Dreizehnte Scene.

[139] Ein Marser Hauptmann, der einen losgerissenen Adler trägt, und ein Cherusker Hauptmann.


DER MARSE. Ich habe dem Römer die Todeswunde geworfen, und dieser Cherusker Jüngling hier streitet mir's, daß uns Marsen der Adler zugehöre!

DER CHERUSKER. Hermann, Hermann, o du bester Fürst unsers Volks, der Adler ist unser! Ich rannte dem Träger den Spieß in das Herz!

DER MARSE. Ja, ja, aber viel zu spät, da der Römer schon hinschlummerte, da! Sprich nur nicht viel mehr, du Jüngling, der nur von der Jagd und nicht von der Schlacht sprechen sollte, dieser fürchterlichsten von allen unsern Schlachten. Schweig, sag' ich! Den Marsen, sag' ich, gehört der Adler und nicht den Cheruskern!

BRENNO. Wüthe nicht so, Hauptmann! Siehst du nicht, daß Siegmar hier todt vor uns liegt?

DER MARSE. Ist er todt, so kann er die Schlacht in Walhalla erzählen! Wenn du den Adler deinen Cheruskern zusprichst, Hermann, so eile ich hin und erzähle dort mit Siegmar, erzähle, daß du sehr ungerecht gegen die Marsen gewesen bist!

DER CHERUSKER. O Siegmar, du Krieger, wie Mana war! Dieser Stolzeste, dieser Ungerechteste unter Marsens Jünglingen will mir den Adler nehmen, der dir gehört!

HERMANN. Sprecht mir diesen theuren Namen nicht wieder aus, Jünglinge! Mein Herz blutet, wenn ich ihn[140] höre. Zu dem Marsen. Du warfst die Todeswunde? und hast den Adler?

DER CHERUSKER. Näher bei die Schulter warf er; ich stieß in das Herz! Glück war's und nicht mehr Schnelligkeit, als ich habe, daß er ihn zuerst ergriff. Ich rang ihn dir aus deiner schwächeren Faust, machte mich die Wuth über deine Ungerechtigkeit nicht kraftlos! Bleich, wie die Espe bei den Grabhügeln, ward ich! Du hast es gehört! Sie sagten es laut, die Hauptleute, die um uns her standen! ... Siegmar, Siegmar, der Adler gehört unserm Volke zu!

DER MARSE. Ha, ich habe den Adler, ich hab' ihn! Das ist genug! Sprich du nun von der Todeswunde, bis der Mond untergeht!

HERMANN. Hauptleute, ich freue mich, daß ihr uns mit dieser ungestümen Hitze siegen halft! aber reden müßt ihr anders, sonst kann ich nichts entscheiden, und der Adler wird bei dem Altare niedergelegt, bis ich euch wieder zu mir rufe.

DER MARSE. Verzeih mir's, wenn ich nicht rede, wie ich soll. Aber todt, todt will ich lieber seyn, als den Adler lassen, den ich genommen habe. Deine Cherusker taumeln heute vor Stolz! Was brauchen sie Adler? Sie haben dich!

DER CHERUSKER. Ja, Hermann haben wir, und den habt ihr nicht ...! und der Adler ist auch unser, du wüthender Jüngling! Ich habe den Römer getödtet!

DER MARSE. Du ihn getödtet? O, daß du hingeschlummert wärst, wie er hinschlummerte, da ich ihn tödtete!

HERMANN. Brenno! ... o Brenno! wie würde mir dieser Streit gefallen, wenn ihn der ehrenvolle Greis dort erlebt hätte und ihn entschiede! Jetzt nimmt mein Herz zu wenig Antheil daran. Untersuche du ihn, Brenno.[141]

BRENNO. Hauptleute! Ihr seyd bei dem Altar', und dort ist Siegmar, und hier Hermann! Redet nicht mehr mit einander! Antwortet mir.

DER MARSE. O Priester Wodans! Wenn ich an Dieß alles denken muß, so laß mich zu unserm Fürsten hinuntergehn, aber mit dem Adler! Wenn er ihn den Cheruskern zusenden will ... Er kann thun, was er will, und ich auch, was ich will!

BRENNO. Und was würdest du denn thun?

DER MARSE. Durch Hülfe dieser Lanze, die den Adlerträger mit seinem Todesblute gefärbt hat, hingehn und Wodan und Mana und Siegmar fragen, wessen Forderung gerechter war.

BRENNO. Sank der Römer gleich hin, da du ihn getroffen hattest?

DER MARSE. Er hatte den Adler an den Gürtel befestigt und ließ sich zwischen Sträuchen in das Wasser. Ich warf und sah gleich die Todesblässe in seinem Gesicht.

DER CHERUSKER. Die kam erst, als ich ihm gleich daraus meine Lanze ins Herz stieß. Ich rief gleich: Der Adler ist mein! Denn er war mein! Wir zogen den Römer zugleich aus dem Wasser. Da über unserm Ringen der Gürtel riß, rang mir dieser Marse den Adler aus der Hand, weil ich zu sehr vor Zorn zitterte!

DER MARSE. Meinest du, Brenno, daß ich nicht auch zornig war?

HERMANN. Heb Varus' Schild auf, Thusnelda. Zu dem Cherusker. Lebt dein Vater noch, Hauptmann?

DER CHERUSKER. Er lebt.

HERMANN. Geh zu deinem Vater und sage ihm von mir, daß ihm sein Weib einen edeln Sohn geboren hat! Nimm diesen Schild mit! Er ist dein![142]

DER CHERUSKER. Du hast ein fürchterlich Urtheil gesprochen, o Hermann!

DER MARSE. Dank dir im Namen meines Volks, Gerechtester und Tapferster unsrer Fürsten!

HERMANN. Gib ihm den Schild, Thusnelda. Einige unsrer Kühnsten sind nah dabei gestorben, Hauptmann!

DER CHERUSKER. Ich mag den Schild nicht! Er war nur Varus Stolz und würde nur meiner seyn. Der Adler war der Stolz der ganzen Legion und würde der Stolz unsers ganzen Volks gewesen seyn! Er geht.

HERMANN. Dieser edle Jüngling ist künftig mein Kriegsgefährt! Bewahrt ihm den Schild, Hauptleute!

DER MARSE. Er verdiente von dir, Hermann, und so belohnt zu werden.

THUSNELDA. Ich und meine Jungfrauen bewahren ihm den Schild. Bei dem ersten Brauttanze des Frühlinges soll er ihn nicht verschmähn. Sie gibt ihn einer ihrer Jungfrauen.

DER MARSE. Thusnelda, Belohnerin der Tapfern, ich vertraue dir den Adler an, steige die Klippe hinab und sage meinen Marsen, daß er unser ist.

THUSNELDA. Reich' ihn mir her, Hauptmann! Der Marse geht. Das sind gute Jünglinge, Hermann! Und dieser Adler ist schön. Sieh, wie er schwebt, Hermann!

HERMANN. Ja, Thusnelda! Aber Siegmar sieht ihn nicht! Horst kömmt zurück. Wie ist dir's gegangen, Horst?

HORST. Er liegt unter seinen Turmen! Denn ich hatte Lust zu sterben! Nun weißt du, ich seh' ihn dort wohl, den ich blutig heraufführte; nun weißt du, warum ich Lust zu sterben hatte.[143]

HERMANN. Ach, Horst! Ja, Das ist mein Vater! Doch ich muß mich von diesem bitteren Schmerze losreißen, wenn ich kann. Focht Vala vorn? oder bei den letzten Turmen?


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Sämmtliche Werke. Band 6, Leipzig 1844, S. 139-144.
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