Bei der Musik des Prinzen Louis Ferdinand
1812.

[80] Düste're Harmonieen hör' ich klingen,

Mutig schwellen sie ans volle Herz,

In die Seele fühl' ich sie mir dringen,

Wecken mir den vaterländ'schen Schmerz.

Und mit ihren früh geprüften Schwingen

Kämpfen sie im Sturme himmelwärts;

Doch sie tragen nur ein dunkles Sehnen,

Nicht den Geist aus diesem Land der Thränen.


Allgewaltig hält ihn noch das Leben,

Taucht die Flügel in den styg'schen Fluß.

Es ist nicht der Künste freies Schweben,

Nicht verklärter Geister Weihekuß.[80]

Noch dem Erdgeist ist er preisgegeben,

Mit dem Staube kämpft der Genius,

Reißt er auch im Rausche der Gedanken

Oft sich blutend los aus seinen Schranken.


Dann ergreift ihn ein bacchantisch Wüten,

Wilde Melodieenblitze sprühn,

Aus dem Tode ruft er Strahlenblüten

Und zertritt sie kalt, sobald sie blühn.

Wenn die letzten Funken bleich verglühten,

Hebt er sich noch einmal stolz und kühn

Und versinkt dann mit gewalt'gem Schauren

In den alten Kampf mit dem Centauren.


Wilder Geist! jetzt hast du überwunden!

Deine Nacht verschmilzt in Morgenrot;

Ausgekämpft sind deiner Prüfung Stunden,

Leer der Kelch, den dir das Schicksal bot.

Kunst und Leben hat den Kranz gewunden,

Auf die Locken drückte ihn der Tod.

Deinen Grabstein kann die Zeit zermalmen,

Doch die Lorbeern werden dort zu Palmen.


Und dein Sehnen klagte nicht vergebens:

Einmal ward's in deiner Seele Tag,

Als dein Herz am kühnsten Ziel des Strebens

Kalt und blutend auf der Walstatt lag.

Sterbend löste sich der Sturm des Lebens,

Sterbend löste sich der Harfe Schlag;

Und des Himmels siegverklärte Söhne

Trugen dich ins freie Land der Töne.


Quelle:
Theodor Körner: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1893, S. 80-81.
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