Den Franzosenfressern

[77] [77] O Land der blauäugigen Menschen!

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Der Rhein bot dir Gold,

Bernstein das baltische Meer!

Musik ist dein Odem,

Deine Seele

Harmonie und Weihrauch;

Sie lässt in mächtigen Hymnen

Den Schrei des Adlers

Mit dem Gesange

Der Lerche wechseln!

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Keine Nation ist gerechter als du!

Zur Zeit, als die ganze Erde

Noch ein Ort des Schreckens war,

Warst du unter den starken Völkern

Das gerechte Volk!

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So lange, wie die Eiche

Dem Epheu ihre Arme bietet,

Warst du die Kämpferin

Für das alte

Recht der Besiegten!

Viktor Hugo[78]


Ich bin ein deutscher Patriot

Und schwarz-weiss-roth sind meine Verse,

Denn treu dem Volk bis in den Tod

Schwör ich auf Werther, Faust und Lerse.

Manch goldbeschlagnes Auerhorn

Hab ich aufs Deutschthum schon getrunken

Und bin als Kerl von Schrot und Korn

Noch niemals untern Tisch gesunken.

Doch trotzdem ruf ich: Vive la France!

Honi soit, qui mal y pense!


O, nicht stets für sich selbst geschwärmt!

Aus tausend Schriften lässt sich's lesen:

Die Gluth, die mir das Herz durchwärmt,

Sie loht auch jenseits der Vogesen.

Das Volk der Rousseaus und St. Pierres,

Man mag's begeifern, mag's beneiden:

Mir ist's so lieb, wie das Homers,

Und kein Phantast soll's mir verleiden!

Drum ruf ich lautauf: Vive la France!

Honi soit, qui mal y pense![79]


O wer, als einst wie nie zuvor

Die Welt ein Haupt voll Blut und Wunden,

Sang ihr das »Lied im höhern Chor«,

Daran wir heute noch gesunden?

Rouget de L'Isle war's, der Franzos,

Die Seine rauscht's und die Garonne,

Und aus der Knechtschaft dunklem Schooss

Rang sich die Freiheit in die Sonne.

Drum juble, Seele: Vive la France!

Honi soit, qui mal y pense!


Wohl weiss ich's, krass war jene Zeit

Und ward von Tag zu Tag noch krasser,

Doch jede grosse Wahrheit schreit

Nach Blut und nicht nach Zuckerwasser!

Wem sie ihr Herz geoffenbart,

Der schrickt zusammen und bewundert's;

O, jener Schwur im Ballhaus ward

Zur ersten Grossthat des Jahrhunderts!

Drum juble, Seele: Vive la France!

Honi soit, qui mal y pense!


Wohl steht noch heut, Gewehr bei Fuss,

Ein Cerberus an jeder Grenze,

Doch schon umweht's mich wie ein Gruss

Aus ferner Zukunft fernem Lenze.[80]

Dann schlägt kein Tambour mehr Allarm,

Dann steht die Welt voll goldner Halme

Und Frankreich ringt dann Arm in Arm

Mit Deutschland um dieselbe Palme.

Drum juble, juble: Vive la France!

Honi soit, qui mal y pense!


Doch ihr ... verhöhnt mich immer nur,

Ihr biedern Knopflochpatrioten;

Ich weiss, ihr schwärmt nur für Dressur,

Für Kalbsfilet und Schweinepoten.

Ihr sammelt Lumpen, sammelt Geld

Und träumt von längst verschollnen Tagen;

Was kümmert's euch, wenn durch die Welt

Der Zukunft Nachtigallen schlagen?

Ich aber rufe: Vive la France!

Honi soit, qui mal y pense![81]


Quelle:
Arno Holz: Buch der Zeit. Berlin 21892, S. 77-83.
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