[Heult nicht Nordenwind! der rauhe Felderfeind]

[379] Heult nicht Nordenwind! der rauhe Felderfeind/

Das Goldgestralte Liecht zweymal vier Stunden scheint/

Der Flüsse Strand besteht; wo vor die Segel flogen/

Knirscht ein belastes Rad; der Wald hat außgezogen

Sein grünes Sommerkleid; das nasse Fichtenpferd

Ligt in den Hafen dort; es sitzet üm den Herd

Der brache Schäferman; der Wintzer hat gedekket

Die Fechser/ und der Stock liegt Ellentief verstecket/

Was macht ein Musensohn so manche lange Nachts?

Ein Vers/ den Dunkelheit hat an den Tag gebracht/

Ist dunckel von Geburt! der kan der Kälte lachen/

Der Feuer bey sich hat/ im Fall er pflegt zu machen

Ein Lied/ das geistig ist! durchsucht des Jahres Lauf/

Weil auch ein kalter Wind die Flamme bläset auf/

Die Sinn und Kunst erhitzt; wie mich denn unlängst triebe

Vom Kachelofen weg der freien Freiheit Liebe.

Ich gieng den alten Pfad nicht zwar wie vor im Klee/

Es knarplet unter mir der hartgefrorne Schnee.

In dem fleugt Vater Jaan aus düstrer Winterlufft

Vnd schreyet: hör! hieher! Ich sehe/ wer mir rufft.

Der zwey gestirnte Gott/ stund da mit rohten Ohren

Es war jhm Haar und Bart wie Felsenhart gefroren/

Sein Kleid war durch und durch vor Kälte Kreidenweis/

An seinem Schlüssel hieng ein grosser Zapfen Eis.

Er sprach: wohin? wohin? jetzt ist hier nichts zu schauen/

Jetzt blüht kein Rosenstrauch/ jetzt feyren/ Berg vnd Auen/

Vnd wie die Sage geht/ so freyet Pusch und Wald/

Es buhlet Stamm und Ast/ Kraut/ Wurtzel/ jung und alt

Vm diese Weyhnachtzeit. Wie? wiltu Rosen brechen/

Ich weiß derselben drey/ die kanstu sonder stechen

Abpflükken/ wann du wilt; die hegt ein güldnes Feld

Nechst hohem Purpurglantz in jenem Winterzelt.

Die Farben und die Zahl beloben kluge Sinnen/

Des Glükkes lieben Sohn/ den Schutz der Pierinnen;

Gold ist die Gottesfurcht/ das Liechte Purpurroht

Ein Leben ohne Fehl/ Gedult in Creutz und Noht.

Ich hörte zu: er sprach: es läst sich hier nicht stehen/

Die Lufft schneidt schaurig scharf/ wir wollen vorbaß gehen.

Es ist nicht weit von hier des Gartens Scherbenhaus/

In welchem Flora grünt und lacht den Winter aus.[379]

Die Lorbern falben nicht/ es leuchten Pomerantzen/

Es bleiben unversehrt weithergebrachte Pflantzen.

Hör an und setze dich; der Blumen Ruch verdirbt/

Herr Schmidmayr/ dieser Herr/ und sein Lob nimmer stirbt.

Es war ein schöner Zank alsbald bey seiner Wiegen/

Da ihm ein jeder Gott wolt an der Seiten liegen/

Sie drungen sich üm ihn; Apollo goß ihm ein/

Der süssen Künste Milch/ den klaren Götterwein;

Mars nam ihn auff den Arm und mehrmal ihn beküste/

Frau Swada leget ihn an ihre weisse Brüste/

Er war von Kindheit an mit Götterkost gespeist/

Die Febusvolk ernehrt und von dem Pindus fleust.

Er wuchs sehr lieblich auf/ Verstand kam vor den Jahren/

War jung/ an Klugheit alt/ und reiste nach den Wahren

Der theuren Wissenschaft; Paris der Erden Ruhm/

Die Sittensäugerin/ der Weißheit Eigenthum/

Nam ihn mit Freuden auf/ denn zog er nach der Schulen/

Wo die drey Huldinnen mit dreymal dreyen buhlen/

Des Mavors Dummelplatz/ der Belgen Städte Liecht/

Wo man die Fahnen schwingt/ wo man die Lantzen bricht.

Daher die Pallas noch im gantzen Küris gehet/

Weil ein gelehrter Kopff schön in der Rüstung stehet.

Ein auserlesnes Buch/ ein dummelhafftes Pferd/

Verbrüdern sich gar wol/ sind gleicher Ehren werth.

Der Degen schützet zwar des Helden Leib und Leben/

Doch muß der Federbusch hoch ob den Degen schweben/

Wird der geharnschte Mars der Pallas beygelegt/

Ein Kunstgeübter Sinn/ der Ritterspiele hegt/

Verdoplet Lob und Lust; wie Cæsar Kunst und Kriegen

In einer Stirn gefühlt; die Faust von vielen Siegen

Die hat hernach das Werck selbst zu Papyr gebracht/

Die Feder hat das Schwerd/ diß jenes groß gemacht.

Herr Schmidmayr stirbet nicht/ viel minder seine Gaben/

Die ihn in diesem Stand sehr hoch erhaben haben/

Es ist ja seine Lust ein ritterliches Schwerd/

Der Ball und das Raquet/ ein wolgewandtes Pferd/

Ein blankgezognes Rohr das niemal nicht versaget/

Vnd durch das Kraut das Loht hin in das schwartze jaget/

Ein leichtgefüster Hund/ der manchem Wild nachsetzt

Und/ was er nur erspürt/ durch Strauch und Stauden hetzt/[380]

Bis daß er es erwürgt. Denn zu bequemen Zeiten

Gejaget/ angestelt ein Freundgesintes streiten/

Ist zugelasner Krieg; die kühne Jägerhand

Entzündet Blut und Muht/ schärfft Urthel und Verstand.

Wie liebt er nicht den Herrn/ dem keiner leichtlich gleichet/

Und/ wie man sonsten sagt/ nicht wol das Wasser reichet/

Der viel gelesen hat und list noch täglich viel/

Dem auch die schwerste Frag ein leichtbeliebtes Spiel.

Laß sonsten alles seyn/ wodurch er möchte grünen/

Gedenk an jenes Buch der treflichen Rabbinen/

Das jüngst durch seine Gunst des Tages Liecht erblikt

Und seines Namens Ruhm in alle Welt geschikt.

Was Opitz aufgebracht/ pflegt er mit Lust zu lesen/

Das bey dem Teutschen Volck vom Anfang her gewesen/

Dann ihm nicht unbewust/ daß alles hier vergeht/

Nur ein Poetenfreund und ein Poet besteht.

Ein ausgeputzter Reim und Kunstgebundne Schrifft

Die sind des Todes Tod/ des Gifftes Gegengifft.

Stirbt ein Poetenfreund/ bleibt der Poet nur leben/

So kan er mit dem Vers das Leben wieder geben.

Der Rosen safft vertreibt der schwartzen Gallen Wust/

Ein Vers den Unverstand und gibet Hertzenslust.

Die Rosen stärcken auch das Haubt und schwache Glieder:

Ein aufgeflamter Vers bringt Geist und Stärcke wieder.

Wann jetzt die strenge Lufft streicht über Berg und Thal/

So steht der Rosenstrauch entblösset Blätter kahl:

Die Rosen gelblichroht im kalten Jenner gläntzen/

Ihr bunter Rock der stralt im Hornung und im Lentzen/

Die Rose zeucht den Mund und Augen an sich hin/

Ein Vers die Rose selbst/ Hertz/ Muht und allen Sinn.

Mein gib ihm diß Papyr/ und meinentwegen grüsse/

Sag/ daß ich seine Hand mit Teutscher Treue küsse;

So sagte Vater Jaan/ und kam nicht mehr zu Liecht/

Ich sah dem Alten nach/ er warf mir ins Gesicht

Den hartgebalten Schnee. Weil Ihr dann Künste liebet/

Nemt/ was im Neuen Jahr euch alte Liebe gibet.


E. Wol Edl. Gestr.

Dienstergebener Knecht.

J. Klajus.

Quelle:
Johann Klaj: Redeoratorien und »Lobrede der Teutschen Poeterey«. Tübingen 1965, S. 379-381.
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