Der 1. Absatz.

Von der Erden.

[25] Man pflegt zwar öffters nach gemeiner Redens-Arth die Welt und die Erden / oder den Erdboden für eines zu nennen / als wie man sagt in der gantzen Welt / auf dem gantzen Erdboden ist dises oder jenes nicht zu finden etc. Aber es ist nicht recht oder eigentlich geredt: dann das Wort Welt will ein vil mehrers sagen /es schliesset Himmel und Erden / ja alle leibliche und unleibliche Creaturen in sich / da hingegen durch die Erden nur das unterste aus den vier Elementen zu verstehen ist / ein sehr grosse / truckne[25] / schwer und dicke oder veste Erd-Kugel.2 Sie wird von den Lateinern Terra genannt / nehmlich à terendo vom tretten /weilen sie die Thier und Menschen immer mit Füssen tretten: auch Tellus à tollendo vom nemmen: weilen wir die Gewächs und Früchten von ihr nemmen: wiederum humus à humiditate das ist / von der Feuchtigkeit / nicht zwar von der eignen / indem sie an ihr selbsten gantz trocken ist / sondern weil sie immerdar von dem Meer / von den Flüssen und Regen benetzt und angefeuchtet wird.

Die Erden ist das nothwendigste / schönste / reichist oder fruchtbarste und freygebigste Element. Das nothwendigste ist sie / weilen ohne sie ja weder die Thier noch Menschen bestehen kunnten. Das schönste ist sie / weilen sie mit unzahlbaren Berg und Thälern Wälder und Feldern / Blum-Bäum- und Kräuteren gezieret ist. Das reichiste ist sie / weilen sie so viel tausend Früchten und Gewächs / ja auch kostbare Mineralia, als Gold / Silber und Edel-Gestein / auskochet /und herfür bringt.3 Das freygebigste Element ist sie /weil sie uns die Wohnung / Nahrung und Kleyder /nicht nur zur Nothdurfft / sondern auch zur Lustbarkeit verschaffet.

Billich ist sie derowegen von denen Alten genennt worden Alma Mater ein allgemeine liebe und gütige Mutter: unser allgemeine gütige Mutter ist sie nicht nur weilen GOtt unsern ersten Vatter Adam in dem Paradeyß dem Leib nach aus der Erden gestaltet hat /sondern auch weil sie uns in ihr Schooß aufnimmt /sobald wir gebohren seynd / erhält und ernährt / so lang wir leben / und wiederum dem Leib nach versorgt / wann wir gestorben seynd.4

Es pflegten die Alte vor Zeiten die Erden in Gestalt oder durch die Bildnuß einer ansehnlichen Matron vorzustellen / welche mit gedörnten Cronen geziert ware / sie legten ihr Löwen unter die Füß / und begleiteten sie mit Haanen / etwann ihre Stärcke alles zu übertragen / und ihr Wachtbarkeit allen Vorsehung zu thun dardurch anzuzeigen: Einen Schlüssel gaben sie ihr in die Hand / weilen sie sich im Winter gleichsam versperrt / im Sommer aber wiederum aufthut / die Früchten herfür zu geben: Sie setzten sie auf einen Wagen / und führten sie mit einem Tympano oder Heer-Trummel stegreich herum / ihre Fuhrleuth endlichen trugen blose Schwerdter in ihren Händen / anzuzeigen daß man ein Stuck Erdens zu erobern und zu behaupten offtermahl kriegen und streiten thue.5

In sittlichem Verstand kan füglich die Christlich Catholische Kirch mit der Erden in vielen Dingen verglichen werden.6 Dann erstlich / gleichwie die Erden das nothwendigste / schönste / fruchtbariste und freygebigste Element ist / also ist die Catholische Kirch die nothwendigste / schönste / fruchtbariste und freygebigste Religion. Die nothwendigste zwar / verstehe zur Seeligkeit / die weilen ausser diser niemand zum ewigen Leben gelangen kan. Impossibile est sine fide placere Deo,7 wie der Apostel bezeuget / Ohne Glauben ists ohnmöglich GOtt gefallen.

Sie ist gleich der Arch Noe / ausser welcher niemand dem allgemeinen Untergang des Sünd-Flusses entronnen ist. Sie ist derjenige wahre Schaaf-Stall / in welchem Christus der himmlische Seelen-Hirt seine auserwählte Schäfflein versammlet. Die schönste ist sie nach Zeugnuß des Göttlichen Munds selber, tota pulchra es amica mea, & macula non est in te.8 Du bist ganz schön meine Freundin und kein Mackel ist an dir. Schön ist sie / und über die Massen geziert / mit allerhand Geschmuck und Kleinodien / mit den schönsten Blumen und Kräuteren / das ist / mit den herrlichisten Tugenden und Vollkommenheiten ihrer Glaubigen.9 Sie ist auch die reichist- und fruchtbarste / sie besitzet unendliche Schätz und Güter / nemblich die unendliche Verdienst Christi / den kostbaren Werth seines Bluts unserer Erlösung / die allmögende Fürbitt der Heiligen / die Mittel unseres Heyls und Brunnen der Gnaden / die heylwerthe Sacramenta: krafft deren bringt sie die edliste und unzahlbare Früchten[26] herfür der reichlichisten Verdiensten / der herrlichisten Buß- und Tugend-Wercken etc. Sie ist endlichen auch die freygebigste / sie theilet reichlich mit / und ohne Vergelt ihre geistliche und weltliche Güter / indem sie ihre Kinder die geistliche und leibliche Werck der Barmhertzigkeit so sorgsam lehret. Sie ist wahrhafftig Alma Mater, ein allgemeine gütige und liebreiche Mutter: Sie nimmt uns auf in ihre Schoos so bald wir durch den Heil. Tauff zu dem Leben der Gnaden widergebohren seynd: Sie ernähret uns mit der Speiß der Englen / und mit dem Brod des Wort GOttes / der Christlichen Lehr: auch wan wir gestorben seynd / tragt sie fleißig Sorg für uns / biß daß wir in das himmlische Vatterland übersetzt werden.

Gleichwie die Erden zugleich ein Frau und ein Magd aller Menschen ist: Eine Frau zwar wegen ihrem Ansehen und Reichthum / und weilen wir alle ihrer höchstens bedürfftig seynd: Eine Magd aber /weilen sie allen dienet / sich allen unter die Füß würffet / und mit ihr nach Belieben lasset umgehen.10 Gleichwie sie alles mit Gedult annimbt und übertraget / den Hagel und die ungestümme Platz-Regen so wohl als das angenehme Thau und lieblichen Sonnenschein: ja je mehr die Erden mit s.v. stinckendem Mist beladen wird / je mehr sie mit dem Pflug durchschnitten / mit Hauen und Schauflen geschlagen und gestossen wird / je mehr und bessere Früchten bringt sie herfür / und verbleibt allzeit unbeweglich und unveränderlich in ihrem alten Stand.

Eben also ist die Catholische Kirch eine Frau / ja ein mächtige Königin / und arme Dienst-Magd zugleich.11 Ein Frau zwar wegen dem Gewalt / den sie in der Person des H. Apostels Petri zu binden und aufzulösen empfangen / weil sie uns zu gebieten hat /und weil sie eine Braut des Königs der Himmlen ist.12 Ein arme Magd aber ist sie wegen freywilliger Verachtung der zeitlichen Güter / wegen der Demuth und Gedult / mit welcher sie allen zu dienen / und alles zu übertragen pflegt. Ja jemehr sie verschmächt /verfolgt und angefochten wird / jemehr floriert und grünet sie / je mehr und schönere Früchten der Tugenden / Verdienst und guten Wercken bringet sie herfür / und bleibt allzeit unbeweglich / weilen sie nemblich auf einen vesten Felsen gegründet ist: allzeit unveränderlich in der Treu gegen GOtt / in der Lieb gegen den Menschen / in der Heiligkeit der Sitten / und in Reinigkeit der Lehr.

Die Erden ist an ihr selbsten ein gantz dürres und trocknes / kaltes und finsteres Element: aber sie wird öffters von fruchtbarem Regen und annehmlichem Himmels-Thau benetzt und angefeuchtet / auch von den kräfftigen Sonnen-Strahlen erwärmet.13 Eben also die Catholische Kirch ist zwar dürr und trocken wegen Abgang und Ausschlagung der eitlen Freuden /und zeitlichem Wollust: Sie ist dunckel wegen der Dunckle des Glaubens: kalt / sie hat gar kein Hitz böser Begirden / eines Zornmuths oder Eyfersucht und dergleichen: aber eben darum wird sie mit häuffigem Gnaden-Regen / mit himmlischem Thau des wahren innerlichen Trosts begossen / eben darum wird sie von denen hitzigen Strahlen der Göttlichen Gnaden-Sonn erwärmet / erleuchtet und entzündet. Der Erdboden ist an sich selber hart und rauch / er ist von dem bitteren Meer-Wasser umbgeben / und in dem Winter scheint er gantz erarmet zu seyn / da er doch vil Gold und Silber Edelgestein etc. in sich verborgen hat. Auch die Catholische Kirch ist hart und rauh / wegen der rauhen Lebens-Art / und strengen Bußwercken / so ihre Glaubige üben / sie wird umgeben von dem bitteren Gewässer der vielfältigen Trübsaal und Widerwärtigkeiten die sie auszustehen hat: Sie ist dem äuserlichen Ansehen nach schlecht und gering / pusillus grex, aber omnis gloria filiæ Regis ab intus.14 All ihr Zierd und Schönheit ist innerlich. Sie schliesset in sich das Gold der Liebe / das Silber der Reinigkeit / und die Edelgestein der gottseeligen und tugendsamen Seelen etc. sie ist begütert[27] mit denjenigen Reichthumen / von welchen uns der Pabst Gregorius M. meldet: Fratres, si divites esse cupitis veras divitias amate:15 Wann ihr verlanget reich zu seyn / so liebet die wahre Reichthumen; das ist die unzergängliche Schätz der Seelen / der Gnad und der Glori.

Endlichen gleichwie die gröste Zierd und Reichthum deß Erdbodens in den lieben Früchten / und dem edlen Wein-Stock bestehet / also ist in der Catholischen Kirchen nichts bessers und nichts vortrefflichers als der Waizen / der Auserwählten / und der Wein so Jungfrauen zeuget. Quid enim bonum ejus, & quid jucundum ejus, nisi frumentum electorum & vinum germinans Virgines?16 das ist der Leib und das Blut Christi JESU / mit welchem die Catholische Kirch ihre Glaubige dem Geist nach ernähret und zum ewigen Leben erhaltet.

Ferners kan das Element der Erden auch mit dem menschlichen Hertzen verglichen werden / und zwar ein frommes Hertz mit einer guten / ein böses aber mit einer schlimmen Erden.17 Dann diese Gleichnuß gibt uns Christus der HErr selbsten in dem Heil. Evangelio / da er sagt: das Wort GOttes sey ein Saamen / welcher in gutes oder böses Hertz / als in eine gute oder böse Erden geworffen wird.18

Gleichwie nun der Saamen / wann er in ein gar zu trockne und dirre / in ein harte und felsichte / Erden geworffen wird / verdorret und nicht aufgehet / oder hingegen verfaulet / wann er in ein gar zu nasse Erden ausgesprenget wird / also wann das Hertz des Menschen hart dirr und trocken ist / wann es kein Safft der Andacht und Tugend hat / oder wann es gar zu feucht und naß ist / gleichsam in Wollüsten schwimmet /und mit zeitlichen Gütern überschwemmet ist / da kan das Wort GOttes / so als ein Saamen darein gesprengt wird / nicht aufgehen und nicht fruchten.

Die Erden ist ein vestes unbewegliches Element /so dick und tieff / daß sie nicht leicht kan zertheilt oder durchschnitten werde. Eben also lasset sich das harte Hertz eines verstockten Sünders nicht bewegen und nicht durchtringen weder von den Predigern /noch Beicht-Vättern / weder durch äuserlichen Zuspruch / noch durch innerliche Einsprechungen /weder auch durch Göttliche Verheissungen / oder auch Betrohungen / weder durch Straf noch Gutthaten. Die Erden ist schwer und tringet immerdar abwerts / sie ist am weitesten unter den Elementen von dem Himmel entfernet: sie verschluckt und ziehet viel Wasser an sich. Auch ein sündiges Hertz ist schwer /und zihlet immerdar abwerts / durch die Lieb zum irrdischen: Es ist gar weit von GOTT und dem Himmel entfernet: Es ziehet die Wasser der Wollüst- und Reichthumen mit grosser Begierd an sich.

Der Erdboden bringt zwar viel gut- und süsse Früchten / viel kräfftig- und gesunde Kräuter / aber auch nicht wenig ungesunde und schädliche Früchten herfür. Eben also das Menschliche Hertz bringt viel gute und verdienstliche / viel Buß- und Tugend-Werck / aber auch viel schädliche und straffmässige /viel Sünd und Laster herfür. De corde exeunt cogitationes malæ, homicidia, adulteria, furta etc.19 Aus dem Hertzen kommen arge Gedancken / Mord /Ehebruch / Unkeuschheit / Diebereyen / falsche Zeugnuß und Lästerung. Die Erden tragt / erhält /und ernährt fromme und gottlose Menschen / nutzlich und zahme / schädliche und wilde / ja gifftige Thier Kroten und Schlangen etc. auch das Hertz des Menschen / nachdem es beschaffen ist / ziglet und erhaltet / bald gut und löbliche / bald sündhafft und straffmäßige Begierden / Affect und Anschläg etc.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 25-28.
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