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An einen zweiten (Künstler)

[46] Ich sehe dich mit lässig sichrer Hand

Den feinen Nacken einer Göttin schreiben,

Dazu den Hohn um deine Lippen treiben:

»'s ist nichts dahinter!« oder: »eitler Tand!«


Seh dich zuhinterst an der Schenke Wand

Bis Mitternacht bei den Gesellen bleiben;

Dein Schwarzaug sucht dem Witz die breiten Scheiben,

Jedoch dein schöner Mund des Bechers Rand.


Du schlenderst heim, ein leichtes Liedlein pfeifend,

Drückst in die Kissen deine dunkeln Locken,

Indes der Traum dir einen Schwank erzählt.


Zeigt er dir mich, in wachen Träumen schweifend,

Enthusiastisch bei den Büchern hocken? –

Hast du am End den bessern Teil erwählt?


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 46.
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