Die höheren Stufen

Oft bin ich schon im Traume dort, wo wir länger nicht träumen.

Auf dem Jupiter war, eilet' ich jetzt

In Gefilde, wie sonst niemals mein Auge sah?

Nie Gedanken mir bildeten.


Rings um mich war mehr Anmut, als an dem Wald' und dem Strome

Auf der Erd ist. Auch quoll Feuer herab

Von Gebirgen, doch wars mildere Glut, die sich

Morgenrötlich ins Tal ergoß.
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Wolken schwanden vor mir; und ich sahe lebende Wesen

Sehr verschiedner Gestalt. Jede Gestalt

Wurd' oft anders; es schien, daß sie an Schönheit sich

Übertraf, wenn sie änderte.


Dieser Unsterblichen Leib glich heiteren Düften, aus denen

Sanfter Schimmer sich goß, ähnlich dem Blick

Des, der Wahres erforscht, oder, Erfindung, sich

Deiner seligen Stunde freut.


Manchmal ahmten sie nach Ansichten des Wonnegefildes,

Wenn sie neue Gestalt wurden. Die sank,

Zur Erquickung, auch wohl dann in das Feuer hin,

Das dem Haupte der Berg' entrann.


Sprachen vielleicht die Unsterblichen durch die geänderte Bildung?

War es also; wie viel konnten sie dann

Sagen, welches Gefühl! redeten sie von Gott;

Welcher Freuden Ergießungen!


Forschend betrachtet' ich lang die erhabnen Wesen, die ringsher

Mich umgaben. Itzt stand nah mir ein Geist,

Eingehüllet in Glanz, menschlicher Bildung, sprach

Tönend, wie noch kein Laut mir scholl:


Diese sind Bewohner des Jupiter. Aber es wallen

Drei von ihnen nun bald scheidend hinauf

Zu der Sonne. Denn oft steigen wir Glücklichen

Höher, werden dann glücklicher.


Sprachs, und zwischen den auf und untergehenden Monden

Schwebten die Scheidenden schon freudig empor.

Jener, welcher mit mir redete, folgt'; und ich

Sah erwachend den Abendstern.

Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Werke, Band 1: Der Messias, Berlin [1879].
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