9. Schäferlied bey dem Kripplein Christi

[253] 1.

Kind bethrene nicht die Augen

noch das rosenfarbne Kin/[253]

das durchträncket meinen Sinn/

Irene/ mir das Blut aussaugen/

Sause liebes Kindelein/

Eja laß das weinen sein.


2.

Schau ich bring dir schöne Kesten

von der warmen Kohlenglut/

Bieren die wie Wachß vnd Blut

angefärbet von dem Westen/

Sause liebes Kindelein

Eja laß das weinen sein.


3.

Schau was ich für Oepffel trage/

die ich jüngsthin selbst gepfropft/

selbsten wider abgeropft/

Da die Sonn trat auf die Wage/

Oepfel die kein Wurm zernagt/

Oepfel die kein Nord geplagt.


4.

Schweig! ich hab in meiner Hütten

Qwendel/ Majoran vnd Kohl/

Mohn/ Lavendel Spick und Pohl/

eingemachte Zuckerqwitten/

Alles sol es deine sein/

schweigest du mein Jesulein.


5.

Ich geb acht im Morgenhüten

wo der Diftelfincke heckt/

wo die Grasemücke steckt/

Wo die Ringeltauben brüten/[254]

Schweig ich gebe dir heraus/

Vater/ Mutter/ Kind und Hauß.


6.

Gestern hab ich außgegangen

ein geschecktes Rehböcklein/

Morgen sol es deine sein/

Morgen wil ichs selber fangen/

Sause liebes Jesulein/

Eja laß das weinen sein.


7.

Schweig ich wil mit Himelsschlüsseln

Majenblümlein/ Gartenklee/

mit den Lilien Silberschnee/

mit Panengen/ Nägleinpüscheln/

und vergüldter Rosmarin

deine Wiegen überziehn.


8.

Fort kan keine Bärentatzen

überfallen in demm Schlaf/

Ein vernunfftberaubtes Schaf/

noch ein säugend Lamm zerkratzen/

Habicht/ Tauben/ Haß und Hund/

Pardel/ Ziegen/ sind ein Bund.


9.

Keine Rüden dörffen bellen/

Kein Dieb keinen schaden thut/

ohne Hirten ohne Hut/

Eitervolle Lämmer schellen/

Nun jhr Schäflein brecht und beist/

kein Wolf euch zu boden reist.[255]


10.

Auff jhr Hirten schneidet Pfeiffen/

köpfet keinen Weidenstrauß/

flechtet keine Hürden drauß/

Lasset eure Heerden schweiffen

biß daß sie die Hitze plagt/

unter einen Yöisch jagt.


11.

Keine blauen Schlangen zischen

Sich verwicklen in den Ring/

Eisenhüttlein/ Wütscherling

sind verbannet auß den Büschen/

Friede güldne zeit verneut/

güldne zeit verneuet Freud.


12.

Balsam tröpftet auß den Rinden/

Honig rauschet durch den Thal/

Zimmer wächset überal

auf den Bergen/ in den Gründen

Friede güldne zeit verneut/

güldne zeit verneuet Freud.


13.

Weg jhr Bauren/ Pflug und Egen/

streuet keinen Samen auß/

füllet euer Garbenhauß/

Ihr dürfft keine Hand anlegen/

Sonder Vnkraut/ Tresp und Dorn/

wächset rein und reifes Korn.


14.

Leselt kältert/ füllt die Fässer/

juch/ jhr Wintzer habt es gut/[256]

selbst gewachsenes Traubenblut/

Trinckt jhr sonder Karst und Messer/

Friede güldne zeit verneut/

güldne zeit verneuet Freud.


15.

Man wird keinen Maulwurf spüren

dessen Schantzen Wiesen frist/

Weitzen der geschöbert ist

wird kein Hamster nicht berühren/

kein Brand/ keine blüten sterbt

Meelthau keine Saat verderbt.


16.

Joche/ Pflugstertz/ Waltzen/ Rechen/

was zum Ackerwerck erdacht/

was das Zugvieh müde macht/

Alles müsset jhr zerbrechen/

Friede güldne zeit verneut/

güldne zeit verneuet Freud.


17.

Auch die Heerd die abgeweidet

schwimmend in dem Badeteich/

Der Waid meng und Sandelreich/

wird mit Purpur außgekleidet/

ja der Ziegenmann der Bock/

trägt einen bunten Rock.


18.

Wie der mit geschelten Stäben

was er weiß getrieben auß/

schwartzbestriemt gebracht zu Hauß/

wenn er jhnen Tranck gegeben/[257]

Sause liebes Kindelein/

Eja/ sause schlaf fein ein.


19.

Ach es schlummert einen Schläfer/

Ach es schleust die Sternlein zu/

schicket sich zur süssen Ruh/

Stille/ stille/ lauter Schäfer.

Sause liebes Kindelein/

Eja/ sause schlaf fein ein.

Quelle:
Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften, Tübingen 1968, S. 253-258.
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