Abdel-Kaders Traum

[1] Wolkenloses himmlisches Gewölbe,

Unter mächt'gen Palmen Purpurzelt,

Eine Reiter-Karawane hält,

Auf dem Boden Wüstensand, der gelbe.


Krachend unterirdisches Gewölbe,

Fünfzehnhundert Leichen, tiefentstellt, –

Jede Leiche war ein wackrer Held, –

Speit die Flamme rasselnd aus, die gelbe.


Solch' ein Traumbild Abdelkader grüßte,

Trunken er der Heimat Boden küßte:

»Allah, Allah« – ruft er, – »meine Wüste!«


»Pellissier, Dein fürchterlicher Brand!« –

Plötzlich sich der Held im Traum ermannt,

Seine Blicke trafen Kerkerswand! –

Quelle:
Friederike Kempner: Gedichte. Berlin 81903, S. I1-II2.
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