Vier und zwanzigster Brief.

An den Freyherrn von Leidthal in Urfstädt.

[203] Wetzlar den 14ten September 1770.


Herzlich wünschte ich, Ihnen bester Herr! gute Nachrichten mitbringen zu können, aber – ich habe deren nicht. Ihre Sache wird in acht Tagen entschieden seyn, (das weiß ich aus sicherer Hand) und leider! zu Ihrem Nachtheil entschieden seyn; Sie müßten denn, ehe die Nachricht davon an Ihre Gegenpartey kömmt, durch einen Vergleich vorzubauen suchen.

Deswegen schreibe ich eilig diese Zeilen. Ich werde auch den 20sten von hier zu Ihnen zurückreisen, und mein ganzes Herz[203] blutet, wenn ich überlege, wie wenig ich Ihnen hier habe nützlich seyn können.

Ich sage Ihnen diese Nachricht so geradeweg, ohne Umschweife. Ein Mann von Ihrem Geiste läßt sich durch kein Schicksal niederschlagen, und wer weiß, ob nicht noch durch den Vergleich ein Theil zu retten ist – Gott gebe es! – Ich leide gewiß unaussprechlich, so oft ich daran denke, daß Sie den Circul der guten Menschen in Urfstädt verlassen sollten, die noch um Sie her, sich Ihrer Wohlthaten freuen, und nun – ihren Schutzengel aus ihren Armen gerissen sehn müßten – Nein! das kann nicht geschehen, muß nicht geschehen.

Der Gedanke an Ihr Schicksal, mein gnädiger Herr! macht mich gegen meine eigenen häuslichen Begebenheiten fühllos – Meine Tochter ist wieder in Amsterdam – Meine Frau ist schwerlich krank – Mein ältester Sohn im Begriff zu heyrathen –[204] Aber ich kann fast nur an Sie denken; Meine Wünsche, Gelübde und Plane sind nur dem edlen Manne gewidmet, für den mein Herz ewig von der reinsten Ehrerbiethung voll seyn wird, mit welcher ich verharre,


Ihr

treu ergebenster Diener

Müller.[205]

Quelle:
Knigge, Adolph Freiherr von: Der Roman meines Lebens, in Briefen herausgegeben. 4 Teile, Teil 2, Riga 1781–1783, S. 203-206.
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