Die Freunde,

an Palemon, nach Herrn Gleims Abreise aus Berlin

(Im Heumonat 1761.)


O du! den mir mein Freund empfahl,

Gold ist nicht meiner Neigung Götze.

Ich rechne meiner Freunde Zahl,

So zähl ich größre Schätze.
[195]

Mir unumtauschbar ist ein Freund!

Mir darf kein Prinz den Fleiß belohnen:

Nur Sulzer werde nie mein Feind;

Ihn gäb ich nicht um Cronen.


Und jenen, der mir aus Berlin

Mehr als Gesänge noch entführte,

Wüßt ich dem Zepter vorzuziehn,

Der eine Welt regierte.


Und diesen, dem Apollo gab

Des Cäsars Dichter nachzuahmen,

Den tauscht mir keine Fürstin ab

Mit dem Durchlauchten Nahmen.


Auf keinen meiner Freunde läßt

Mein Herz den grossen Anspruch fahren.

Sie machen meines Lebens Rest

Zu lauter Jubel-Jahren.
[196]

Und du! so ganz für meine Wahl

Geschaffner Freund! vergönne

Daß ich bey Buchholz und bey Stahl,

Dich als ein Kleinod nenne.


Sechs Freunde! Welch ein Königreich

Giebt seinem Herrscher solch Vergnügen?

Elisabeth ist mir nicht gleich

Wenn Russen vor ihr liegen!


Sie wird gefürchtet, nicht geliebt;

Geehrt, doch nicht um ihrer willen.

Nein! um den Glanz der Sie umgiebt

Und um die Purpur-Hüllen!


Mir bleiben meine Freunde hold

Der Leyer wegen, die ich spiele;

Und weil ich minder für das Gold,

Als für die Freundschaft fühle.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 193-197.
Lizenz:
Kategorien: