Die Reise der Königin aus Reich Arabien nach dem himmlischen Jerusalem/ die Weißheit Salomonis zu hören

Als die Hochgebohrne Gräfin und Frau/ Frau Aemilia Juliana/ Gräfin zu Schwartzburg und Hohnstein etc. Anno 1706. diß zeitliche gesegnet

[261] In Nahmen eines andern.


Wenn in der Finsterniß gebohrner Niedrigkeit

Die Weißheit schon ein Licht/ das auch die Nacht erhellet;

Was Wunders/ daß ihr Glantz/ der sich zum Purpur stellet/

Und über Cronen strahlt/ diß gantze Rund bestreut.

Ein jedes Auge sieht das Auge dieser Welt;

Da nun der Weißheit Licht der Sonnen vorzuziehen;

Und auch der Sternen Gold vor ihrem Strahl muß fliehen;

Was Wunders/ daß ihr Glantz in frembde Länder fällt?

Daß sich zu ihrem Thron die mächtge Königin/

Die reich Arabia anbetet und verehret/

Von Ihrem Thron begiebt/ und da die Weißheit höret/

Wo bey der Pracht der Welt ein Himmel gleicher Sinn?

Wer ist/ der nicht den Geist auf dich/ Hochseelge lenckt/

Die aus berühmten Stamm mit Blute sich gegattet/

Das stets der Himmels Fürst mit Gnaden über schattet/

Und dem ein Käyser selbst die hohen Ahnen schenckt?

Die Ihrem Adel hat den Adel beygesetzt/

Der aus der Weißheit kommt/ den Gott selbst herrlich nennet.[262]

Die sich aus Demuth nicht vor Hochgebohrn gekennet/

Und die die Tugend mehr/ als Cronen wehrt geschätzt?

Du Hochgebohrne Frau/ hast jene Königin/

Die Salomonis Ruhm nach Salem hat gezogen/

An Hoheit des Gemüths bey weiten überwogen/

Und gehst zum Salomon viel ungemeiner hin.

In reich Arabien war jener Thron gebaut/

Das arm an Gottes Wort und himmlischen Ergetzen.

Da man in deinem Land' an solchen selgen Schätzen/

Durch dein Bemühen mit ein reiches Salem schaut.

Die Weißheit Salomons war jener ein Gerücht.

Doch Gottes Weißheit war dir ein bekanntes Wesen;

Ein Buch/ in dem ein Bild von seiner Krafft zu lesen.

Ein Glantz vom ewigen und ungemeinen Licht;

Ein Hauchen von der Krafft/die man allmächtig heißt;

Zum Brief der Seeligkeit das allerreinste Siegel;

Zur Kenntniß unsers Heyls ein unbefleckter Spiegel;

Ein Strahl der Herrlichkeit/ die man unendlich preist.

Wenn aus Neugierigkeit sich jene nur bemüht/

Und zu der Weißheit reißt; So thust du es aus Liebe/

Aus Lieb'/ als dem Magnet/ der Gottes milde Triebe

Und seines Geistes Krafft/ wie Eisen an sich zieht.

Aus Liebe warest du der Weißheit ihre Braut;

Und ihre Schöne hat dein Hertze lieb gewonnen.

Durch sie hat deine Seel ein köstlich Kleid gesponnen/

Und mehr als Königlich die Nesidentz gebaut.

Schift jene über Meer zum weisen Salomon/

So daurt es kurtze Zeit. Doch in so vielen Jahren

Ist dein Erlauchter Geist der Wahrheit nachgefahren/

Und lud auch allezeit viel Güter auf davon

Dein Bleymaß des Verstands hat dieses Meer der Welt

An Syrten/ Felsen/ Sand/ so wissen zu ergründen/

Daß du glückselig warst/ die enge Bahn zu finden/

Worauf in Canaan man sichre Schiffart hält.

War jener ihr Gefolg in Ißrael sehr groß:

Was war es deinem gleich/ wenn du zum Himmel giengest?[263]

Wenn du den Perlen-Thau von Gottes Weißheit fiengest/

Und dieser Salomon dir sein Gemach ausschloß/

So lag die Priesterschafft mit Beten und mit Flehn

Vor dir/ als Schutz-Göttin/ gebückt zu deinen Füssen/

Und bat/ es möchte die des Himmels Gnade küssen/

Von deren Gnade sie ihr Wohlseyn könten sehn.

Ja selbst dein gantzes Land vermehrte deinen Staat/

Den Staat/ den Gottes-Furcht/ Leutselig seyn und Milde/

Klug- und Gerechtigkeit nach Gottes Ebenbilde/

In allen Hertzen dir bey Gott erworben hat.

Wenn jene Salomon mit Räthseln hat versucht:

So batest du vor ihm um Weißheit aus der Höhe;

Damit sie bey dir sey und denn dein Auge sehe/

Was Gott von uns beliebt/ und was er auch verflucht.

Und so ward auch dein Geist mit Weißheit ausgerüst.

Was Schrifftgelahrten sich für ein Geheimniß achten.

Kont' ein Erlauchter Sinn in dir mit Lust betrachten/

Du warst als Herrschafft auch in Wissenschafft begrüßt.

War eine Schurmannin ein Wunder ihrer Zeit;

Erhöht Elisabeth den Purpur Engelandes

Durch Sprachen/ Tugenden und Hoheit des Verstandes:

So ehrt die Welt von dir auch gleiche Trefflichkeit.

Wenn reich Arabia durch die Beherrscherin

Dem Salomon Gewürtz und Centner-Goldes schencket:

So ist dein höchster Ruhm/ was Salomon selbst dencket:

Auch über Cronen geht ein Weißheits-voller Sinn.

Es kommen ihrem Werth nicht Fürsten-Thürmer bey/

Und Königreiche sind so hoch nicht anzusetzen/

Für sie ist Reichthum nichts: Gold ist für Sand zu schätzen/

Und gegen sie ist Koth und Silber einerley.

Diß alles überwog dein Tugend-schwer Gewicht.

Was du dem Himmel giebst/ sind lauter Weißheits-Früchte/

Dadurch wird jener Schatz/ der irrdisch ist/ zu nichte;

Und deinem ewigen hält er die Wage nicht.

Allein/ was präg ich hier/ Hochselge Gräfin ein/

Was deinen Abschied uns unendlich herber machet?[264]

Wenn deine Tugend gleich in uns unsterblich lachet/

So weint doch unser Hertz/ daß du must sterblich seyn.

Es weinet dein Gemahl/ der Hochgebohrne Graf.

Was Rom vordem gehabt von hohen edlen Frauen/

Ja alles konnt' er selbst in deiner Liebe schauen/

So daß auch dein Verlust Sein alles schmertzlich traf.

Der Hochgebohrne Herr/ dein und des Himmels Bild/

Den Gott dir eintzig gab/ weil zu des Landes Seegen

Und Weißheit/ Tugend/ Geist der Eltern darzulegen/

Ein Salomon allein dem David sattsam gilt/

Der seuffzet und mit ihm das gantze hohe Hauß/

Das vor der Sterblichkeit unsterblich schon zu achten/

Das wir in Ehr-Furcht zwar doch nie genug betrachten/

Und lässet billig hier die Schmertzens Regung aus.

Es weint der gantze Hoff; die Hoffnung fallet hin.

Es weint die Priesterschafft; die Hohen Schulen müssen/

Ja selbst das gantze Land itzt lauter Thränen küssen:

Denn dieser Mutter stirbt/ und jener Schutz-Göttin.

Ich wein'/ ich armer Knecht! jedoch an Gnaden reich/

Die mir dein Milde seyn unwürdig zugemessen/

Bey allgemeinem Leid/ ist meines nicht vergessen/

Und wird allein gemehrt/ daß es dem grösten gleich.

So weinet jederman! doch Salomon nur lacht/

Der mit der Frommen Tod es wohl und seelig meynet/

Daß itzt vor seinem Thron der Herrlichkeit erscheinet/

Die seine Weißheit hat so ungemein geacht/

Daß solcher ewiglich gewürdiget zu seyn/

Sie eine Reise thut nach dem gelobten Lande.

Nun/ Hochgebohrne Frau/ in deinem selgen Stande

Trifft/ was die Schrifft dort sagt/ gewünscht und völlig ein:

Und König Salomo gab dieser Königin

Von Reich Arabia/ was sie begehrt und bate:

So giebt er dir vorerst die Seeligkeit der Gnade/

Und wirfft des Nestors Jahr auf unsre Herrschafft hin.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 261-265.
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