Hemis und Telon

[123] Mach, Apoll, dass mein Lied, bat Hemis opfernd dem Gotte,

Gleich dem Bilde Pigmalions sey:

Dass es die Kunst verberge, doch nicht dem beschauenden Richter:

Dieser suche sie, finde sie schnell.

O dann rolle der stolze Rapsod' es zusammen, und sage

Achselzuckend, es sey nicht für ihn.

(Artemis, trif den Rapsoden, den gleich Vergänglichheit ahndet;

Weigert sich seinem Ton ein Gedicht.)

Mache, Phöbus Apoll, dass mein Lied, bat Telon am Altar,

Gleich dem Mädchen Pigmalions sey,

Da verwandelt der Marmor nun war, die Wang' ihm entglühte,

Da die Ader ihm schlug, und das Herz![124]

Dass der Hörer, wie er beseelt, des Spühens vergesse

Nach der Kunst, und so den Genuss

Ganz geniesse! Doch brent ihn des Suchens Durst; so entdeck' er

Selten gefundene, tiefere Kunst.

Stille herschte, nach Hemis Gebet, um die schattenden Lorber;

Aber nach Telons, rauschte der Hain.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 123-125.
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