Der Ring

[91] Liebchen wallt in fernem Lande:

Meine Küsse geb' ich dir,

Goldnes Ringlein! dich zum Pfande

Ließ sie, unter Küssen, mir.


Ach! da kam sie, leiser, trauter;

Hatt' ein Auge, rein und hold;

Und ein Herz! ein Herz, so lauter,

Schönes Ringlein! wie dein Gold.


Liebchen gab dich mir, und sagte:

Nimm es, bleib' ihm ewig gut!

Und ich schwör' es dir: Ich wagte,

Dir zu Gunsten, all mein Blut.


Goldnes Ringlein! süßes, liebes!

Machst, daß mir die Sonne scheint;

Kommt ein Wölkchen oft, ein trübes,

Hat's in kurzem ausgeweint.
[92]

Du beginnst die schöne Kette,

Die man von der Treu empfängt,

Die so fest am Sterbebette

Mit dem letzten Ringlein hängt,


Wo du noch, den matten Blicken

Schimmernd, Wonn' und Hoffnung bist,

Weil in Welten voll Entzücken

Liebchen mich hinüber küßt.

Quelle:
Johann Georg Jacobi: Sämmtliche Werke. Band 3, Zürich 1819, S. 91-93.
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