4.

[353] Die Dankbarkeit ist ein Gefühl, welches das Herz veredelt und bessert, wohlthätig für den, der empfängt, wie für den, welcher giebt. Man empfindet eine reine Wonne, bey dem Anblicke eines Geschöpfs, das durch uns froh und glücklich ist; man vergißt eigne Leiden über das Bewußtseyn, die Wohlfahrt Andrer befördert zu haben. Ein edler Stolz, der sich auf unsre Kraft und auf die Wichtigkeit und Nützlichkeit ihrer Anwendung gründet, entschädigt uns für Mühe, Anstrengung und Verdruß. Wir lieben unser eignes Werk, fühlen uns hingezogen zu einem Wesen, das uns seine bessere[353] Existenz verdankt und zu Allen, denen wir noch ähnliche Wohlthaten erzeigen können. Der aber, welcher uns sein Glück verdankt, gewinnt auch dadurch die Welt lieb, in der es ihm wohlgeht, in welcher es so dienstfertige Menschen giebt. Er wird geneigt, auch Andern Gutes zu erweisen, nachdem er es empfunden hat, wie angenehm es ist, sich nicht vergebens nach fremder Hülfe zu sehnen. Der Undankbare hingegen, der keinen Sinn für das Gute hat, das Gott und Menschen ihm erweisen, wird feindselig, misgünstig und hart. Ihn ärgert die Freude, die Andre empfinden, weil keine Heiterkeit in sein Herz kömmt; er glaubt niemand nichts schuldig zu seyn, weil niemand seine unendlichen Forderungen befriedigt.

Quelle:
Adolph Freiherr von Knigge: Ueber Eigennutz und Undank. Leipzig 1796, S. 353-354.
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