Zehnter Auftritt

[439] Der Prinz von Homburg wird vom Rittmeister Stranz mit verbundenen Augen durch das untere Gartengitter aufgeführt. Offizier mit Wache. – In der Ferne hört man Trommeln des Totenmarsches.


DER PRINZ VON HOMBURG.

Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein!

Du strahlst mir, durch die Binde meiner Augen,

Mit Glanz der tausendfachen Sonne zu!

Es wachsen Flügel mir an beiden Schultern,

Durch stille Ätherräume schwingt mein Geist;

Und wie ein Schiff, vom Hauch des Winds entführt,

Die muntre Hafenstadt versinken sieht,

So geht mir dämmernd alles Leben unter:

Jetzt unterscheid ich Farben noch und Formen,

Und jetzt liegt Nebel alles unter mir.


Der Prinz setzt sich auf die Bank, die in der Mitte des Platzes, um die Eiche aufgeschlagen ist; der Rittmeister Stranz enfernt sich von ihm, und sieht nach der Rampe hinauf.


DER PRINZ VON HOMBURG.

Ach, wie die Nachtviole lieblich duftet!

Spürst du es nicht?


Stranz kommt wieder zu ihm zurück.


STRANZ.

Es sind Levkojn und Nelken.

DER PRINZ VON HOMBURG.

Levkojn? – Wie kommen die hierher?

STRANZ.

Ich weiß nicht. –[439]

Es scheint, ein Mädchen hat sie hier gepflanzt.

– Kann ich dir eine Nelke reichen?

DER PRINZ VON HOMBURG.

Lieber! –

Ich will zu Hause sie in Wasser setzen.


Quelle:
Heinrich von Kleist: Werke und Briefe in vier Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1978, S. 439-440.
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