Ein Abschied

[511] [511] Ich sah nach jedem Giebeldach,

Mir war's, als riefen sie mir nach:

Fahr wohl, Gesell, fahr wohl!

Und mit dem Abschied war's vorbei,

Nun ist mir Alles einerlei,

Wohin ich wandern soll!

Otto Roquette[512]


Sein Freund, der Thürmer, war noch wach,

Wie Silber gleisste das Rathhausdach,

Und drüber stand der Mond.


Er wusste kaum, wie schwer er litt,

Doch schlug ihm das Herz bei jedem Schritt,

Und das Ränzel drückte ihn.


Die Gasse war so lang, so lang,

Und dazu noch die Stimme, die über ihm sang:

Wann's Mailüfterl weht!


Jetzt bog sich ein Fliederstrauch über den Zaun,

Und die Mutter Gottes, aus Stein gehaun,

Stand weiss vor dem Domportal.


Hier stand er eine Weile still

Und hörte, wie eine Dohle schrill

Hoch oben ums Thurmkreuz pfiff.[513]


Dann löschte links in dem kleinen Haus

Der Löwenwirth seine Lichter aus,

Und die Domuhr schlug langsam zehn.


Die Brunnen rauschten wie im Traum,

Die Nachtigall schlug im Lindenbaum,

Und Alles war wie sonst!


Da riss er die Rose sich aus dem Rock

Und stiess sie ins Pflaster mit seinem Stock,

Dass die Funken stoben, und ging.


Das Lämpchen flackerte roth überm Thor,

Und der Wald, in den sich sein Weg verlor,

Stand schwarz im Mondlicht da ...


Erst droben auf dem Heiligenstein

Fiel ihm noch einmal Alles ein,

Als der Weg um die Buche bog.


Die Blätter rauschten, er stand und stand

Und sah hinunter unverwandt,

Wo die Dächer funkelten!


Dort stand der Garten und dort das Haus,

Und jetzt war das aus, und jetzt war das aus,

Und – die Dächer funkelten!


Sein Herz schlug wild, sein Herz schlug nicht fromm:

Wann i komm, wann i komm, wann i wiederkomm!

Doch er kam nie wieder.[514]


Quelle:
Arno Holz: Buch der Zeit. Berlin 21892, S. 511-515.
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