Nach dem Siege

[111] Laßt rot vor Scham erglühen eure Wangen,

Die ihr mit eurer Reime leerem Beten

Euch anschickt, vor ein tapfres Volk zu treten,

Das eben kommt von Tat und Sieg gegangen!


Des Trommlers Schlegel, die im Wirbel sprangen,

Der rauhste Tagruf gellender Trompeten,

Sie gelten jetzo mehr, ihr Nach-Propheten,

Als all eu'r unnütz eitles Versefangen!


Der letzte schlichte Wächter vor dem Heere,

Der, Treu und Pflicht im Herzen, hat getragen

In kalter Sternennacht die blanke Wehre,


Und jeder, der nur einen Streich geschlagen,

Ist nun ein König von lebend'ger Ehre –

Was soll ihm unser Singen noch und Sagen?

Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 111.
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