Vierter Auftritt.

[182] Voriger. Frau von Wallenfeld. Hernach Jakob.


HERR VON WALLENFELD. Weißt du es? Nein, du kannst es nicht wissen. Dein Auge spricht Mitleid und Liebe. Du weißt es nicht, und kannst es nicht wollen.[182]

FRAU VON WALLENFELD erstaunt. Was denn?

HERR VON WALLENFELD. Marie! – tritt zu mir her – sieh mich an. – Weißt du, was dein Vater mit mir gesprochen hat?

FRAU VON WALLENFELD. Nein! So wahr ich bin, ich weiß es nicht.

HERR VON WALLENFELD. Du sollst mich verlassen.

FRAU VON WALLENFELD. Sagt das mein Vater?

HERR VON WALLENFELD. Er will dich mit sich nehmen, dich und das Kind.

FRAU VON WALLENFELD. Ich werde nicht mit ihm gehen –

HERR VON WALLENFELD. Ich kann dich nicht bitten, bei mir zu bleiben. Ich bin verstoßen, elend, beschimpft, ein Bettler. Dein Vater hat ganz Recht: ich weiß nicht, wovon ihr morgen essen werdet. Ich bin ein verächtlicher Mensch. Wenn du das Band zerreißest, das dich an Hunger und Jammer bindet – ich darf nicht murren: aber –

FRAU VON WALLENFELD. Fritz!

HERR VON WALLENFELD. Aber schrecklich wäre es! schrecklich! Sieh, ich habe weder Vater noch Freund, alles wendet sich von mir. – Glück und Frieden sind auf ewig von mir geschieden. Wenn du von mir trittst, wenn mein Kind von mir scheidet, was wird dann aus mir? – O Marie, Marie! Ich habe schrecklich gesündigt; aber ich bin grausam gestraft! Dein Vater ist gerecht: aber die Gerechtigkeit ist kalt. Die Liebe ist es nicht. Liebst du mich, so sei barmherzig, verlaß mich nicht, da die ganze Welt mich von sich stößt. Er umfaßt ihre Knie.

FRAU VON WALLENFELD. Höre mich an.

HERR VON WALLENFELD. Sei jetzt nicht gütig, – rede nicht sanft – ich bin zu tief verworfen, wenn du sanft bist. Entscheide[183] nur, sprich Ja oder Nein – Ja? – dann laß mich gehen und Rettung suchen. – Nein? – so laß mich gehen, und frage nie nach, wo ich gestorben bin.

FRAU VON WALLENFELD. Ja, ja, ja! Ich bleibe bei dir. Ich theile, was dich trifft – ich verlasse dich nicht.

HERR VON WALLENFELD springt auf. Marie! – Ach, was kann ich dir anbieten? Armuth.

FRAU VON WALLENFELD. Auch die Dürftigkeit hat ihre Freuden – Dürftigkeit und Tugend – Arbeit und Brot – Liebe und Treue – Liebe und Dankbarkeit sei unsre Losung!

HERR VON WALLENFELD. Nimm mich auf – du hast mich gerettet – dein sei mein Leben! – Ich will arbeiten. – Helfe mir Gott, daß du über der Zukunft das Vergangene vergessen könnest!

FRAU VON WALLENFELD. Das werde ich, wenn du nicht mehr spielst.

HERR VON WALLENFELD. Nie mehr, nie!

FRAU VON WALLENFELD. Täusche mich nicht. – Diese Hoffnung allein wird mich unterstützen. Spielst nie mehr?

HERR VON WALLENFELD. Nie!

FRAU VON WALLENFELD. Gib mir dein Wort –

HERR VON WALLENFELD seufzt. Ach, Marie! – gilt es dir denn noch etwas?

FRAU VON WALLENFELD. Dein Herz gilt alles; dem habe ich mich gelobt; ich wage alles auf dies Gelübde.

HERR VON WALLENFELD. Wenn dich mein Herz betrügen kann – dann verlaß mich, nimm dein Kind – und geh ohne Abschied fort.

FRAU VON WALLENFELD. Der Bund ist geschlossen. Sie umarmt ihn. Ich rede mit meinem Vater. Nie verlasse ich dich. Sie geht ab.[184]

HERR VON WALLENFELD. Nun will ich dem Arrest nochmals entgegen arbeiten. Er schellt.

JAKOB kommt.

HERR VON WALLENFELD. Meinen Hut.

JAKOB. Sehr wohl. Will gehen.

HERR VON WALLENFELD. Jakob! – Du ehrliche Seele! Du armer Dulder, lohne dir Gott! – ich kann's nicht. – Aber höre! – Ich bin besser geworden; ich spiele nicht mehr. Heute Abend wollen wir uns zusammen setzen und Rath halten, wie ich arbeiten und Geld verdienen kann. Sinne nach; dein Rath soll mir sehr werth sein. Trenne die Aufschläge von deinem Rocke; – du bist unser Hausfreund – wir wollen noch gute Stunden leben.

JAKOB küßt seine Hand. Herr! – ich kann nicht reden – lassen Sie mich hinaus.

HERR VON WALLENFELD. Wenn der Entschluß gut zu werden glücklich macht – was muß es sein, wenn man gut geworden ist! Laß mich – ich hole meinen Hut selbst. Ich will keinen Dienst mehr von dir; aber Freundschaft, Freundschaft wollen wir beide uns erweisen bis in den Tod!


Er geht; an der Thür begegnet ihm Herr von Posert.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 3, Wien 1843, S. 182-185.
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