Fünfte Szene

[1172] Garten. Mondschein.

Lady Kathrin und Louise gehen spazieren.


LOUISE. Die Abendluft, liebes Tantchen! Sie husten ja erbärmlich.

KATHRIN. Husten! dummes Ding! husten! – ha! ha! ich bitt dich Kind! o Kind!


Immer dabei hustend.


LOUISE. Was denn?

KATHRIN. Ein schönes Geschenk wenn du erzählst –

LOUISE. Nu daß ich Langeweile habe, kann ich Ihnen sagen, daß mir in meinem Leben keine abgeschmacktere Kerls vorgekommen sind, als die zwei Fremden, kann ich Ihnen wieder sagen.

KATHRIN. Abgeschmackte Kerls? ha! ha! La Feu! der englische süße Mylord La Feu! der Cherub unter den Männern! Ha![1172] Ha! Nichtchen, ein prächtiges Geschenk, wenn du mir ihn preisen hilfst. Setz dich nieder, wir wollen alle seine liebenswürdige Eigenschaften durchgehen, und so die Nacht mit seinem Lobe hinschleichen sehen, und, wenn die Sonne kommt, von neuen anfangen.

LOUISE. Ja der Wild, Tantchen! der Wild! haben Sie ihn gesehen? Ich sah ihn vorhin durch die Büsche schleichen. Der Wild, Tantchen!

KATHRIN. Nicht Wild, La Feu. Hast du seine Augen angesehn?

LOUISE. Sie sind, glaub ich, etwas verdorrt, matt und ausgetrocknet. Glanz und Feuer sah ich wenigstens nicht drinnen.

KATHRIN. Ich bitt dich, sieh jene Sterne an! den Glanz, das Flimmern und seine Augen!

LOUISE. Nu!

KATHRIN. Merkst du nicht was ich sagen will? o er spricht, die Liebe macht Poeten, und die Poeten vergleichen so. Augen Glanz, Sterne Glanz! – und seine Haare!

LOUISE. Wir sind ja noch nicht über seine Augen einig. – Der Blasius hat mich um all meine Munterkeit gebracht mit seiner dummen Langeweile. Hab ich denn schon aufgehört auf die Männer zu wirken?

KATHRIN. Seine Haare, Nichtchen! so blond, so süß blond!

LOUISE. Er trägt ja eine Perücke.

KATHRIN. Eine Perücke? Ha! Ha! Amor in einer Perücke! Wie kannst du nur so wenig aufmerksam bei solchen Schönheiten sein? Nein, dein Geschmack ist der beste nicht.

LOUISE verdrüßlich. So sind sie wenigstens ziegelrot.

KATHRIN. Laß mich allein, du kleiner Eigensinn! und Tante mußt du mich auch nicht immer nennen, wenn ich so in einem Liebesgespräch begriffen bin. Sag lieber: Mylady!

LOUISE. Wo sie denn bleiben, sie versprachen mit uns im Mondschein spazierenzugehen.

KATHRIN. Wart doch nur, La Feu kommt gewiß.

LOUISE. Tantchen! wissen Sie auch daß ich den Wild gesprochen hab? Er kam diesen Gang herauf, und konnte und wollte mir nicht ausweichen. Ich tat ganz fremde, und bat um seinen Namen. Da stotterte er so verwirrt, er hieße Wild, als wär's eine Lüge. Ich habe so meine Gedanken drüber. Und daß er bei Miß Berkley so lange allein war. – Er ist verliebt in sie, bei allen Sternen! verliebt in sie! Er ging so kalt von mir weg, und strich an mir vorbei wie ein rauher Wind.[1173]

KATHRIN. Der Blasius ist verliebt in dich.

LOUISE. Ja der! Wenn wir nur wüßten, wer es wäre der Wild.

KATHRIN. La Feu weiß es gewiß, wir wollen ihn fragen.


Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1172-1174.
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