Dritte Szene

[1152] LOUISE tritt auf, tanzend und hüpfend. Guten Morgen Miß! – ja sieh nur liebes Bäschen! habe keine gute Laune. Ein Tag voller Vapeurs. Das ewige Gekeif mit der Tante um die Kavaliers! Es ist nicht zum Ausstehn. »Er macht mir die Cour, Nichte! Er hat mir die zärtlichste Dinge gesagt.« So geht das ewig fort. Ja wenn Lady Kathrin nur bedächte, daß Winter,[1152] Winter, und Frühling, Frühling bliebe, trotz aller unserer Kunst. Haben Miß unruhige Träume gehabt? Was hängst du den Kopf? Was ist dir Kind?

CAROLINE. Nichts, nichts – mein Vater –

LOUISE. Ist er störrisch? Ist er wild? Ja was wollt ihr sagen. Wenn wir nur aus diesem abscheulichen Lande wären. Nach Londen Bäschen! nach Londen! da ist der Ort des Glanzes und der Herrlichkeit. Sieht in Spiegel. Für was bin ich schön hier? Für was dieses blaue, spielende Auge? Ganz Londen würde davon reden. Was nützen mir meine Talente, meine Lektüre, mein Französisch und Italienisch? Herzen zu fangen, das mein ich, wär unser Wesen. Hier! o ich vergehe. Glaub mir, ich laß mich vom ersten Engelländer entführen, der mir gefällt.

CAROLINE. Es ist dein Ernst nicht.

LOUISE. So ganz freilich nicht. Ich bin dir ja gut, und überhaupt bin ich gut, wenn ich nur viele Liebhaber zusammen hab, um meine Gewalt auszuüben. Aber Liebchen, du fühlst selbst, daß wir nicht am Platze sind. Wieviel meinst du, daß ich gegenwärtig Liebhaber zusammen hab?

CAROLINE immer in Träumen.

LOUISE im Gedächtnis mit lebhafter Aktion zusammenzählend. Ich kann ihrer doch nicht mehr als sechse zusammenzählen, weil ich die halben und verscheuchten auslasse. – Silly, der so lang und schwank ist, und immer die Augen fest zuhält, wenn er mit mir redet, als leimte sie mein Blick zusammen. Letzthin stotterte er mir so vor, immer mit geschlossenen Augen, und ich bohrte ihm mittlerweile Esel, die Tante lachte, als wollte sie bersten, daß er's nicht merkte. Und Boyet, der immer und ewig nichts anders sagt als: »Miß! ich liebe Sie!« Just als wenn im Diktionär der Galanterie weiter nichts stünde. Nicht einmal, Miß! ich liebe Sie zärtlich; oder zum Sterben, oder so etwas. Oh, seine Sprache ist so kurz wie seine Finger. Ich kann ihn allenfalls zum Zwergen brauchen, wenn sich einmal ein irrender Ritter hieher verirren sollte. Toby –

CAROLINE. War's nicht ein lieber guter Junge, Carl Bushy?

LOUISE. Ein braver Junge von feurigem Mut und Sinn! – Den Hauptmann Dudley hab ich verbannt Miß! Stell dir einmal vor – ich weiß nicht was der Narr will. Vor einigen Tagen sagte er so recht weise: Wir Frauenzimmer hätten gemeiniglich weit weniger Liebe, handelten mit weit weniger Liebe, als[1153] die Männer, und das wegen unsrer Weiblichkeiten. Was will der ernsthafte Narr damit?

CAROLINE. Ich weiß es nicht.

LOUISE. Weiblichkeiten! denk doch! Weil ich etwa verdrüßlich schien, daß er dir letzthin so was sagte – ich verstund's nicht, aber er sagte es so, und sah so aus, als fühlte er etwas dabei, das ich noch keinem meiner Liebhaber abgemerkt hab. Ich bin nicht neidisch Base, du bist sanft, empfindsam, lieb, gut, ich schön, wild und launisch. – Und denn ist noch Stockley, den ich bloß um mich leide, damit er Miß Tranch nicht mehr besuche, denn die kann ich gar nicht ausstehen. Am Ende narr ich sie doch alle, und spiel sie herum wie der Knabe den Kräusel, ihnen ist doch wohl dabei. Die Liebe muß man nicht kennen, sagt Tantchen, bis man fünfundzwanzig Jahr alt ist, und dann hat's seine Ursachen. Und ich weiß auch nicht was das heißen soll, lieben.

CAROLINE. Du bist glücklich Base, ich weiß es auch nicht; aber –

LOUISE. Wenn sie mich nur amüsieren, mir die Langeweile vertreiben, meine Launen und Kapricen ausführen, ist's schon gut. Aber du weißt was Liebe ist. –

CAROLINE verwirrt. Wie heißen deine Bewunderer?

LOUISE. Ich hör die Tante husten.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1152-1154.
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