Siebenter Auftritt.


[71] Bärbel tritt auf.


WEIB. Da kommt das Bärbel von Wilten.

ELSI. Laßt sie still vorüber.

WEIB. Sie hat uns gesehn, und lenkt auf uns zu. Nun wird sie's erzählen, wie sie pflegt.

ELSI. Redet ihr sanft zu.

BÄRBEL. Gott grüß' euch, meine Weiber. Ach, sagt es mir, sagt es mir an!

ELSI. Geh' nach Haus, lieb Bärbel!

BÄRBEL. Ich bin das Bärbel von Wilten.[71]

WEIB. Bist das Bärbel von Wilten, ja, wir wissen's. Warst das Bräutlein des jungen Heinrich, hattet den Chiltgang gehalten, und am Morgen danach schossen sie ihn hier nieder in der großen Schlacht. Nun, sei ruhig, mein Maidel, er ist bei Gott!

BÄRBEL. Sage das nicht, Johanna, denn du redest Sünde. Es ist geschrieben worden von der Auferstehung des Fleisches! Wehe mir! Wehe! Sein Fleisch ist zerstreut in alle Winde!

ELSI. Bärbel!

BÄRBEL. Eine böse Art Menschen jetzt. Führen Kugeln, die reißen unsre Liebsten in vierundzwanzig Stücke! Und hatt' ihn im Arm so ganz. Wo ist sein Haupt, sein fröhliches Haupt? Wo sind seine Arme, die treuen Arme, und wo die schnellen Füße? O Jammer! Ihr Weiber sagt es mir an! Sie kniet.

ELSI. Steh' auf, mein Bärbel, wir wissen's nicht!

BÄRBEL steht auf. Ihr wißt's nicht! Keiner weiß es! Ich steige zum Isel, und suche die Schlüfte hindurch, ich wandre zu Tal und späh' am Bächlein. Die Mutter verbeut's, sie treibt mich zur Arbeit hin, ich lauf' ihr heimlich weg. Die Mutter ist bös und rauh, sie riß ihn hinweg aus dem Kämmerlein, und macht sie's zu arg mit mir, ich weiß schon, was ich ihr tue.

ELSI. Bewahr' dich vor schlimmen Gedanken.

BÄRBEL. Meine Gedanken sind anders worden, denn sonst. Ich habe die Augen mir ausgeweint, gewacht die Nächte, die Hände gerungen wund, es ist kein Gott im Himmel.


Die Weiber schlagen ein Kreuz.


Kein Gott im Himmel ist! Ich wollte ja nur den Leichnam, den armen Leib! Bestatten wollt' ich ihn still in geweihtem Erdreich, zu Häupten ihm pflanzt' ich ein Stäudelein Rosmarin, und sänge und spänne.[72]

ELSI. Bitt' deine Schutzpatronin, Sankt Barbaram, drum!

BÄRBEL. Die dauert es auch, hat aber keine Macht. Ich bete den Rosenkranz vor ihrem Bild in den Nesseln! Es strömt auf mich die hellen, die lieblichen Zähren herab, und starrt und schweigt.

WEIB. Stille dich, Kind! Der Herr kann allen Staub lebendig machen.

BÄRBEL. Kann er? den Staub? Lebendig machen? Was ist das? Seht hin! Sie steht auf.

ELSI. Daß sie sich kein Leid tut.

BÄRBEL. Schaut! Schaut! Das jüngste Gericht bricht an!


Quelle:
Karl Immermann: Andreas Hofer der Sandwirt von Passeier. Bielefeld und Leipzig 1912, S. 71-73.
Lizenz:
Kategorien: