5. An Hrn. Gottlob Benj. Straube, als er an seinem Geburtstage Leipzig verließ

[48] Den 13. Jänner 1742.


Freund, den der Tag mir raubt, der dich der Welt geschenket,

Sieh, was hier meinen Wunsch für dich und mich umschränket:


Ich bringe heute nicht, wie sonst, ein scherzend Lied,

Dir, den vielleicht mein Blick zum letztenmale sieht;

Doch mein gesetzter Sinn bringt dir auch keine Klagen,

Nur Wünsche von der Art, wie Philosophen wagen:


Des Schöpfers Größe sehn, in Wahrheit beyder Art,

In der, die Er uns lehrt, und die Er offenbart;

Nicht dumm ein irdisch Glück verscherzen und verachten,

Nicht mit vergebner Qual nach eitlen Gütern schmachten.

Der Kräfte größten Theil den Wissenschaften weyhn,

Doch für des Körpers Wohl nicht unempfindlich seyn;

Sich nützlich und beliebt durch Witz und Sitten machen;

Haßt man uns unverdient, der Thoren Zorn verlachen:

Das wünsch' ich dir und mir. Dich hab' ich Freund genannt,

Seit ich der Meßkunst Werth, der Dichtkunst Reiz gekannt.

Die Freundschaft daure stets, die wir sechs Jahre nähren,

So stark, als Haller's Glut, so fest, als Haufen's Lehren.
[48]

Quelle:
Abraham Gotthelf Kästner: Gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Theil 1 und 2, Teil 2, Berlin 1841, S. 48-49.
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