, unversehns anzupacken! Um eine sogenannte »Entlarvung«, ich wiederhole, kann es sich bei diesem Medium und in diesem Kreise nicht handeln, und ein gewaltsamer Chok, darauf mache ich ganz ausdrücklich und besonders aufmerksam, würde für die körperliche wie geistige Gesundheit des Mediums die denkbar schwerste Schädigung nach sich ziehn! Unter Umständen sogar Wahnsinn, oder den sofortigen Tod! ... Herr Baron?

UEXKÜLL jetzt ebenfalls wieder an seinem alten Platz; etwas beeilt-auffällig. Aber selbstverständlich!

GEORG zu Dufroy rüber, der in der Nähe seines Sessels rechts steht. Und du?

DUFROY halb zu Georg, halb zu seinem Stiefbruder rüber, der, auf seinen Stock gestützt, sich mit dem linken Ellenbogen aufs Klavier links lehnt; noch etwas zögernd-ungläubig. Könnten die Folgen ... wirklich derart ...

ONKEL LUDWIG ganz aufgebracht-entrüstet. Du gibst ihm nicht ... dein Wort?

DUFROY unmutig-widerwillig; zu Georg. Ich ... gebe es dir!

GEORG nach einem kleinen Moment Pause; wieder, unwillkürlich, nach der Decke blickend. Gott sei Dank! Der Regen hat aufgehört!

ONKEL LUDWIG erneutes, diesmal sogar bereits ziemlich nahes Donnergeroll; ebenso. Aber leider noch nicht das Gewitter!

DUFROY nachdem die letzten Schüttrungen verklungen; innerlich noch immer mit dem beschäftigt, was vorhin Georg gesagt; vergeblich bemüht, sich mit der »contradictio in se«, die sich dahinter für ihn verbirgt, abzufinden. Eine »materialisierte Erscheinung«! Ein »Transzendentalwesen«, das für uns in eine körperliche Existenz tritt! Wie kann man ...

GEORG ihn unterbrechend; mit dem Versuch, soweit ihm dies selber möglich, ihm zur Hilfe zu kommen. Oder, falls dir diese animistische Deutung, respektive Erklärung, bereits etwas annehmbarer, oder doch wenigstens plausibler klingt: ein reales Phantasiegebilde des Mediums, von diesem unbewußt projiziert durch Teleplastik![470]

UEXKÜLL mokant-ironisch. Auch eine Definition!

GEORG schnell. Nicht meine!

ONKEL LUDWIG der das alles so »ausgesprochen abenteuerlich« gar nicht »finden« kann. Warum nicht?

DUFROY sich fast die »Haare raufend«. Vom Medium »unbewußt projiziert! Teleplastik! Ein reales Phantasiegebilde!« Wie soll da mein Hirn ...

ONKEL LUDWIG »a« lang, »o« kurz und betont. Ja, no!

DUFROY wieder zu Georg; noch gesteigert; entsprechende Geste. Durch diesen Vorhang?

GEORG nickend. Durch diesen Vorhang! Ruhig, »dozierend«. Es sei denn ... was theoretisch ebenfalls möglich wäre ... daß es sich hier im Raum und vor unsern Augen selbst aus einer rotierenden, leuchtenden Art Nebelmasse bildet, wahrscheinlich exteriorisiertes Od, was ich aber bei den momentanen Wittrungsumständen ...

DUFROY noch immer wie vorhin. Aus einer »rotierenden, leuchtenden Art Nebelmasse, vor unsern Augen, hier im Raum selbst«!! Das ist ja alles ... Plötzlich, über ihre Häupter hin, ertönt der nachstehende Akkord.

3. Akt

UEXKÜLL noch ganz starr. Was war das?

ONKEL LUDWIG nach dem großen Mittelbau hin. Die ... Orgel?

DUFROY fast heftig. Marianne kann doch nicht spielen!

GEORG der ebenfalls, wie die andern, sofort aufgehorcht hatte. Und selbst ... wenn sie's könnte ... In diesem Augenblick – daß er sofort, wie gebannt, verstummt – setzt die Orgel ein.


Langsam. Etwas getragner als das Original[471]


3. Akt

ONKEL LUDWIG nach dem sechsten Takt. Integer vitae?

UEXKÜLL nach dem zehnten; die »Weise« wiedererkennend. Ja!!

GEORG nach dem vierzehnten; »selt« auf dem ersten Viertel des fünfzehnten Takts, »Har« auf dem letzten Viertel desselben Takts und die Silben »ni- en« auf dem ersten Viertel des sechzehnten Takts. In welchen seltsamen ... Harmonien!?

DUFROY nach dem Schlußtakt. Unmöglich! Eine gemeinsame Halluzination! Kaum daß er seine Worte ausgesprochen, setzen, gewissermaßen[472] wie als Antwort darauf, die nachstehenden, noch weit »ätherischeren« Klänge ein.


Im Zeitmaß der Orgel.


3. Akt

ONKEL LUDWIG nach dem ersten halben Takt. Still!

UEXKÜLL in den letzten, langen Akkord. Eine Harfe!

DUFROY ebenso; nur noch gesteigert; fast außer sich. Wo kommt hier eine Harfe her?!

ONKEL LUDWIG auf eine während des letzten Verklingens plötzlich zwischen den Vorhängen aufgetauchte Gestalt zu, die in weißer Gewandung, das Gesicht halb, das Haar vollständig von einem lang herabfallenden, ebenfalls weißen Schleier verdeckt, der leise zu schimmern scheint, die Augen wie in weiter Ferne, unbeweglich da steht. Afra!

GEORG sofort; auch zu Dufroy, der instinktiv näherdrängt. Zurück!

DUFROY das zweite Wort betont. Das ist hier ... Sich wieder, unwillkürlich, nach den erloschnen Ovalen umblickend. so dunkel ...

UEXKÜLL der von seinem Platz ans die Züge der Erscheinung vergeblich zu erkennen versucht. Man kann ja kaum ...

DIE ERSCHEINUNG etwas vortretend; langsam, getragen; mit einer Stimme ähnlich der tieferen, die vorhin hinterm Vorhang erklungen. Ich bin nicht Afra! Es gibt nicht Afra! ... Es hat nie Afra gegeben![473]

UEXKÜLL nach einem kurzen, perplexen Stutzen; befriedigt-»schadenfroh« zu Dufroy rüber. Ah, so!

DUFROY ähnlich zu Georg. Mit einmal und plötzlich?

UEXKÜLL noch gesteigert. Sehr intressant!

DUFROY schon fast »amüsiert«. Das klingt ja schon beinah ...

ONKEL LUDWIG mit seinem Stock ergrimmt aufs Parkett stoßend. Herr Bruder!!

GEORG zu Dufroy und Uexküll gleichzeitig; schärfst. Ich muß doch bitten!!

ONKEL LUDWIG zu der Erscheinung. Wenn du nicht Afra bist ...

GEORG ihn unterbrechend; hastig. Frag nicht!!

ONKEL LUDWIG sich gegen ihn auflehnend. Es wär doch aber von Wert ...

GEORG zu der Erscheinung; über seinen Einspruch hinweg; gesammelt-fest. Wer du auch bist! Es ist das letztemal, daß du bei uns weilst! Wir haben sonst stets bei hellstem Licht experimentiert! Dürfen wir auch heut ...

DIE ERSCHEINUNG die ihn nicht anblickt; wie vorhin. Du hättest mich nicht rufen sollen! Ich war weit ... weit ... weg!

GEORG leis ungeduldig, eindringlich. Das ist auf meine Frage keine Antwort! Weshalb verweigerst du sie mir? Irritiert dich heut unser Kreis? Ist dein Medium zu erschöpft? Fühlst du in dir noch nicht die nötige Kraft?

DIE ERSCHEINUNG in der gleichen Haltung, mit der gleichen, wie aus einer »andern Welt« klingenden Stimme. Ich verhieß ... ein Zeichen!

GEORG nach einem Moment kurzen Betroffenseins. Hast du's uns nicht ...

ONKEL LUDWIG ähnlich; in Georgs Satz sofort weiter. In dieser vergangnen Nacht ...

DIE ERSCHEINUNG die ihn nicht ausreden läßt; wie vorhin. Der Traum, den ich Marianne schickte, war ein Warnungstraum!

ONKEL LUDWIG zu Georg rüber; vorwurfsvoll. Siehst du?

UEXKÜLL zu Dufroy; ganz verständnislos-überrascht. Ein ... »Traum«?

DUFROY der von der Gestalt kein Auge läßt; nervös-unwillig. Was kann uns jetzt der ...

DIE ERSCHEINUNG die noch immer keinen angeblickt; sich langsam umdrehend und den Vorhang bereits halb wieder hebend. Laß mich ... wieder gehn!

GEORG schnell; sie wie zurückhaltende Geste; einen Schritt, unwillkürlich,[474] dabei auf sie zu. Bleib!! ... Während sie jetzt beide dastehn und sich anblicken. Du hast mit versprochen ...

DIE ERSCHEINUNG mit sich plötzlich veränderndem Tonfall; hinterhältig-drohend. Jaaa ...?

UEXKÜLL dessen Aufmerksamkeit sich mit einmal ganz auf den Schleier richtet, der in ihm plötzlich eine allerlebhafteste Erinnrung geweckt; fast bereits mit dem Versuch, dies merkwürdige Kostümstück zu betasten. Was für ein seltsam ... schillerndes Schleiergewebe?!

DIE ERSCHEINUNG jetzt von Georg gegen ihn gewandt; tückisch-boshaft. Erkennst du s?

GEORG nach einem kurzen, befremdeten Stutzen zu Uexküll rüber, der hochmütig-abweisend dasteht, während gleichzeitig, durch die mehr als sonderbaren Worte der Erscheinung wie betroffen, auch Dufroy diesen einen Moment lang wieder angestarrt hat; zur Erscheinung, die jetzt keine Notiz mehr von ihm nimmt. Du trugst das noch nie!

DUFROY nach dem Gewebe hin, das sein Interesse und seine Aufmerksamkeit schon längst, und zwar bereits von allem Anfang an gefesselt hatte; dessen für ihn aber auch ganz und gar zweifellos »irdische« Herkunft und Beschaffenheit mit der größten Sicherheit und Bestimmtheit konstatierend. Echter, indischer Seidenmusselin!

ONKEL LUDWIG empört-abfällig; beide »o«s kurz und betont. No, no!

UEXKÜLL wie nur noch für das »Gewebe« interessiert. Von einer Struktur ...

DIE ERSCHEINUNG wie vorhin; nur noch gesteigert. Erkennst du es ... wieder?

GEORG von Uexküll zur Erscheinung rüber und wieder zurück; fragend-ungläubig. Wie kann Herr Baron ...

ONKEL LUDWIG einfallend; sich bei allen umblickend. Das ist doch gar nicht möglich!

DIE ERSCHEINUNG auch jetzt wieder nur zu Uexküll und noch immer sich steigernd. Du hast es schon einmal gesehn!

UEXKÜLL achselzuckend, fest. Nicht, daß ich wüßte!

DIE ERSCHEINUNG mit letzter Gewalt; ihr zweites Wort nach ihm schleudernd, wie einen Dolchstoß. Du ... lügst! Kurze Pause.

UEXKÜLL der sich sofort wieder gefaßt hat; zu den übrigen. Sehr höflich![475]

DUFROY ähnlich; nur jetzt aufgebracht-heftig; die ersten Worte zu Uexküll, die letzten zu Georg rüber. Ich möchte wissen ... was hier diese Invektive ...

GEORG schroff; zu Dufroy; seine Einmischung sich verbittend; die letzten Worte zu Uexküll. Wenn hinter dieser »Invektive«, wie du sie nennst, nicht irgendein realer oder konkreter Tatbestand steckt ...

UEXKÜLL kalt; ironisch-abwehrend; ihn unterbrechend. Herr Professor übertreffen sich nachgrade selbst!

ONKEL LUDWIG der nicht mehr »aus und ein« weiß; sich wieder nach allen umblickend. Mir ... dreht sich alles!

GEORG zur Erscheinung. Willst du uns sagen ...

DIE ERSCHEINUNG scharf, boshaft. Was?

GEORG die Augen wieder auf Uexküll. Wann und wo Herr Baron ...

DIE ERSCHEINUNG wie in befriedigter Schadenfreude. Das wirst du ...

DUFROY der so lange an sich gehalten; sie unterbrechend; zu Georg; zornig. Laß dich doch nicht ... düpieren!

UEXKÜLL zu Dufroy. Hätte ich nicht vorhin ... mein Wort gegeben ...

DUFROY noch gesteigert. Ein so hanebüchner Betrug ...

GEORG von der Erscheinung zu Dufroy blickend; durch dessen so plötzlich wieder auftauchende »Betrugs«hypothese ganz überrascht-verblüfft. Du ... glaubst ...?

ONKEL LUDWIG ihm schnell zur Hilfe kommend; ähnlich. Wo dies Wesen aus einer andern Welt ... hier leibhaft ...

UEXKÜLL zu Georg; nach der Erscheinung hin. Wenn Sie mich meines Versprechens, Herr Professor, jetzt entbinden?

DUFROY losbrechend. Wir sind das Opfer einer ganz unerhörten Mystifikation!

GEORG zu allen; entsprechende, verdeutlichende Geste nach dem »Adyton«; wie ihn noch immer nicht begreifend. Nachdem wir die Gefesselte dort eben erst ... Abgeschmackt!

ONKEL LUDWIG allerzornigst; einen Schritt vor Dufroy zurück; mit seinem Stock wieder aufstoßend. Magnifice!

DUFROY schnell, heftigst, seines ganzen Grolls und Grimms sich jetzt entledigend. Ich weiß nicht, »wie«, ich traue ihr eine so bewußt direkte und dann ja natürlich schon seit Jahr und Tag und bereits von allem Anfang an datierende Täuschung und Fälschung[476] nicht recht zu, aber in ihrem leider, wie ich jetzt notgedrungen annehmen muß, schwer psychopathischen und nun überdies auch noch halb hypnotischen Zustand ... Eiligst abbrechend und schließend. Es ist Marianne!

UEXKÜLL »vorsichtig«. Ich wage nicht ...

ONKEL LUDWIG von einem zum andern blickend; als hätte er nicht recht gehört. Marianne?

GEORG ähnlich. Wie sollte das ... möglich sein?!

ONKEL LUDWIG noch gesteigert. Wir haben sie doch alle ...

DUFROY von der absoluten Richtigkeit seiner Behauptung durchdrungen. Ich lasse meinen Kopf drauf!

UEXKÜLL nach Georg rüber. Wenn aber natürlich Herr Professor ...

DIE ERSCHEINUNG die so lange dagestanden und den Hader der Streitenden in sich geschlürft, als ob er die wohllautendste Musik wäre. Man öffne den Vorhang! ... Während sowohl Uexküll als Dufroy dieser Auffordrung sofort nachkommen wollen. Nur einer! ... Zu Dufroy. Du!

ONKEL LUDWIG während Dufroy, der allein das Podium bestiegen, jetzt den Vorhang hebt; »a« kurz. Da!

UEXKÜLL fast zurückgeprallt. Nicht möglich!

DUFROY der kaum seinen Angen traut. Marianne!

GEORG der von seinem Platz aus die Gestalt im Kabinett nicht genau erkennen kann. Gefesselt, wie vorhin?

DUFROY mit seinen Blicken sich nochmals vergewissernd. Gefesselt, wie vorhin!

UEXKÜLL ganz betroffen-perplex nach der Erscheinung hin. Ja, aber wer ist dann ...

DUFROY der den Vorhang wieder fallen gelassen; die Erscheinung, wie auch bereits vorhin, als er an ihr vorüberpassierte, zornig-mißtrauisch messend. Das wird sich jetzt sehr bald ...

DIE ERSCHEINUNG hart. Geh!

DUFROY mit der Hand nach ihrem Schleier. Nicht eher ...

GEORG sofort; empört-energisch. So hältst du dein Wort?

ONKEL LUDWIG noch gesteigert; abmahnend- angstvoll, fast zitternd; die Rechte nach ihm, wie ihn beschwörend, erhoben. Denk an die Gefahr, in der Marianne schwebt!

DIE ERSCHEINUNG halb nach dem Vorhang zurück; langsam, höhnisch; wie aus[477] einem tiefsten, unversöhnlichen, lange zurückgehalten Rachegroll. »Marianne!!«

DUFROY der sich wieder bezwungen; die Erscheinung noch immer »messend«. Gut! ... Aber nur ... Ich werde meine Augen ...

DIE ERSCHEINUNG verächtlich, fast gehässig. Sie sind blind gewesen ... dein ganzes Leben durch!

DUFROY wie vorhin. So werden sie mir vielleicht jetzt noch ... Das Podium ergrimmt wieder verlassend. geöffnet werden!

DIE ERSCHEINUNG veränderter Tonfall; die Blicke wieder weit vor sich, wie ins Leere. Vielleicht!

GEORG der sich, durch alle diese Zwischenfälle irritiert, nur mit Mühe wieder gesammelt; nach einer kleinen Pause. Deine Stimme klingt fremd! Du bist heute nicht wie sonst! Ich kann dein Gesicht nicht erkennen! Weshalb verhüllst du s uns so? Laß mich sehn, ob unter deinem Haar ...

DIE ERSCHEINUNG als hätte sie von Anfang an auf diesen Moment nur gewartet; ihre Augen in seinen. Ich durchschaue dich bis in deine innerste Gewissensqual! Du wirst jetzt bald erfahren, was Mariette so in Schuld verstrickte, daß sie sich selbst ...

DUFROY schnell einfallend; mit einem entsetzten Blick nach Georg, der sich mit aller Kraft aufrecht hält. Um Gottes willen!

ONKEL LUDWIG vor diesem »selbst«, das ihn jäh wie ein Beilschlag getroffen, zwei Schritte zurückgetaumelt. »Selbst?!!«

UEXKÜLL einen Moment, unbedacht, seine Fassung verlierend; in der unbestimmten Angst, daß seine ganze Schuld, durch diese unheimliche Erscheinung, deren Rätselhaftigkeit, so sehr er sich dagegen sträubt, ihn plötzlich mit einem Schauer erfüllt, jetzt in deutlichste Worte gefaßt, rauskommen könnte; noch besorgt-entsetzter als Dufroy. Kein Wort mehr!

GEORG der diesen »Ton«, ebenso wie Dufroy, der einen kurzen Augenblick wieder wie starr steht, sofort »erfaßt« und »verstanden« hat; ihm gegenüber. Herr ... Baron!!

UEXKÜLL erregt; sich mit Dufroy, um seine Übereiltheit, soweit das noch geht, wiedergutzumachen, identifizierend. Wir dürfen nicht dulden ...

GEORG stark. Was?! Was »dürfen Sie nicht dulden«?!

DUFROY sich, schnell gefaßt, zwischen ihm und Uexküll ins Mittel[478] legend; so zu neun Zehntel ihm dieser, und zwar durch dessen eigne Worte, nach der von ihm in seinem tiefsten Innern seit zirka einer Viertelstunde befürchteten Richtung nun auch bereits »überführt« erscheint. Ich bitte dich in unser aller Interesse!

ONKEL LUDWIG der auf einmal instinktiv spürt, daß hier auf seiten seines alten, ehemaligen Reisekameraden »irgend etwas nicht in Ordnung« ist; wie völlig umgewandelt; seinen Stiefbruder fast zurückreißend. Laß!!

UEXKÜLL der jetzt aller Augen, wie fragend-anklagend, auf sich gerichtet fühlt; sich »Luft« machend. Dieser ganze ... gräßliche Humbug ...?!

DIE ERSCHEINUNG die ebenfalls so lange keinen Blick von ihm gewandt; langsam, fast getragen- feierlich, die Augen plötzlich wieder wie in weiter Ferne. Ich sehe dich mit zerschossner Stirn ... Georg, unwillkürlich, mit einem aufstöhnenden Laut zusammengezuckt.

ONKEL LUDWIG noch stärker; fast gleichzeitig. Aaah!!

UEXKÜLL der sich vollständig wieder im Zaum hat; kalt-»gleichmütig«. Monaco. Möglich! Sogar sehr wahrscheinlich!

DIE ERSCHEINUNG wie vorhin. Oh, nein! Über deiner verkrampften Hand, in den frühen, dunstigen Morgen, schaukelt sich ein Kiefernast, und zehn Schritt dir gegenüber raucht noch die Waffe des andern, der dich in den Tod gestreckt!

GEORG fast atemlos. Und dieser ... andre?

DIE ERSCHEINUNG ohne sich zu regen; die Augen erst auf Uexküll, dann, plötzlich, auf Georg. Steht jetzt ... wo du stehst! Georg, mit einem noch heftigeren Laut, wieder zusammengezuckt.

ONKEL LUDWIG eifrigst zu Dufroy. Hörst du?

DUFROY aus seiner halben Erstarrung wieder zu sich kommend. Ich kann das unmöglich hier noch länger ...

UEXKÜLL zu ihm und Onkel Ludwig; sarkastisch, fast als ob ihn die ganze Sache nichts anginge. Dann gratuliere, meine verehrten Herrschaften!

GEORG einen Schritt auf ihn zu; vor Zorn fast zitternd. Ich muß Sie, mein Herr, dringend bitten, sich jeder ungehörigen Äußerung hier durchaus und strikt zu enthalten![479]

DIE ERSCHEINUNG schnell; die Augen auf dem Gehaßten, das erste Wort wieder wie ein Dolchstoß. Triff ihn!

UEXKÜLL wieder zu Onkel Ludwig und Dufroy; ohne Georg anzublicken; korrekt-kühl. Pardon.

DIE ERSCHEINUNG noch immer nach Uexküll rüber; wie aus letzter, nun schon halb wie befriedigter Rache. Er ist nicht wert, daß ihn auch nur noch einen Tag die Sonne bescheint!

DUFROY empörte Geste, zu allen dreien. Jetzt weigre ich mich aber ganz entschieden ...

UEXKÜLL kalt-höhnisch; die Achseln zuckend; während Georg, um nicht auf ihn loszustürzen, sich nur auf die Lippen beißt. Die Dame hat vielleicht recht!

ONKEL LUDWIG drohend. Die ... »Dame«?

GEORG scharf, mit energisch-finster zusammengezognen Brauen. Sie werden nachher die Güte haben, mir unter vier Augen ...

DUFROY der ihn nicht ausreden läßt; seine ganze »Autorität« aufbietend. Du bist ... von Sinnen!

ONKEL LUDWIG »hetzend«. »Dir unter vier Augen ...«

GEORG der von seinem Gegner solange kein Auge gelassen; erst jetzt seinen Satz schließend. Eine kleine Aussprache zu schenken! Von dieser wird es dann abhängen ...

DUFROY ihn wieder unterbrechend; entrüstet; die Stirn zornigst gekraust, die Hände ohnmächtig geballt. Es ist ...

ONKEL LUDWIG grimmigst; jetzt ganz auf Georgs Seite. Bravo!

UEXKÜLL leichte Verbeugung; »korrekt«. Ich stehe zur Verfügung!

ONKEL LUDWIG dem das alles noch nicht genügt; erregtes, heftigstes Herumfuchteln mit der erhobnen Linken. Hier muß Klarheit geschaffen werden! Klarheit!

GEORG nochmal, drohend-empört, zu Uexküll rüber. Klarheit! Uexküll nur achselzuckend.

ONKEL LUDWIG zu Dufroy; wie diesem damit ganz besonders eins versetzend. In jedem Hause ... wo so ne ... alte Ahnfrau is ...

DUFROY sich jetzt wieder, und zwar als ob er sich in einem Tollhause befände, bei allen umblickend. Ist denn hier alles ...

DIE ERSCHEINUNG herb, hart; seinem letzten Wort einen andern Sinn gebend. Alles! ... Längst ... noch eh dies Jahr ...[480]

GEORG nachdem er, unwillkürlich, wie auch sämtliche übrige, einen kurzen Augenblick, zurückgestutzt war. Soll das heißen ...?

DUFROY heftig; ihn seine Frage, deren Inhalt er ahnt, nicht erst stellen lassend. Sei kein Tor!

DIE ERSCHEINUNG noch mal zu Dufroy, daß es durch ihn wie ein Ruck geht. Nur du nicht!

ONKEL LUDWIG dem die übrigen Worte vor Entsetzen in der Kehle stecken bleiben. »Nur ...?«

DUFROY sich zusammenraffend; zornig. Lächerlich!

DIE ERSCHEINUNG von neuem zu ihm; noch drohender und bösartiger. Nur du nicht!!

GEORG zu Dufroy; noch halb starr. Das ... kann ... doch bloß bedeuten ...

DUFROY noch stärker. Lächerlich!!

GEORG wie vorhin. Daß du ... von uns allen ... allein ...

DIE ERSCHEINUNG mit letzter Vehemenz; so daß alle wieder einen Augenblick zurückstutzen. Geschlagner, als Hiob!

ONKEL LUDWIG fast schlotternd. »Ge ...?

DIE ERSCHEINUNG noch bestimmt prophetisch- machtvoller. Geschlagner, als Hiob!!

DUFROY wider Willen durch irgend etwas hinter diesen Worten gepackt; allerheftigst. Lächerlich!!!

GEORG zu der Erscheinung; wieder energisch. Willst du uns ... vielleicht erklären ...

DIE ERSCHEINUNG jetzt zu ihm. Dein Los ...

ONKEL LUDWIG brennend vor innrem Aufruhr und Ungeduld. Sprich! Sprich!!

DIE ERSCHEINUNG wie vorhin. Ist das dunkelste! Du wirst ...

GEORG jäh, schroff, unvermittelt. Ich wünsche keine Prophezeiung!

DIE ERSCHEINUNG durch seine Unterbrechung unberührt. Du wirst ... nachdem alles um dich zertreten sein wird ... nachdem alle dich verlassen haben ... nachdem du den Glauben auch noch an dein Letztes verloren haben wirst ...

GEORG verbissen. Das ... könnte ...

DUFROY sich wieder aufraffend. Nun bitte ich aber wirklich ...

DIE ERSCHEINUNG in ihrer Prophezeiung weiter. In die gleiche Finsternis, denselben Weg ... wie ...

GEORG da sie einen Moment stockt. »Wie ...?«

DIE ERSCHEINUNG mit noch größerer Kraft. Wie Mariette gehn! Durch deine eigne ...

GEORG durch seine Empfindung einen Augenblick fast überwältigt. Schweig![481]

DIE ERSCHEINUNG sich noch immer steigernd; erst jetzt ihren Satz schließend. Durch deine eigne, schuldbeladne, rächende Hand!

GEORG sich zusammenreißend. Wer ... gibt dir das Recht ...

DIE ERSCHEINUNG stark. Dein ... Verbrechen!!

GEORG fast zurückgetaumelt. »Mein ...?«

DUFROY zu Georg; ganz empört, fast verächtlich. Erniedrige dich nicht! Glaube doch nicht auch nur einen Moment ...

DIE ERSCHEINUNG noch stärker; über seine Worte weg. Dein ... Verbrechen und ... mein ... Haß!!

GEORG wie vorhin. »Und ...?«

ONKEL LUDWIG der die Erscheinung so lange mit steigender Entrüstung und wachsendem Abscheu angestarrt; erst jetzt wieder halb zu sich kommend. Du bist ...

DIE ERSCHEINUNG nochmal; mit letzter, machtvollster Steigrung. Und ... mein ... Haß!!

ONKEL LUDWIG den alten, prächtig geschnittnen Kopf vorgebeugt, fast stammelnd. Du ... bist nicht mehr die ...

GEORG der ihre Worte noch immer nicht fassen kann. »Und ... dein ...??«

DIE ERSCHEINUNG wie vorhin. Und ... mein ... Haß!!!

DUFROY verächtlich-erbittert. Eine liebliche Kreatur!

ONKEL LUDWIG noch gesteigert; ausholend. Und ... dich ...

UEXKÜLL zu Onkel Ludwig; intervenierend. Regen Sie sich doch nicht ...

ONKEL LUDWIG nochmal; mit letzter Kraft. Und ... dich ... Furie ...

DIE ERSCHEINUNG ihm elementar ins Gesicht. Karzinom!!

ONKEL LUDWIG vor ihrer grausamen Offenbarung, die ihn wie ein Blitz getroffen, zurückgetaumelt; sein Stock ist ihm aufs Parkett gepoltert, das furchtbare Wort, das er wiederholen will, bleibt ihm in der Kehle stecken. »Kk ...«?!

DUFROY erregt-aufgebracht; ohne bereits die Kraft zu irgendeiner »Maßnahme« oder »Handlung« zu finden. Ich darf hier als Mensch und Arzt ...

ONKEL LUDWIG sich bei allen, der Reihe nach, umblickend. Krebs?!! ... Ich?!! ... Krebs?!!

UEXKÜLL der sich vergeblich nach dem Stock gebückt, den Georg bereits aufgehoben. Eine höchst ... angenehme Sitzung!

GEORG den Stock dem jetzt wie vollkommen Zerknickten und Geistesabwesenden überreichend. Da! Bitte![482]

DUFROY wie vorhin; nur noch erbitterter. Ein solches plumpes Betrugsmanöver, das ich seit fünf Minuten durchschaue ...

GEORG schnell, scharf. Was schwatzt du da?

ONKEL LUDWIG zu Dufroy; an sein letztes Wort sich klammernd, wie an einen Strohhalm; in seiner Seele ein leiser Hoffnungsschimmer. »Durch- schaue«?!

DUFROY der sich jetzt, endlich, mehr und mehr wiederfindet; zu Georg. Soll ich dir beweisen und willst du dich überführen, daß alles nur Blendwerk ist?

UEXKÜLL ähnlich; nur allgemein. Aber ganz unbedingt!

ONKEL LUDWIG dem dies denn doch, nach allem, was voraufgegangen, zu unwahrscheinlich vorkommt; der »Hoffnnngsschimmer« wieder im Verlöschen. »Blendwerk?«

GEORG zu Dufroy; wie ihn nicht begreifend; halb nach der Erscheinung, halb nach dem Vorhang hin. Wo du jetzt beide ... Abbrechend und sofort von neuem. Ich fange nachgrade an zu zweifeln, ob du überhaupt ...

DUFROY ihn unterbrechend; mit letzter, felsenfester Überzeugung; nach der Erscheinung. Wenn dies vermummte, melodramatisch auf- und zurechtgeputzte Wesen hier wirklich deine angebliche »Materialisation« wäre, wie könnte eine »Verkörprung« aus einer »andern Welt«, von dem üblichen »Jenseits«, das du ja schließlich auch noch nicht für erwiesen hältst, sehe ich dabei ganz ab ...

DIE ERSCHEINUNG gehässiger als ein Giftspritzer. Narr!

DUFROY von ihrem Wutwort kaum unterbrochen, in seiner zornig-verächtlichen Abfälligkeit nur noch bestärkt, weiter. Narr, Gimpel oder Trottel, jedenfalls wie könnte ein inkarniertes Etwas sogenannt transzendentalen Ursprungs mit einem Schleier in einer Gespinstart drapiert sein, wie man ihn noch heute jeden Tag in Bombay, Madras oder Benares sieht?!

ONKEL LUDWIG ganz verdattert. Wer sagt dir ...

DUFROY mit größter Bestimmtheit. Ich habe dieses Stück, das ich sofort wiedererkannte ...

GEORG jetzt, bereits einen Moment, fast selbst im Zweifel; von Dufroy nach der Erscheinung. Das du ...?

DUFROY energischst nickend und in seinem Satz sofort wieder weiter.[483] Ja! ... Selbst vor fünfunddreißig Jahren der Mutter Mariannes als Hochzeitsgeschenk mitgebracht, und da Marianne, Einen kurzen Moment nach Uexküll rüber. wie Herr Baron bereits darauf aufmerksam gemacht hat, sich vorhin fast eine dreiviertel Stunde lang auf ihr Zimmer zurückgezogen hatte, ist es also klar, Nach der Erscheinung. daß sie mit dieser Person, die ihre Helfershelferin ist ...

DIE ERSCHEINUNG die bereits vor seinen letzten Worten, während alle ihn noch anblicken, begonnen hatte, sich leise nach dem Vorhang hin wieder zurückzuziehen, von dessen Falten, die sich in diesem Augenblick blähen, bereits halb verhüllt; hartes höhnisches Lachen; der Regen hat, hörbar, wieder eingesetzt. Hahahaha!

GEORG Dufroy noch immer anblickend; hartnäckig-heftigst. Das ist nicht wahr!

ONKEL LUDWIG zu Georg; empört-drohend; von Dufroys Darstellung, zugleich damit unbewußt gegen das »Karzinom« rebellierend, überzeugt. »Nicht wahr«?!

DUFROY mit letzter Aufstachlung. Wenn du jetzt den entscheidenden Mut nicht hast ...

ONKEL LUDWIG die Sache endlich zum »Klappen« bringen wollend; ihm erbittert assistierend. Ich bin gewiß fürs Astrale! Aber was zu viel ist ... ist zu viel!

GEORG dessen Aufmerksamkeit sich jetzt plötzlich wieder auf die Erscheinung gerichtet hat; ganz erbittert-perplex. Warum verschwindest du?! Du entschwindest ja!

DIE ERSCHEINUNG die inzwischen vom Vorhang schon fast verhüllt gewesen, einen Schritt wieder vortretend; den linken Arm hoch erhoben. Kennst du um meinen linken Arm ... dieses Kettchen?!

UEXKÜLL der auf diese jähen Worte hin plötzlich bei allen übrigen die größte, bestürzteste Überraschung wahrnimmt. Was für ein ... »Kettchen?!«

DUFROY um deutlicher zu sehn, vorgebeugt. Das ... Kettchen ...

GEORG die Augen wie starr, das Wort fast aus sich rausschreiend. Mariettes!!

ONKEL LUDWIG dem die Laute in der Kehle wieder stecken bleiben. »Ma ...«?

DUFROY nach Georg rüber; ganz fassungslos. Das ... Kettchen ist doch Mariette ...[484]

GEORG noch fast wie vorhin; nicht fähig, sich vom Platz zu rühren. Mitgegeben!!

DIE ERSCHEINUNG den Arm noch erhoben, mit letztem, boshaftestem, sich sättigendem Triumph. Noch drei Jahre!!

GEORG seiner selbst nicht mehr mächtig; jetzt bereits einen Schritt auf sie zu. Wer ...?

DIE ERSCHEINUNG drohend-boshaft. Und ... heute ...

GEORG noch fassungsloser. Du ... bist ...

ONKEL LUDWIG einfallend; mit dem Stock Friedrichs des Großen, diesem höchsten Symbol ehemaliger »Aufklärung«, ergrimmt durch die Luft fuchtelnd und auf den vermeintlichen »Lügengeist« fast damit eindringend. Das ist kein wahrer Geist! Das ist n Lügengeist! N Lügengeist!

DUFROY zu Georg, der schon auf dem Podium steht. Sei nicht feig und reiß zu!!

ONKEL LUDWIG noch erbitterter. Du wirst betrogen!!

DIE ERSCHEINUNG den noch mit sich Ringenden messend. Wag s!

UEXKÜLL während sich von neuem, und diesmal noch mächtiger, der Vorhang bläht; ganz verstört-entsetzt. Das Medium ist nicht mehr da!!

DUFROY der sofort nach dem Schalter stürzt. Licht!!

GEORG die rechte Hand bereits erhoben. Und wenn wir dran beide ...

MARIANNE während die Ovale, sämtliche, in vollster Lichtstärke wieder aufflammen und gleichzeitig, fast, wie es scheint, unmittelbar über der Kuppel, der dritte Donner erkracht, mit herabgerissnem Schleier, wankend und schon halb ohnmächtig, in Georgs Armen; mit rührend-herzzerreißender, klagender Stimme. Georg!!

GEORG sie, knieend, in seinen Armen haltend; zornigste, erbittertste Überraschung und fast Abscheu in der Stimme. Marianne!!!

ONKEL LUDWIG wie halb betäubt und den ganzen Vorgang noch nicht begreifend. Marianne?

DUFROY vor dem Podium rechts, während Uexküll links steht; nach einer kleinen, nur sekundenlangen Pause; vom Vorhang auf Marianne blickend und nieder zurück; ganz bestürzt-erschüttert. Ein ... Rätsel!


Vorhang.


Quelle:
Arno Holz: Werke. Band 4, Neuwied und Berlin 1961, S. 436-485.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ignorabimus
Ignorabimus

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Nachtstücke

Nachtstücke

E.T.A. Hoffmanns zweiter Erzählzyklus versucht 1817 durch den Hinweis auf den »Verfasser der Fantasiestücke in Callots Manier« an den großen Erfolg des ersten anzuknüpfen. Die Nachtstücke thematisieren vor allem die dunkle Seite der Seele, das Unheimliche und das Grauenvolle. Diese acht Erzählungen sind enthalten: Der Sandmann, Ignaz Denner, Die Jesuiterkirche in G., Das Sanctus, Das öde Haus, Das Majorat, Das Gelübde, Das steinerne Herz

244 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon