Die Unschuldigen

[175] Immer noch willst du, bittrer Schmerz, mich trüben;

Immer drohst du mir noch aus deiner Wolke,

Kriegserinnrung! Fliehe, versink' in Nacht, du

Böser Gedanke!


Freu' ich vielleicht mich nicht mit heitern Freunden,

Nehme herzlichen Teil an ihrem Lose?

Hörend, wie sie jetzt des Gelungnen froh sind,

Jetzo der Zukunft!


Ruh ich denn nicht am Mahl mit heitern Freunden,

Ruh und schmause das Blatt, wie sie das Rebhuhn?

Sehe, trinke stärkeren Wein, als Pflanzen

Sind, die das Beet nährt?


Stärkeren als der Quelle Trinkerinnen,

Die mit Weine sich kaum die halbe Lippe

Nässen, wenn nicht etwa für ihn die Traube

Reift' an der Marne.


Scheu vor des Rheines alten Kelter, streiten

Sie, nicht scherzend: ob mehr des schnellen Anklangs

Würdig sei der weiße Pokal? ob mehr das

Rötliche Kelchglas?


Aber kein Streit ist über tiefes Schweigen,

Kriegeselend, von dir! Ach, wenn Erinnrung

Deiner mich entheiterte: dann wär ich der

Schuldige, sie nicht,


Müßte, mich selber strafend, mir den Anklang

Mit der Siegerin dann verbieten, der es

In dem heißen Kampf für die schöne Röte

Wäre gelungen.

Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Ausgewählte Werke. München 1962, S. 175-176.
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