[6] Wie Gna im Fluge, jugendlich ungestüm,
Und stolz, als reichten mir aus Iduna's Gold
Die Götter, sing' ich meine Freunde
Feyrend in kühnerem Bardenliede.
Willst du zu Strophen werden, o Haingesang?
Willst du gesetzlos, Ossians Schwunge gleich,
Gleich Ullers Tanz auf Meerkrystalle,
Frey aus der Seele des Dichters schweben?
[6]
Die Wasser Hebrus wälzten mit Adlereil
Des Zelten Leyer, welche die Wälder zwang,
Dass sie ihr folgten, die den Felsen
Taumeln, und wandeln aus Wolken lehrte.
So floss der Hebrus. Schattenbesänftiger,
Mit fortgerissen folgte dein fliehend Haupt
Voll Bluts, mit todter Stirn, der Leyer
Hoch im Getöse gestürzter Wogen.
So floss der Waldstrom hin nach dem Ozean!
So fliesst mein Lied auch, stark, und gedankenvoll.
Dess spott' ich, der's mit Klüglingsblicken
Höret, und kalt von der Glosse triefet.
Den segne, Lied, ihn segne bey festlichem
Entgegengehn, mit Freudenbegrüssungen,
Der über Wingolfs hohe Schwelle
Heiter, im Haine gekränzt, hereintritt.
Dein Barde wartet. Liebling der sanften Hlyn,
Wo bliebst du? kömst du von dem begeisternden
Achäerhämus? oder kömst du
Von den unsterblichen sieben Hügeln?
[7]
Wo Scipionen, Flakkus und Tullius,
Urenkel denkend, tönender sprach, und sang,
Wo Maro mit dem Kapitole
Um die Unsterblichkeit muthig zankte!
Voll sichres Stolzes, sah er die Ewigkeit
Des hohen Marmors: Trümmer wirst einst du seyn,
Staub dann, und dann des Sturms Gespiele,
Du Kapitol! und du Gott der Donner!
Wie oder zögerst du von des Albion
Eiland herüber? Liebe sie, Ebert, nur!
Sie sind auch deutsches Stamms, Ursöhne
Jener, die kühn mit der Woge kamen!
Sey mir gegrüsset! Immer gewünscht kömst du,
Wo du auch herkömst, Liebling der sanften Hlyn!
Vom Tybris lieb, sehr lieb vom Hämus!
Lieb von Britanniens stolzem Eiland,
Allein geliebter, wenn du voll Vaterlands
Aus jenen Hainen kömst, wo der Barden Chor
Mit Braga singet, wo die Telyn
Tönt zu dem Fluge des deutschen Liedes.
[8]
Da kömst du jetzt her, hast aus dem Mimer schon
Die geistervolle silberne Flut geschöpft!
Schon glänzt die Trunkenheit des Quells dir,
Ebert, aus hellem entzücktem Auge.
»Wohin beschworst du, Dichter, den Folgenden?
Was trank? was seh ich? Bautest du wieder auf
Tanfana? oder, wie am Dirce
Mauren Amphion, Walhalla's Tempel?«
Die ganze Lenzflur streute mein Genius,
Der unsern Freunden rufet, damit wir uns
Hier in des Wingolf lichten Hallen
Unter dem Flügel der Freud' umarmen.
Buchempfehlung
Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.
48 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro