Friedrich der Fünfte

[87] Welchen König der Gott über die Könige

Mit einweihendem Blick, als er geboren ward,

Sah vom hohen Olymp, dieser wird Menschenfreund

Seyn, und Vater des Vaterlands!


Viel zu theuer durchs Blut blühender Jünglinge,

Und der Mutter und Braut nächtliche Thrän' erkauft,

Lockt mit Silbergetön ihn die Unsterblichkeit

In das eiserne Feld umsonst!


Niemals weint' er am Bild' eines Eroberers,

Seines gleichen zu seyn! Schon da sein menschlich Herz

Kaum zu fühlen begann, war der Eroberer

Für den edleren viel zu klein!
[88]

Aber Thränen nach Ruhm, welcher erhabner ist,

Keines Höflings bedarf, Thränen geliebt zu seyn

Vom glückseligen Volk, weckten den Jüngling oft

In der Stunde der Mitternacht;


Wenn der Säugling im Arm hoffender Mütter schlief,

Einst ein glücklicher Mann! wenn sich des Greises Blick

Sanft in Schlummer verlor, jetzo verjünget ward,

Noch den Vater des Volks zu sehn.


Lange sinnt er ihm nach, welch ein Gedank' es ist:

Gott nachahmen, und selbst Schöpfer des Glückes seyn

Vieler tausend! Er hat eilend die Höh erreicht,

Und entschliesst sich, wie Gott zu seyn!


Wie das ernste Gericht furchtbar die Wage nimt,

Und die Könige wägt, wenn sie gestorben sind,

Also wägt er sich selbst jede der Thaten vor,

Die sein Leben bezeichnen soll!


Ist ein Christ! und belohnt redliche Thaten erst!

Und dann schauet sein Blick lächelnd auf die herab,

Die der Muse sich weihn, welche, mit stiller Kraft

Handelnd, edler die Seele macht!
[89]

Winkt dem stummen Verdienst, das in der Ferne steht!

Durch sein Muster gereizt, lernt es Unsterblichkeit!

Denn er wandelt allein, ohne der Muse Lied,

Sichres Wegs zur Unsterblichkeit!


Die vom Sion herab Gott den Messias singt,

Fromme Sängerin, eil' itzt zu den Höhen hin,

Wo den Königen Lob, besseres Lob ertönt,

Die Nachahmer der Gottheit sind!


Fang den lyrischen Flug stolz mit dem Namen an,

Der oft, lauter getönt, dir um die Saite schwebt;

Singst du einst von dem Glück, welches die gute That

Auf dem freyeren Throne lohnt!


Daniens Friederich ists, welcher mit Blumen dir

Jene Höhen bestreut, die du noch steigen musst!

Er, der König und Christ, wählt dich zur Führerin,

Bald auf Golgatha Gott zu sehn.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 87-90.
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