Siebente Szene


[411] Menzikof. Die Vorigen.


PETER Menzikof bemerkend.

Der Fürst hat dich zu sprechen.


Er führt sie zur Seite.
[411]

Halt reinen Mund. Dies darf kein Mensch erfahren.


Er geht.


MENZIKOF kommt vor.

Versöhnt? Das kommt gelegen.

KATHARINA.

... Schone mich!

MENZIKOF.

Denn nötig haben wir dich jetzt.

KATHARINA.

Mich?

MENZIKOF.

Ja.

Es naht die wichtigste Entscheidung. Nun

Will ich dir wieder Lehren geben. Denk,

Daß das Gewissen nie zum Throne dringt,

Und daß die Kön'ge stets in Gott entschlafen,

Sie taten, was sie taten. Noch vor Abend

Hab' ich das Mittel zu Alexis Sturz.

Du weißt wohl auch, er liebt' ein Mädchen. Immer

War sie bei ihm, in Napel, überall.

Die hat, als wir den Zarewitsch verhaftet,

Von jähem Schreck besiegt, geschrien: Sie wisse,

Was sie um alles zu vergessen wünsche.

Hat Briefe schnell verbrannt. Wir waren damals

Nicht rasch genug, und diese Euphrosyne

Entfloh. Sie war nicht zu erforschen. Heut

Wird mir gemeldet, heimlich und verkleidet

Sei sie zurückgekehrt; man hat das Haus

Mir schon bezeichnet, wo man sie gesehn.

KATHARINA.

Und nun?

MENZIKOF.

Soll sie uns sagen, was sie weiß.[412]

KATHARINA.

Verraten den Geliebten, Menzikof?

MENZIKOF.

Tolstoi hat einen Käficht, drin die Vögel

Bald singen lernen.

KATHARINA.

Doch nicht ...

MENZIKOF.

Laß es ruhn!

Es ist ein häßlich Wort.

KATHARINA.

Ich aber ...?

MENZIKOF.

Gleich.

Zum Todesurteil treiben wir es bald,

Gerät mein Fang. Was ist damit gewonnen?

KATHARINA.

Und ich soll's weitertreiben! Nicht?

MENZIKOF.

Das sollst du.

KATHARINA.

Ihr, seine Richter, dürft's nicht! (Schmach und Qual!)

Gleichgültig muß Euch scheinen Eures Spruchs

Vollziehung. Von der andern Seite muß

Der Wind wehn, der der Mühle Flügel regt.

MENZIKOF.

O Herrlich! Herrlich! Ja, du lerntest zu.[413]

KATHARINA.

Wer sollt' in solcher Schule nicht begreifen?

Nur immer tiefer ins Verderben! Halt:

Es dürfte nicht so geradezu geschehn.

Man müßte Worte wählen, die den Zar

Vom Ziel zu leiten schienen, doch zum Ziel

Auf Schlangenwegen führten.

MENZIKOF.

Du entzückst mich!

Ich küß' die Hand dir, Göttliche. Wir sind,

Der Jaguschinsky, Ostermann und ich

Leibeigen dir, die Schwelle deinem Fuß

Zum Krönungssaal. Wir brauchten's nicht, wär' noch

Der Zar, wie sonst. Merkwürdig ist's. Man wird

Doch alles überdrüssig. Streng' und Härte

Erschöpfen sich denn auch zuletzt. Der Alte

Hat sich auf jenem Nachtschmaus im Kremlin

Den Magen überladen, und nun will er

Den Mäß'gen spielen zum Dessert. Ich hab's

Ihm abgemerkt; ich kenn' ihn durch und durch.

Dem sollst du steuern, meine Königin

Aus Morgenland.

KATHARINA.

Dem! Allem, was den Pfad sperrt!

Vorwärts, du dunkler Führer! – –

MENZIKOF.

Ruhig, sacht. –


Geheimnisvoll.


Zu Ende geht das Reich entseelter Bangnis!

Bald wollen wir den Tagelöhnerschweiß

Von unsern Gliedern waschen. Halbes Werk

Ist Torenwerk. Der Prinz bestellt Quartier.

Verstehst du mich?

KATHARINA entsetzt.

Herr Gott, wie sollt ich nicht?[414]

MENZIKOF.

Laß nur die Posse mit dem Mons!


Sie bricht in Tränen aus. Er stampft mit dem Fuße.


Den Jungen

Leid' ich durchaus nicht, bin ich hier der Herr!


Sie wendet ihm den Rücken und will gehn. Er hält sie zurück.


Die Brust zerfrißt es mir. Er war der erste,

Der dich besungen hat; der klügsten Frau

Verdreht ein Lied den Kopf. Ich will es auch

Erlernen, darf ich nur erst müßig gehn;

Ich will in Oden deine Schuhe küssen,

Bei deinen Locken will ich schwören, will

Empor sie reimen zu den Sternen, daß

Der Schöpf der Berenice neidisch wird.

Alles für dich! – Noch eins: Im stillen schon

Schafft' ich mir zwanzig neue Pagen an,

Mein künftig Wappen ist auch fertig worden.

Ein kleiner Doppeladler ist im Schild,

Der soll bedeuten, daß der Menzikof

Rußland im Kleinen ist. Ich zeig' dir's morgen.

Wir wollen prassen wie der Mogul Indiens.

Auflauern lassen will ich jetzt dem Mädchen.


Ab.


Quelle:
Karl Immermann: Werke. Herausgegeben von Benno von Wiese, Band 4, Frankfurt a.M., Wiesbaden 1971–1977, S. 411-415.
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