[398] Katharina. Mons de la Croix.
KATHARINA.
Mons! Mons!
MONS.
Bist du erzürnt?
KATHARINA.
Ihr seid zu kühn!
MONS.
Weil ich ein Gartenplätzchen dir geschaffen?
KATHARINA.
Unschuld liebt, das Geschick herauszufordern,
Ist keck und spielt mit Messern.
MONS.
Wär' es möglich,
Daraus Verdacht ...
KATHARINA.
Verdacht!? –
[398] Kalt und streng.
Herr von Croix,
Was kostet die Anlag' auf dem Hügel, die
Durch Euch ich machen ließ?
MONS.
Ihr? Sie? Durch mich?
KATHARINA.
Besinnt Euch, zieht's zusammen. Vor dem Hofstaat
Werd' ich die Rechnung fordern.
Mons steht betreten.
Ihr, ein Jüngling,
Gewandt und zierlich, fein und ... liebenswert,
Und kennt gewisse Anfangsgründe nicht? –
Genug von jenem Blumenstück! – Erzählt mir,
Erzählt mir etwas! Baut man Schiffe? Lästern
Sie viel auf meine Rechnung? Sprich doch, Karl!
Wieg' mich mit Märchen ein! Ach immer Märchen,
Eins bunter, als das andre; bis man schliefe
Von Arabesken überlaubt ... Das wäre –
Ja, das wär' Seligkeit! Wie seid Ihr nur?
Wie seid Ihr heute grad? Ihr steht so stumm,
So kalt, so teilnahmlos mir gegenüber.
Gereut's Euch, hier zu sein? O daß ich alle,
Die sich mir nahn, unglücklich machen muß!
Geht, lieber Mons, gebt dem Zeremonienmeister
Ein gutes Wort, laßt Euch ablösen. Fügsam
Ertrugt Ihr lang genug den Seelenkrampf,
Die Seufzer der verfallnen Katharina,
In diesen düstern Wänden!
MONS.
Düster sind sie,
Wenn deine Strahlen im Getümmel hier
Der Schranzen sich verlieren! Mons begehrt
Nur dich zu sehn, und haßt, was zwischen deine
Und seine Blicke tritt. Ein fühlend Herz[399]
Sucht die Gesellschaft nicht in der Gesellschaft.
Lang dient' ich dir, und meine Eitelkeit
Empfing von dir das Zeichen mancher Gunst,
Ich zierte mich damit, ich zeigt' es jedem;
Kalt sah mein muntres Aug' zu dir empor.
Doch an dem Tag, da ich dich fand, gekränkt,
Vom Schlag, der dich getroffen, überwunden,
Das schöne Haupt, das sonst so stolz geblickt,
Gleich einer kranken Blume niedersenkend,
Seit diesem Tag ... bin ich nicht eitel mehr,
Und deine Gaben hab' ich all' verborgen!
KATHARINA.
So muß man elend sein, Euch zu gefallen!
Zerbrochen sein, daß Ihr Euch ganz empfindet,
So wollt Ihr Eure Kraft in unsrer Schwäche
Bespiegeln nur!
MONS.
Liegt nicht der Sonne Gold
Am reizendsten auf Wolken? Glüht die Rose
Je herrlicher, als wenn der Tau sie säumt?
Ist Liebe nicht ein tiefes, stilles Mitleid,
Ein zartes Grämen, lächelndes Erbarmen?
Wird mich die Königin bestrafen, daß
Ein leidend Weib mich inn'ger rührt', als sie?
KATHARINA.
Die Königin wird gnädig sein, sie ist
Nicht neidisch auf das leiderfüllte Weib. –
Wie lindernd weht der Hauch der Huldigung
Um Wunden, die ein rohes Schwert gerissen!
Wir wähnen uns geheilt, und alles Glück
Ist ja ein Wahn!
MONS.
O sah' ich dich geheilt,
Geheilt in Wahrheit! Wer darf fröhlich sein,
Bist du es nicht ...[400]
KATHARINA.
Fröhlich! – Das Wort klingt mir
Aus weiter Ferne zu. So fällt verschallend
Des Hochzeitreigens letzter, schwächster Ton
In den entlegnen Kerker des Gefangnen.
MONS.
Dich trösten möcht' ich ... ach, du ahnest nicht,
Was dieser Trost mich kostet! All mein Glück
Entblühte diesen Schmerzen ... bald, ja bald
Wird Mons vergessen sein! Doch sei's gesagt:
Ist's möglich, daß des Herren Laune, kurz,
Wie sie zu währen pflegt, den starken Geist,
Das edle Herz so beugen kann?
KATHARINA.
Und wenn
Nun dieser Geist, dies Herz in finstern Tagen
Gesucht sich hätten, und gefunden nichts
Als eine große Leere? Mons! Vor dir
Möcht' ich mich nicht beschuldigen ...
MONS.
Vertrau mir!
KATHARINA.
Die Einsamkeit ist eine grause Göttin,
Wenn alles um uns schweigt, schweigt auch die Täuschung.
Und wirklich ist man oft, was man vor andern
Zu scheinen sich bestrebte! – Laß das, Mons!
MONS.
Du bist so reich ...
KATHARINA.
An Einbildungen reich,
An Kräften arm! Ich bin des Schicksals Spielball,
Ein Lamm in eines Geiers Fängen! Scherze
Mit großen Dingen in Gedanken, bin[401]
Den Dingen selbst ein Scherz! Ach Mons, ich bin
Ein ganz gewöhnliches, hülfloses Weib,
Zu lieben fähig, hätt's mein Stern gewollt –
Doch so? Was bin ich nun? Torheit im Prunk,
Erhabne Posse, buntgeschminkte Angst,
Bin die gekrönte Sklavin des Tyrannen!
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Alexis
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