§ 51
Die Allegorie

[189] Diese ist seltner eine fortgesetzte Metapher als eine abgeänderte und willkürliche. Sie ist die leichteste Gattung des bildlichen Witzes, so wie die gefährlichste der bildlichen Phantasie. Sie ist darum leicht, erstlich weil sie, was zu einem Gleichnis zu nah und nackt ist, durch ihre Personifikation gebrauchen kann; und zweitens auch das, was zu weit liegt (denn sie zwingt durch die Keckheit der Nahestellung den Geist); und drittens, weil sie sich ihr Gleichendes erst ausarbeitet und umbessert nach dem Verglichenen; und weil sie also viertens immer unter der Hand die Metaphern auswechselt. Die rechte Allegorie knüpft in den unbildlichen Witz den bildlichen; z.B. Möser: die Oper ist ein Pranger, woran man seine Ohren heftet, um den Kopf zur Schau zu stellen. – Hingegen folgende Allegorie Youngs ist übel: »Jeder uns geraubte Freund ist eine dem Flügel menschlicher Eitelkeit ausgerissene Feder, wodurch wir gezwungen werden, aus unserer Wolkenhöhe herabzusteigen und etc. auf den schlaffen Fittichen des sinkenden Ehrgeizes« (– wie tautologisch! –) »nur noch eben an der Oberfläche der Erde hinzustreichen,« (– ohne das »noch eben« hätt' er nicht weiter gekonnt –) »bis wir sie aufreißen, um über[189] den verwesenden Stolz ein wenig Staub zu streuen« (jetzo geht er aus der Metapher des Sinkens in die des Stinkens über) »und die Welt mit einer Pest zu verschonen.«

Der kalte Fontenelle sagte einmal mit einer Allegorie, welche zwei gleichbedeutende Metaphern für zwei ungleiche Ideen hielt, ein Nichts. Nachdem er die Philosophie mit einem Spiele der Kinder verglichen, welche mit verbundenen Augen eines fangen, die aber bei Strafe, von neuem zu laufen, dasjenige müssen nennen können, das sie erhaschten, so fährt er fort: »Es liegt nicht daran, daß wir Philosophen die Wahrheit nicht zuweilen erhaschen sollten, ob uns gleich die Augen gut verbunden sind; aber wir können nicht behaupten, daß diejenige es wirklich sei, die wir ergriffen haben, und den Augenblick entwischt sie uns wieder.« Denn eine Wahrheit kann doch nicht das Denken eines Satzes, sondern das Glauben und Behaupten desselben, also dessen Nennen bezeichnen; folglich geben wir das, was wir für Wahrheit halten, wirklich für Wahrheit aus oder nennen sie; und wie soll sie uns dann entwischen? –

Wegen der Dreiheit aller guten Dinge wollen wir noch ein, und zwar recht fehlerhaftes Beispiel aus dem dritten Volke, aus dem deutschen, und zwar von Lessing129 selber anführen. Nachdem er gesagt, er schreibe über Maler und Dichter, nicht für sie, fährt er so fort: »Ich wickle das Gespinst der Seidenwürmer ab, nicht um die Seidenwürmer spinnen zu lehren,« (– schon dies klingt so, als wenn man schriebe: ich schere die Schafe, aber nicht, um ihnen das Wolle-Tragen zu lehren –) »sondern um aus der Seide für mich und meinesgleichen Beutel zu machen,« (– warum gerade Beutel, nicht auch Strümpfe etc., und wenn jene, warum eben seidene? –) – »Beutel, um das Gleichnis« (eigentlich die Allegorie) »fortzusetzen, in welchen ich die kleine Münze einzelner Empfindungen« (– wo ist hier ein Natur-Übergang vom Seidenwurm zur Münze, welche vollends als kleine wieder in eine dritte Allegorie überläuft? –) »so lange sammele, bis ich sie in gute wichtige Goldstücke allgemeiner Anmerkungen« (– sehr gequält, will er sich durch die Dieselbigkeiten gut, wichtig, golden[190] womöglich weiterschieben –) »umsetzen und diese zu dem Kapitel selbstgedachter Wehrheiten« (– hier seh' ich die vierte Allegorie, aber wo bleibt der Seidenwurm? –) »schlagen kann.«

Ein neues, zumal witziges Gleichnis ist mehr wert und schwerer als hundert Allegorien; und dem geistreichen Musäus sind seine unübertrefflichen Allegorien doch leichter nachzuspielen als seine Gleichnisse. Die poetische Phantasie aber, deren Allegorie meistens eine Personifikation werden muß, darf sie mit mehr Ruhm wagen.

Verfasser dieses ist erbötig, jede gegebene Sache durch jedes gegebene Bild mit Cowleyscher Allegorie auszumalen; – und darum hat er in seinen Werken das Gleichnis vorgezogen.

Sogar Herder, so ganz Blume und Flamme, trieb selten die Blume der Metapher zum Gezweige der Allegorie auseinander. Klopstock hingegen steht mitten in der harten, knochigen, athletisch magern Prose seiner Gelehrten-Republik und seiner andern grammatischen Abhandlungen oft vor einer gewöhnlichen Metapher-Blume still und zieht ihre Blätter und Staubfäden zu einer Allegorie auseinander und bestreut mit deren Blumenstaube die nächsten Perioden. – Hier hab' ich selber über die Allegorie allegorisch gesprochen; indes (es warne mich und jeden!) nicht sonderlich.

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Desselben Werke. 12. Bd. S. 123.

Quelle:
Jean Paul: Werke. Band 5, München 1959–1963, S. 189-191.
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