Zweite Scene.


[159] Harlequin mit Pedrilla hinter einem Zwergbaum.


HARLEQUIN. Stek die Violen an Busen, und die Rose gieb ihm mit einer Verbeugung! Mach ihn verliebt, du sollst Königin von Trilinik werden.

PEDRILLA tritt sorgenlos her und singt.

HARLEQUIN verstekt sich.[159]

PRINZ ZED wird sie gewahr. O ihr Götter! welche Erscheinung! Ganz das Ideal meiner Seele, wie aus der Kammer meines Herzens im entzükenden Traum gestohlen!

PEDRILLA thut als erschreke sie, läßt die Rose fallen, als wenn sie entfliehen wollte. Ach!

PRINZ ZED hält sie fest. Fliehe nicht Göttin des Frühlings, denn dies scheinst du zu seyn! Die Röthe deiner Wangen, die helle Sternen deiner Augen haben mich bestrikt! Wer bist du?

PEDRILLA. Ich komme erst vom Land; heiße Pedrilla, Harlequins des Kammerheizers Tochter. Madame Colombine meine Mutter aber spricht anders, und sagt, ich sey zu großen Dingen geboren.

PRINZ ZED. Allerdings, denn du hast das Herz eines Prinzen gefangen.

PEDRILLA. Ey ein Prinz! So sind Sie gar Prinz Seiden-Wurm?

PRINZ ZED. Nein, mein Engel, etwas besser. Ich bin Prinz Zed, und hätt ich eine Krone, ich krönte dein schönes Haupt damit.

PEDRILLA. Er, das würde mir recht wohl gefallen. Also sind Sie Prinz Zed, von dem mir mein Vater erzehlte, daß er so wunderschön sey?

PRINZ ZED. Und du findst es –

PEDRILLA. Allerdings. Sie sind gar zu schön.

PRINZ ZED. O du Engel! du tauchst mich ins Meer der Liebe, ich fürchte zu ersaufen. Er küßt sie.

HARLEQUIN. Nun ists Zeit! – Er kommt hervor.[160] Pedrilla lauft fort. Prinz Zed fürchtet sich, thut als sähe er nichts. Spielen wir unser Schach aus Herr Prinz! – Sie sezen sich in eine Laube und spielen. Ueber eine Weile.

HARLEQUIN. Dummer Streich von mir! Ha, wie er da steht, der unvermögende, nichts thuende, grillenhafte König! Kann bey meinem Verstand! nicht einen Schritt vorwärts, noch rükwärts, so haben Sie ihn in der Beize. Borg ich ihm nun meine Weisheit, und er ist aus der Patsche heraus, so wird er lächlen, und Wunderdinge von sich glauben. Das kommt vom dummen Gebrauch her. Wie mancher braver Kerl, Prinz Zed, steht hier im Bret, der sein Feld besser zu vertheidigen wüßte, und ist in einen armseligen Winkel placirt. Kommt alles von der Einfalt der Menschen her, und dem Mißbrauch, der die Erstgeburt schuf. Für sich. Beiß an, die Angel liegt. – Aber Sie spielen ja selbst, wie Schach König.

PRINZ ZED springt auf. Laß mich ungeschoren mit dem Spiel. Ich schwimme in der Empfindung der Liebe, ich mag treiben was ich will. Ich denke an nichts – O Liebe!

HARLEQUIN. O Narrheit!

PRINZ ZED fährt fort. Die du mit deinem heiligen Feuer mein ganzes Herz erfüllt hast! – Hier stund sie – Waren nicht Violen an ihrem weißen Busen, und stritten mit seiner Frische? Ließ sie diese Rose nicht fallen? Noch Hegt sie da! – O Sünde! gräßliche Sünde am Boden! – Er hebt sie auf, drükt sie an seine Lippen, stekt sie in einen Busen. Hier ruh und erquike! – Ach![161] Harlequin! philosophischer Harlequin! was sind alle andre Empfindungen gegen die Liebe! Still Ruhmbegierde! die du mich antreibst, in den Leichen meiner Brüder, meinen Namen zu verherrlichen!

HARLEQUIN. Er sezt seinen Ruhm in die Zerreißung einer Jungferschaft, wo eins gegen hundert zu wetten ist: Der Geyer hat sie geholt.

PRINZ ZED. Still Wißbegierde, ich leb im Grund aller Dinge, und weiß alles.

HARLEQUIN. Gottlob! er ist ein Wolfianer.

PRINZ ZED. Wandelt Euch alle ihr Triebe meines Herzens! wandelt Euch in das sanfte Wehen der Liebe! Sieh wie jung und schön die Welt um mich ist! O Pedrilla! Pedrilla!

HARLEQUIN. Was Pedrilla?

PRINZ ZED. Ich lieb deine Tochter.

HARLEQUIN. Werde desto besser auf sie Acht geben.

PRINZ ZED. Meine Liebe ist keusch wie die Sonne.

HARLEQUIN. Sie buhlt mit dem ganzen Himmel und allen Pfüzen. Ein ander Bild, wenn Ihr mich einschläfern wollt.

PRINZ ZED. Ich faß mich gar nicht mehr.

HARLEQUIN. Hm – Hm.

PRINZ ZED. Harlequin, wünsch von mir was du willst, du sollst alles haben, denn die Liebe wirft alles weg.

HARLEQUIN. Wenn sie etwas hat.

PRINZ ZED. Wünsch dir Harlequin, ich habe alles. Die Liebe ist keine Bettlerin und auch nicht karg.[162]

HARLEQUIN. Eure Liebe mag ich nicht.

PRINZ ZED. Du kannst sie nicht brauchen. Geb auch keinen Athemzug davon. Meine Schlösser alle.

HARLEQUIN. Ich mag sie nicht. Euren Namen und Stand, wenn ich ihn kriegen könnte.

PRINZ ZED. Da nimm ihn! Ich bin wie der Prinz von Tarent in der Komödie. Geb alle Ansprüche hin. Was kann es dir nutzen?

HARLEQUIN. Herr Prinz, nehmt mir nicht in Uebel. Für sich. Ich muß ihn erst recht probiren. – Ihr macht Eurem Herzen, Stand und Namen Schande. Es ist wahr, es ist etwas köstliches um die Liebe und ihre Triebe. Sie siegt über alle Schwierigkeiten. Schwimmt übers Meer wie Leander. Steigt über hohe Felsen. Sezt über Mauren und Klüfte. Treibt all unsre Kräfte auf, und macht uns unser Leben auf einer Strik-Leiter wagen. Ihr ist nichts zu schwer, wenn sie sagt, ich will, so kann sie.

PRINZ ZED. Allerliebster Harlequin, du mahlst ja wie aus meiner Seele.

HARLEQUIN. Ja, ja, sie rennt in bloße Schwerdter, und scheut keine Gefahr. Für sie giebts keine Schwierigkeit. Aber wenn wir nun all diese mächtige Kräften zum andern Zwek anwendeten, diese Kühnheit, diesen Troz, den sie uns einflößt, nutzten – Herr, so müßten wir damit eine Krone erobern, und wären wir als Hirten-Jungen gebohren.

PRINZ ZED. Mein Schloß Cruma ist dein für diese Beschreibung![163]

HARLEQUIN. Mags nicht. Für sich. Narr ich weiß schon, daß es verschuldet ist, und kein Ziegel dein. – Aber wenn wir nun all diese Kräften anwenden. Tag und Nacht sinnen und arbeiten. Kälte und Hize ausstehen. Das alles um der Liebe willen, was haben wir am Ende davon –

PRINZ ZED. Alles! Alles!

HARLEQUIN kläglich. Ein Weib –

PRINZ ZED. Und was brauch ich mehr als Pedrilla, den Inbegrif aller Glükseligkeit?

HARLEQUIN. Die Euch in wenigen Wochen Ekel und Langeweile anhängt, daß Ihr crepiren möchtet. Mit Eifersucht Euch foltert, daß Ihr plazen möchtet. Und schielt sie nach einem andern, so zerrts Euch auseinander, als zerrißen Euch spanische Hengste. Ihr werdet brummisch wie ein Bär, sie sezt Euch Hörner auf, daß es kracht.

PRINZ ZED. Weiche von mir! Du lästerst die Gottheit!

HARLEQUIN. Gelt! wenn ich Euch die Wahrheit geige. Ich kann aus Erfahrung reden. Aber wenn Ihrs so nehmt – Horcht auf! Ich will Euch Balsam in die Wunde gießen, die ich Eurem empfindlichen Herzen gemacht habe – Braucht Euren Namen und Stand, und zieht die Vorurtheile aus, laßt Euch die Liebe dazu erhizen, dann läßt sich davon reden.

PRINZ ZED. Rede allerliebster Harlequin!

HARLEQUIN. Ihr könnt König werden –

PRINZ ZED. Hab die Erstgeburt nicht, bin appanagirt.[164]

HARLEQUIN. Pfuy Teufel, welch ein Gedanke! Also glaubt Ihr, Ihr seyd schlechter gemacht? Ich meinte, Ihr hättet mehr in meiner Schule profitirt. Wer ist Euer Bruder Seiden-Wurm, der Wicht gegen Euch! Ihr seht einem König gleich und habt die Gaben. Was glaubt Ihr, daß Ihr so an der königlichen Erbfolge hängt? Warum bindet Ihr Euch und das Menschen-Geschlecht, als weil Ihr Euch schwach fühlt, und sie Sclaven sind? Kommt, ich will Euch eine Rede lesen, und Ihr sollt schamroth werden. Fühlt Ihrs aber, so ist Pedrilla Euer. – Für sich. Dummer Bim, ich will dir einen Streich spielen.


Der große König gähnte oft in dieser Scene. Zuma gefiel aber Prinz Zed, er hatte blonde Haare.


Quelle:
Friedrich Maximilian Klinger: Dramatische Jugendwerke. Band 3, Leipzig 1913, S. 159-165.
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