23. Kapitel
Von vier Dingen, die wahren inneren Frieden eintragen.

[122] 1. Der Herr: Mein Sohn! jetzt will ich dir den Weg in das Land des Friedens und der wahren Freiheit weisen.

Der Mensch: Mein Herr! tu nach deinem Worte; denn das höre ich am liebsten.

Der Herr: Laß es dir angelegen sein, lieber dem Willen eines anderen als deinem eigenen nachzuleben. Wähle in allem, was vergänglich ist, das Weniger vor dem Mehr. Setze[122] dich lieber unten an, und sei gern untertan. Wünsche und bete immer, daß Gottes Wille in und an dir vollkommen erfüllt werde. Solch ein Mensch setzt seinen Fuß in das Land des Friedens und der Ruhe.

2. Der Mensch: Herr! Deine Rede hat wenig Worte und viel Sinn! Wahrhaftig, deine Lehre ist arm an Wort, aber reich an Sinn und Kraft. Könnte ich diese deine Lehre treu bewahren, so würden Angst und Verwirrung nicht so leicht in mir entstehen. Denn so oft ich Unfrieden und Bedrückung in mir fühle, so oft nehme ich wahr, daß ich dieser deiner Lehre untreu geworden bin. Aber du, der du alles vermagst und Freude daran hast, daß die Menschen besser werden, verstärke die Einflüsse deiner Gnade, daß ich dein Wort erfülle und mein Heil in Sicherheit bringe.

Gebet wider böse Gedanken.

3. Mein Gott und mein Herr! sei du nicht fern von mir! Mein Gott, schau herab auf mich und hilf mir! Denn sieh, allerlei Gedanken haben sich in mir wider mich empört, und vielerlei Furchten belagern meine Seele. Wie werde ich unverletzt durchkommen? Wie werde ich durchbrechen durch so viele, mächtige Feinde?

Der Herr: Ich werde, spricht der Herr (Jes. 45, 2), vor dir hergehen und die Großen der Erde demütigen. Ich werde die Tür des Kerkers auftun und meine letzten Geheimnisse dir offenbaren.

Der Mensch: Tu, o Herr, was du sprichst, und fliehen sollen alle bösen Gedanken vor deinem Angesichte! Das ist meine Hoffnung, mein einziger Trost, daß ich in aller Trübsal zu dir meine Zuflucht nehmen, auf dich vertrauen, dich anrufen, deinen Trost in Geduld erwarten darf.

Gebet um Erleuchtung des Gemüts.

4. Guter Jesus! Erleuchte mich mit dem hellen Strahle deines inneren Lichtes und jage alle Finsternisse aus meinem[123] Herzen. Zäume meine Gedanken, daß sie sich nicht in Torheit verlieren, und töte alle Versuchungen, die mich mit Gewalt bestürmen. Streite für mich und erlege die wilden Tiere, die aufreizenden Begierden. Deine siegende Kraft stelle den Frieden her, damit das Lob deines Namens ertöne und widertöne im heiligen Saale: im reinen Gewissen. Dein Wort gebiete dem Wind und dem Sturm! Sprich zum Meere (Mark. 4, 39): sei ruhig! und zum Nordwinde: schweige! und es wird Ruhe werden.

5. Sende dein Licht und deine Wahrheit herab, und laß sie auf Erden leuchten, denn ich bin ein finsteres Land, wüst und leer, bis du mich erleuchtest! Gieß die Ströme deiner Gnade aus; schütte den Tau des Himmels auf mein Herz, und das heilige Wasser der Andacht durchnetze dies Erdreich, daß es gute, daß es die besten Früchte bringt. Erhebe mein Herz, das von der Last der Sünden niedergedrückt ist, und richte mein ganzes Verlangen zu den himmlischen Gütern empor, damit ich die Seligkeit, die da droben zu Hause ist, vorkoste und im Vorgeschmack des Himmlischen an das Irdische nur mit Widerwillen denke.

6. Zieh mich, reiß mich los von allem flüchtigen Troste, den die Geschöpfe geben. Denn kein Geschöpf kann mein Herz vollkommen befriedigen, kein endliches Gut meinen Hunger nach dem Unendlichen stillen. Vereinige mich mit dir durch das unauflösliche Band der Liebe. Denn an dir allein hat der Liebende genug, und ohne dich ist ihm alles übrige nichts.

Quelle:
Reclams Universal-Bibliothek Nr. 7663, Stuttgart., S. 122-124.
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