Ungemischt

[277] Daß ich nicht ein jedes Atom von Wein

Mit einer Flut von Blödigkeiten büße,

Schenke mir das blühende Gold vom Rhein

Unvermischt in seiner würz'gen Süße!


Deine Augen laß frei von Tränen sein,

Daß die lieblichen Sterne nicht versiegen;

Weich genug droht schon der bläuliche Schein

Wie ein zartes Traumbild zu verfliegen!


Frühlingstage, Stunden der Seligkeit,

Wie sie lind in unsre Seelen rinnen!

Und wir sollten die köstliche Neige Zeit

Mit dem Gedanken der Ewigkeit verdünnen?


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 277-278.
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