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[10] Nun, da diese alten Herrn

Tief im Rausche sanken,

Oben auch von Stern zu Stern

Morgennebel schwanken:

Rücken wir zusammen

Unterm Gartentor.

Jetzt in neue Flammen

Schlägt die Lust empor!


Daß der junge Sonnenball,

Rollt er auf den Hügeln,

Sich im funkelnden Kristall

Fröhlich mag bespiegeln:

Halten wir entgegen

Becher ihm und Glas!

Fließe, goldner Regen,

Glühe, dunkles Naß!


Jungfrau! geh und sieh mir nach

Rings in allen Gärten,

Ob schon viele Rosen wach:

Bring die tauverklärten!

Rosen, Rosen bringe!

Rosenduft soll wehn![10]

Wenn ich trink und singe,

Will ich Blumen sehn!


Horcht! der erste Amselschlag

Schallet aus den Gründen!

Treue Wächter soll der Tag

Freudig in uns finden!

Wer wird denn vermissen

Eine Erdennacht,

Wenn sie sangbeflissen,

Heiter durchgewacht?


Tief ist meiner Freude Born,

Tiefer als das Leiden,

Doch es wacht der rote Zorn

Hell in ihnen beiden!

Darum lasset rinnen

Letztes Glas und Lied:

Zornig uns von hinnen

Nun die Freude zieht!

Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 10-11.
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