Der Rheinwein

[131] O du, der Traube Sohn, der im Golde blinkt,

Den Freund, sonst Niemand, lad' in die Kühlung ein.

Wir drey sind unser werth, und jener

Deutscheren Zeit, da du, edler Alter,


Noch ungekeltert, aber schon feuriger

Dem Rheine zuhingst, der dich mit auferzog,

Und deiner heissen Berge Füsse

Sorgsam mit grünlicher Woge kühlte.


Jetzt, da dein Rücken bald ein Jahrhundert trägt,

Verdienest du es, dass man den hohen Geist

In dir verstehen lern', und Kato's

Ernstere Tugend von dir entglühe.
[132]

Der Schule Lehrer kennet des Thiers um ihn,

Kennt aller Pflanzen Seele. Der Dichter weiss

So viel nicht; aber seiner Rose

Weibliche Seele, des Weines stärkre,


Den jene kränzt, der flötenden Nachtigall

Erfindungsvolle Seele, die seinen Wein

Mit ihm besingt, die kennt er besser,

Als der Erweis, der von Folgen triefet.


Rheinwein, von ihnen hast du die edelste,

Und bist es würdig, dass du des Deutschen Geist

Nachahmst! bist glühend, nicht aufflammend,

Taumellos, stark, und von leichtem Schaum leer.


Du duftest Balsam, wie mit der Abendluft

Der Würze Blume von dem Gestade dampft,

Dass selbst der Krämer die Gerüche

Athmender trinkt, und nur gleitend fortschift.


Freund, lass die Hall' uns schliessen; der Lebensduft

Verströmet sonst, und etwa ein kluger Mann

Möcht' uns besuchen, breit sich setzen,

Und von der Weisheit wohl gar mit sprechen.
[133]

Nun sind wir sicher. Engere Wissenschaft,

Den hellen Einfall, lehr uns des Alten Geist!

Die Sorgen soll er nicht vertreiben!

Hast du geweinte, geliebte Sorgen,


Lass mich mit dir sie sorgen. Ich weine mit,

Wenn dir ein Freund starb. Nenn ihn. So starb er mir!

Das sprach er noch! nun kam das letzte,

Letzte Verstummen! nun lag er todt da!


Von allem Kummer, welcher des Sterblichen

Kurzsichtig Leben nervenlos niederwirft,

Wärst du, des Freundes Tod! der trübste;

Wär sie nicht auch die Geliebte sterblich!


Doch wenn dich, Jüngling, andere Sorg entflamt,

Und dirs zu heiss wird, dass du der Barden Gang

Im Haine noch nicht gingst, dein Name

Noch unerhöht mit der grossen Fluth fleusst;


So red'! In Weisheit wandelt sich Ehrbegier,

Wählt jene. Thorheit ist es, ein kleines Ziel

Das würdigen, zum Ziel zu machen,

Nach der unsterblichen Schelle laufen!
[134]

Noch viel Verdienst ist übrig. Auf, hab es nur;

Die Welt wirds kennen. Aber das edelste

Ist Tugend! Meisterwerke werden

Sicher unsterblich; die Tugend selten!


Allein sie soll auch Lohn der Unsterblichkeit

Entbehren können. Athme nun auf, und trink.

Wir reden viel noch, eh des Aufgangs

Kühlungen wehen, von grosseu Männern.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 131-135.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Vögel. (Orinthes)

Die Vögel. (Orinthes)

Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon