[1169] Seekapitän Boyet. Wirt. Vorige.
WIRT. Was befehlen Sie, Mylord!
KAPITÄN. Nichts! Nichts als daß Sie weggehen sollen.
LA FEU sitzt und schreibt in Ekstase.
KAPITÄN zu seinen Leuten. Geht ihr alle beiseit! Kleiner Junge bleib hier! Nu süßer Knabe!
MOHR. Rauher Kapitän, was willst du?
KAPITÄN. Willst du dich noch für mich totschießen lassen?
MOHR. Hier steh ich schon, guter Lord. Du hast mir aber weh getan! Bei den Göttern! Du bist manchmal so toll wie der Tiger, du Seekrebs! – Sieh, auf meinem Rücken liegen Beulen wie meine Faust, harter Lord!
KAPITÄN. Weil ich dich liebhab, Affe!
MOHR seine Stirne küssend. Schinde mich! zieh mir die Haut übern Kopf, wilder Lord! bin dein Junge, bin dein Affe, dein Soley, dein Hund. Sich um ihn schlingend. Hast meinem Vater das Leben und Freiheit gegeben – Kapitän kneipt ihn. O weh, was kneipst du mich!
KAPITÄN. Hab dich lieb. Willst du Kadett sein, Junge?
MOHR. O Lord! Lord! mir einen Degen, und stell dich hinter mich, wenn dein Feind kommt. Guter Lord! Tigertier! toller Lord! mein Blut im Leib hat dich lieb, und klopft unter der Haut.
KAPITÄN. Zuckerrohr von einem Mohrjungen! Willst du Schläge haben?[1169]
MOHR. Willst du geschmeichelt haben? Soll ich deine Wangen streicheln?
KAPITÄN. Hast du die Schiffe gesehen die vorbeisegelten?
MOHR. Ja Lord. Warum wagtest du dich?
KAPITÄN. Nicht zu streichen vor ihnen. Ihnen unter die Nase zu lachen und das letzte wegzukapern.
MOHR. Ach kriegtest doch einen Kanonenschuß, und der Matrose und Soldat tot.
KAPITÄN. Füll meine Pfeife! Wer wird darüber reden? Tot Junge, tot, das ist all nichts. Fürchtst du dich fürm Tod?
MOHR. Wenn du lebst – ja. Ich wollte gern bei dir sein.
KAPITÄN. Jetzt wollen wir's einmal hier versuchen. Der Tod fürcht sich vor mir. Zehen Jahre gefahren und keine Wunde, außer von dem Schurken von Schottländer.
MOHR. Wenn die Mütter und Väter alle kämen, die du kinderlos gemacht hast. –
KAPITÄN. Sanfter Junge! Du taugst für die See nicht. Halt meine Pfeife! Stell mir einen Stuhl unter die Füße! Sieht sich um. He wer ist denn da? Junge, scher mir doch die Leute ein wenig. Du bist so müßig. Ich bitt dich Knabe, zopf den Schläfer dort an der Nase, ich kann niemand schlafen sehn, bis ich ruhig bin. Und der Schreiber dort, der so um sich fährt – plag ihn! Der Mohr zupft Blasius an der Nase. Hält dem La Feu von hinten die Feder, als er eben schreiben will.
LA FEU. Lieblich strahlt dein Auge! – he! he!
BLASIUS. Hm! Flegels alle!
KAPITÄN. Meine Herren, ich wollte Bekanntschaft mit Ihnen machen. Sind Sie von der Armee?
BLASIUS. Nichts bin ich.
Schläft ein.
KAPITÄN. Das ist viel. Und Sie?
LA FEU. Alles, alles.
KAPITÄN. Das ist wenig. Kommen Sie, Herr Alles! wir wollen uns ein wenig baksen, daß meine Gelenke in Ordnung kommen.
Packt ihn an.
LA FEU. O weh, du Zentaur! das ist nichts für die Phantasie – Setzt sich nieder. »Lieblich strahlt dein Auge!« Die dumme Reimen! Auge, lauge, brauche, sauge. »Aus denen Lieb ich sauge.« Ja so –
KAPITÄN. Junge, laß mir keinen Menschen ruhig! und fürchte dich nicht. Je toller du's machst, je besser. Zopf mir den Schläfer, Knabe!
Der Knabe tut's.
[1170]
BLASIUS. Flegel! Esel! Wild! Schlägt um sich. Wild! wenn du nicht ruhig –
MOHR. Einen Schlag! einen Schlag!
KAPITÄN. Wild! mein Herr! Wo ist er? geschwind!
BLASIUS. Was weiß ich?
KAPITÄN. Soviel kann ich Ihnen sagen, entweder Sie sagen mir wo Wild ist, oder Sie machen einen Gang mit mir.
BLASIUS. Lassen Sie mich ruhen, und denn will ich sehen ob mir's beliebt.
KAPITÄN. Beliebt? mein Herr!
BLASIUS. Ja, beliebt! Sie werden doch hören.
KAPITÄN. Das gefällt mir. Ich will zum General ohnedies erst. Hab ein hübsches Schiff mitgebracht. Ich verlaß mich auf Ihr Wort. Gut, daß ich dich find, Sir Wild. Komm Knabe!
MOHR. Ich folge schon.
BLASIUS. Der Hund! Wie führt den der Satan her? Es ist der Schiffskapitän oder der Teufel. Muß doch den Wild aufsuchen. Gönnt mir den Schlaf niemand!
LA FEU. Laß dir doch vorlesen!
BLASIUS. Laß mich!
LA FEU. Das will ich am Fenster singen. Du hast ja Myladies die Promenade versprochen.
BLASIUS. Ich komm vielleicht.
Buchempfehlung
Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.
76 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro