6. An Hrn. Joh. El. Schlegel, Prof. in Soroe

[49] Freund, nur ein Geist, regiert von edlen Trieben,

Kennt und verdient das Glück vergnügt zu lieben.

Das fühlt kein Sinn, von wilder Lust entbrannt,

Nicht, dessen Herz um Gold zu Kaufe stand,

Nicht, der die Treu aus Trägheit nie gebrochen,

Die Frau nur nahm zum Waschen und zum Kochen:

Nur der genau den Werth des Reizes schätzt,

Und zärtlich fühlt, wenn ihn der Reiz ergötzt,

Weiß, welche Lust ein menschlich Herz entzücket,

Das durch sein Glück ein ander Herz beglücket,

Lust, die uns mehr als Gold und Ansehn schenkt,

Kaum weicht sie der, damit der Weise denkt:

Nicht schön genug wird mir ihr Bild gelingen,

Du, der sie fühlt, du kannst sie nur besingen.


Quelle:
Abraham Gotthelf Kästner: Gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Theil 1 und 2, Teil 2, Berlin 1841, S. 49.
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