[355] Zar Peter. Die Vorigen.
PETER rasch eintretend, stutzend, beiseite.
Gordon nicht hier?
Er sieht auf seine Uhr.
Mein alter Fehler, Ungeduld! Was tut's?
Er tritt vor.
Seid mir gegrüßt. Ich kam soeben an,
Und sah die Fenster hell. Gesellschaft! dacht' ich.
Und weil ich noch nicht gar zu müd vom Weg,
Hab' ich gewünscht, mit euch zu Nacht zu speisen,
Wenn ihr's erlaubt.
GLEBOF nach einer Pause.
Eur' Majestät ist früher,
Als wir erwartet, heimgekehrt.[355]
PETER.
Ja, Glebof!
Ich blieb in Lübeck nicht, wie dir vielleicht
Berichtet ward; ich sehnte mich nach Hause.
Was macht dein Regiment?
Glebof schweigt.
Ah Dolgoruki!
Ist Eure Gattin wiederhergestellt?
Dolgoruki schweigt.
Habt Ihr 'ne gute Ernte auf den Gütern,
Abraham Lapuchin?
Lapuchin schweigt.
Mich dünkt, ich störte
Des Festes Heiterkeit. Das muß nicht sein.
Der Zar ist hier im Hauskleid, und ein Gast
Gleich andern Gästen. Nehmt es so, ich bitt' Euch.
Wer ist der Wirt? Gewiß der Zarewitsch!
Alexis, gebt Ihr mir wohl einen Trunk?
Alexis spricht mit einem Diener.
EUDOXIA in der heftigsten Bewegung.
Glebof, dein Freund ist träg!
Allgemeines Schweigen.
PETER nach Eudoxien blickend.
Drei'n Fragen ward
Die Antwort nicht, die vierte sei beglückter.
Wißt Ihr, ob Schwester Helena noch lebt
In Kloster Susdal?
EUDOXIA langsam sich ihm nähernd, zitternd vor Grimm.
Ja, nach Eurem Wunsche.
Und weil Ihr gütig für die Arme sorgtet,
So betet sie: »Vergilt zehnfältig ihm
Die mir erwiesne Wohltat!«[356]
PETER.
Edle Fremde,
Gern hör' ich von Helenens Sinnesmildrung!
Da Ihr Euch weltlich tragt, kennt Ihr die Welt.
Wißt denn: Der Zar hat niemals sie gehaßt;
Sie war ein albern-unbequemes Weib,
Anstatt an Peters Glanz, und Rußlands Ruhm
Genügen sich zu lassen, wollte sie
Von Petern nur den Hausmann. Lang ertrug's
Der Zar geduldig, endlich ward er's müd',
Und da verstieß er sie. –
Nichts mehr von Weibern!
Ein Becher Wein wird ihm gebracht.
Nun, unsern alten Spruch! Und wer ein Russ',
Der ruft ihn Petern nach. – Auf Rußlands Heil!
Er trinkt.
LAPUCHIN.
Alt-Rußland wachs' und blüh!
DOLGORUKI.
Auf Rußlands Heil,
Das in dem großen Zar, in dieser Zeiten
Mirakel wohnt!
PETER den Becher Glebof reichend.
Tu' mir Bescheid, Glebof.
GLEBOF wirft den Becher zur Erde.
In deinem Blut! Das andre sagt mein Säbel.
Er zieht. Zu den Bojaren.
Seid klug und helft mir! Dieser sondert nicht!
DOLGORUKI.
Glebof hat recht; wir müssen!
Er zieht, die Bojaren gleichfalls.
[357]
DIE BOJAREN.
Nieder! Nieder!
ALEXIS wirft sich zwischen die Bojaren und den Zar.
Zurück, ihr Mörder!
EUDOXIA.
Drauf, beherzte Russen!
Will er den Weg uns sperr 'n? Ich geb' ihn hin!
Er ist mein Sohn nicht, ist ein Wechselkind,
Ist angefälscht dem Stamm der Romanows!
Ihr stockt? Ihr bebt? Gebt einen Degen mir ...
Sie entreißt einem den Degen.
Ich zeichne purpurfarben euch die Straße
Zum qualerfinderischen Tiger!
PETER Alexis wegstoßend.
Fort!
Ich will von Schelmen nicht verteidigt sein.
ALEXIS stürzt in die Kniee.
Chaos und Weltgericht! O Vater! Mutter!
PETER.
Hier steht der Zar Peter Alexiewitsch,
Rußlands gesalbter und rechtmäß'ger Herr!
Des Himmels Legionen schweben schützend
Um eines Königs Haupt! Rebellen! Hunde!
Zermalmt euch dieser Blick nicht?
GLEBOF.
Tat für Wort!
Seht auf des Glebof Stahl! In jener Brust
Laßt zwanzig Degenspitzen sich begrüßen!
Er dringt mit gezücktem Degen auf den Zar ein. Die Bojaren folgen. In diesem Augenblicke erschallen[358] Hörner und Trommeln von allen Seiten. Gordon und Schepelew treten mit Truppen ein. Die Flügeltüre bleibt offen. Man sieht den Gang und die Galerie außerhalb mit Truppen besetzt. Die Verschwornen lassen die Degen sinken.
Ausgewählte Ausgaben von
Alexis
|
Buchempfehlung
»Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen.« Adolph Freiherr von Knigge
276 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro