Zweyter Auftritt.

[4] Die Vorigen, und Critik.


CRITIK. Guten Tag. Ey, das sind ja immer Conferenzen! o ihr macht mich nicht blind. Allein laßt euch nur die Lust vergehn. Wir werden schon ein Wort mit einander reden.

APOLLO. Welche Hitze, Critik! Wer hat dich beleidiget? welche menschenfeindliche, deiner unwürdige Mine.

CRITIK. Ja, weil ich es mit der Jungfer Thalia nicht immer halte, weil ich ihren Scherz nicht länger vertragen kann, sondern bloß auf das Gründliche, auf das Ernsthafte denke –[4]

THALIA. Du warst ja sonst meine vertraute Freundin? Warum hast du dich denn so gar erschrecklich geändert?

CRITIK. Höre Sie, Jungfer Thalia! sie thut sich doch erschrecklich viel drauf zu gute, wenn sie einmal einen Einfall hat, über den etwa jemand lächelt. Schau Sie, ich kann auch scherzen. Jungfer, Jungfer! je nu, der Corybantes ist ein ganz feiner artiger Mensch geworden; nicht wahr, Jungfer Thalia?

APOLLO. Schäme dich; niederträchtige Beleidigungen sollen Scherz seyn?

THALIA. Nein, nein, Apollo, das war ein sehr witziger Einfall; Momus ist ein guter Lehrmeister.

CRITIK. Schaut doch einmal! Welche Keckheit!

APOLLO. Weißt du, daß ich der Gott der Künste bin? verehre mich also, und höre –

CRITIK. J nu, die Herrlichkeit wird auch nicht ewig dauern. Der Gott der Künste freylich, auch der Vater – Ey daß doch Orpheus der Calliope, und Linus der platonischen Urania so ähnlich sieht.

APOLLO. Deine Beleidigungen machen mich nicht hitzig, und je unverschämter du bist, je gelaßner will ich seyn. Aber damit du nicht glaubst, daß mir deine Unternehmungen unbewußt sind, so höre mich! Unglückseliges Mädchen, so willst du dich denn Göttern und Menschen verhaßt machen, du, die du so liebenswürdig, so reizend, so gutherzig, so eine angenehme Schwätzerin anfangs warest, da der ganze Parnaß einmüthig beschloß, dich unter uns aufzunehmen, um die Genies einzuführen, die du des Lorbers, des Aufenthalts auf dem Parnasse für würdig erkenntest? Wie vorkommen, wie redlich, wie freudig erfülltest du nicht diese Pflicht, ohne Bosheit, ohne Partheylichkeit. Allein seit dem du meinem und der Musen Feinde, dem Momus, den Zutritt zu dir verstattest hast, seit dem hat sich dein Herz von[5] einem Stolze aufgeschwollen, du bist partheyisch worden, dich peinigt eine elende Eifersucht, die dich erniedrigt, die dir den entsetzlichen Gedanken einflößte, den Parnaß zu erobern, und aus meinen und der Musen Trümmern ein Reich zu errichten, das mit dem ersten Augenblicke der Errichtung auch schon wieder eingestürzet seyn würde, weil deine Anhänger Freunde des Momus, und also ehrsüchtige und boshafte Menschen sind, die ihrem Hochmuthe Freundschaft, Erkenntlichkeit, alle Pflichten, alle Bande der menschlichen Gesellschaft aufopfern. Ach welche Menschen sind itzt deine Freunde! Der wahre Witz hat sie geflohen; ihr Stolz macht sie dessen unfähig. Sie sind dunkel in ihren Reden, gekünstelt in ihrem Styl, affektirt in ihren Wendungen, und erdrücken uns mit einem leeren Wortgepränge; sie schmieden große, und nach ihrem Dünkel neue Worte. Dahin schränken sie den größten Theil ihres Wissens ein. Unglückliche Leute, die sich wegen eines Talents, das sie nicht haben, und das sie doch gern haben möchten, dadurch schadlos halten, daß sie über die schönsten Werke Gift ausschütten, um diese Arten von Künsten herabzusetzen.

CRITIK. Wirst du bald ausgepredigt haben?

APOLLO. Gleich; aber bedenke nur, meine liebste Critik, wie sagtest du Anfangs, da ich dich aufnahm? Der wahre Witz ist einfältig, sanft lächelnd; galant, ohne Schmeichelei, und wenn er spottet, ohne Pasquill, ohne Verläumdung. Er erregt unser Lachen aus dem Grunde unsrer Seele; er ist für alle verständlich, er redet mit Klarheit, und selbst der Unwissende kann ihn verstehn, leicht, lebhaft, zärtlich. Er schöpft seinen Glanz aus dem Schoose der Natur, und er hält sich erst da für gänzlich liebenswürdig, wenn er zugleich das Herz rühren kann. Ach Critick! die Schüler, die du anfangs erzogst, waren nicht boshaft, deßwegen überließ es man ihnen gern, alle Geburten des Witzes zu beurtheilen, ob sie gleich selbst keine, oder doch sehr selten hervorbrachten. Aber was thun sie itzt? Ein neues dramatisches Stück erscheint, welches hoch über die pedantische Wissenschaft der Regeln erhaben ist; es findet Beyfall, man ist entzückt darüber. Deine Schüler, denen der Beyfall in der Seele weh thut, denen der Neid da Herz zernagt, fangen an es zu[6] verschreyen, sie finden Fehler darinne; sie setzen es herab, wo sie nur können. Bedenke doch, meine liebe Critik, wie tief du herabgesunken bist, da deine Schüler anstatt der Federn Schlangen führen, und da sie doch nur das Echo der Zuschauer seyn sollten, welche eigentlich entscheiden.

CRITIK. Nicht wahr, itzo denkest du, du hast etwas recht kluges gesagt? Trotz allen will ich itzo doch damit anfangen, daß ich den grünen Hut gänzlich verbanne. Ich will der Thalia durch den Sinn fahren, wir wollen doch sehn –

APOLLO. Um dir gar keine Ursache zu einiger Beschwerde zu geben, so will ich auch diese Sache untersuchen. Ha, da kömmt, glaube ich, Merkur.


Quelle:
Chr[ristian] G[ottlob] Klemm: Der auf den Parnass versetzte grüne Hut. Wien 1883, S. 4-7.
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