Gesang am Geburthstage der Königin

zu Magdeburg den 8ten des Wintermonats 1761.


Von uns herab gewünschet, kommt mit Glanze

Bekleidet, festlich dieser Tag daher:

Im späten Herbst mit frischem Blumen-Cranze

Noch ausgeschmückt ist er.
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Ihm jubelt alles Volk im frohen Geiste

Vereiniget aus einem Munde zu:

Sie lebt, wir wären ohne Sie Verwayste.

Wir sehn noch ohne Ruh


Den König in dem Kriegesfelde liegen,

Ihn bald zurücke rufen Sie und wir;

Er aber bleibt nach Schlachten und nach Siegen

Noch immer fern von Ihr.


Noch ferne von dem Bruder, von der Schwester,

Und weit von Preussens drittem Friederich.

So hebt aus dem Erhabensten der Nester

Ein Adler zornig sich,


Und kämpfet mächtig in der Luft mit dreyen,

Die neidisch wieder ihn verschworen sind,

Und kommt nicht wieder, wenn die Jungen schreyen,

Bis er den Streit gewinnt.
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Dem Held glich Hercul nicht, nicht Alexander.

Bald mit den Köpfen unter sich gekehrt,

Stürzt Er verbundne Adler aus einander,

Zerhauen durch sein Schwerdt.


Sties nicht sein Arm einst mitten in dem Lande

An des zwoköpfigt starken Adlers Klau?

Er hieb sie ab. Der Adler flog mit Schande

Und blutig zu der Frau,


Die, mit drey Cronen prächtig ausgezieret,

Herscht, ihres grossen Geistes voll,

Und von des Krieges Jammer noch gerühret

Im Herzen werden soll.


Dir aber donnern in die Seele Schlachten;

Zum Weinen ward dein Auge noch bewegt,

Wenn grosse Siege deinem Helden brachten

Den Lorbeer, den Er trägt.
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Ihn bringet, unter viel erstritnen Cränzen,

Der goldne Siegeswagen bald zurück;

Und mehr als Sonnenblicke wird dir glänzen

Sein lang entbehrter Blick.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 65-70.
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