Achzehnter Brief.

An des Herrn Commerzienraths Müller Hochedelgebohren.

[169] Amsterdam den 29sten Julius 1770.


Ew. Hochedelgebohren habe eine überaus angenehme Nachricht zu ertheilen. Die Aussöhnung mit dem Herrn von der Hörde ist, zu unser Aller herzlichen Freude, glücklich zu Stande gebracht, als wozu ich aufrichtigst gratuliere.

Es liesen mich nemlich gestern früh die Frau Liebste zu sich bestellen, und fand ich Dieselben in der That in sehr schwächlichem Gesundheitszustande, im Bette liegend.

Wir hatten nicht lange zusammen von den vorwaltenden Umständen geredet, als[169] sich der Herr Graf von Haxstädt melden liessen, auch sogleich Entree bekamen.

»Ich komme mit fröhliger Bothschaft, Madame!« sagten der Herr Graf, und erzählten uns hierauf, wie der alte Banquier von der Hörde endlich nachgegeben und versprochen habe, Dero vielgeehrte Jungfer Tochter für seine Frau Schwiegertochter zu erkennen, seinem Herrn Sohn zu verzeyhen, und absolut alle odiosa zu vergeben und zu vergessen.

Ich kann in der That sagen, daß dies das erstemal war, wo ich die Frau Commerzienräthinn attendrirt und bewegt gesehen habe. Würklich standen derselben die Thränen in den Augen, und sagten sie diese bedenklichen Worte: »Ach Herr Graf!« sagten sie »wie viel Dank bin ich Ihnen nicht schuldig! Nun darf ich doch wieder vor rechtlichen Leuten die Augen aufschlagen. Aber, wer weiß, wie lange ich diese[170] Freude geniessen werde? denn ich fühle mich sehr schwach.«

Es dauerte nicht lange; so kam, zu meiner großen Verwunderung, der alte von der Hörde auch, und bezeugte sich so freundlich, als ich wahrlich nicht geglaubt hätte, daß er seyn könnte. Er verehrte der Frau Liebsten eine Schnupstobacksdose von versteinertem Holze mit Gold eingefaßt, und bath uns Alle auf den Mittag zu einem delicaten Gericht Fische zum Essen, welche Partie wir denn auch annahmen, wovon aber leider! die Frau Commerzienräthin nicht profitieren konnten.

Ich bedaure, daß hier bekennen muß, daß mir besagte Gesundheitsumstände sehr bedenklich vorkommen, obgleich die Freude über die glückliche Aussöhnung, der Frau Liebsten einige Erleichterung verschaft hatte.[171]

Ew. Hochedelgebohren, meinem hochgeehrtesten Freunde, habe diesen angenehmen Vorgang zu melden, nicht verfehlen wollen, wie solches der Herr Graf wohl in Mehrerem thun werden; Der ich übrigens mich und die Meinigen zu beharrlicher Wohlgewogenheit empfehle, verharrend,


Deroselben

dienstwilliger treuer Diener

J. Lescow.[172]

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 2, Riga 1781–1783, S. 169-173.
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