Der 2. Absatz.

Von dem Hagel.

[64] Auch der Hagel wird in dem Lufft oder in denen Wolcken aus kalten feuchten Dämpffen gezeuget / und ist nichts anders als ein gefrorner Regen / indeme die Regen-Tropffen in würcklichem herabfallen durch die Kälte in grössere oder kleinere Körner zusammen gefrieren. Der Hagel ist schädlich / er zerschlagt und beschädiget die Blühe und Früchten auf dem Feld / und an denen Bäumen / wie auch die Trauben an dem Reb-Stock etc. er fallet öffters bey Tag als bey Nacht: sein Gestalt ist gemeiniglich rund als wie die grosse Erbis / öffters auch eckig / und so groß als ein Hasel-Nuß / oder gar wie ein Hennen-Ey / wie geschehen ist zu Grätz in Steurmarck Anno 1588. In Francken-Land aber Anno 1678. seynd neben dem Hagel auch gantze Stücker Eiß grösser als ein Hand aus dem Lufft herab gefallen. Nachdem nehmlich das Wasser häuffiger von den Wolcken ausfliesset / und von einer hefftigen Kälte mehr oder minder zusammen gehet /ehe daß es in viel kleine Theil oder Tropffen zertheilt wird.

Es werden offtermahl Haar / Spän Scherben /Stroh-Hälm und dergleichen mit dem Hagel vermischt / oder[64] mit demselben eingefroren gefunden: welches nicht gleich einer Zauberey zu zuschreiben ist / sonder wohl natürlicher weiß geschehen mag; da nehmlich dergleichen Ding mit starcken Erd-Dämpffen vermischt samt denenselben in den Lufft aufgezogen werden / oder von einem hefftigen Wind anderstwo hergeführt mit denen Regen-Tropffen eingefroren.

Es wird von einigen ungewöhnlichen Hagel-Wettern gelesen / welche zweifels ohne aus absonderlicher Verordnung GOttes etwas übernatürliches gewesen seynd zur Straff oder zum Schrecken der Menschen. Als zur Zeit des verstockten Königs Pharaonis / welchem GOTT durch den Moysen getrohet hat /sprechend: Ich will einen sehr grossen Hagel regnen lassen / dergleichen in Egypten nicht gewesen ist.15 Widerum zur Zeit deß Kaysers Valentis in Constantinopel ist ein unerhört grosser Hagel gefallen / der Ursachen / wie billich geglaubt worden / weil so viel gottseelige Priester / benandtlich der Heilige Joannes Chrysostomus ungerechter Weiß ins Elend verwiesen worden.

Aber noch greulicher hat es gehaglet / als Rom von dem Alarico eingenommen worden / daß es Stein geworffen / welche etliche Pfund schwer waren.16 Endlich am allerärgsten An. 1395. in Nordischen Landen / da es Hagel-Stein geben / auf welchen menschliche Angesichter zu sehen waren / und zwar die Mannliche mit Bärten / die weibliche aber mit Schleyern bedeckt. Die Hagel-Stein aber so zu Cremona 1240. gefallen seynd / hatten die Figur des Creutzes / und das Angesicht Christi in sich: in der Grösse waren sie einer Nuß groß wie Nauclerus Zahan und andere melden.17

In sittlichem Verstand wird durch den Hagel Zwitracht und Uneinigkeit / Zanck und Hader beditten /dann gleichwie der Hagel herkommet von kalten Feuchtigkeiten / welche durch die äuserliche oder umstehende Hitz in das innerste der Wolcken getrieben werden / allwo sie durch die Kälte wiederum zusammen gehen und verharten / also wann die böse Anmuthungen durch die Hitz des Zorns / des Geitzes / der Hoffart etc. in die Hertzen so an der Liebe GOttes und des Nächsten gantz erkaltet / ja durch die Boßheit gantz erfroren und verhartet seynd / getrieben werden / und allda verharten / da gibt es einen Hagel ab / das ist / einen Zanck und Hader / man streitet und zancket um das Gut und Geld / um die Ehr und Vorzug / um Land und Leuth etc. da wird erfüllet was geschrieben steht: à petrosa ira plenæ mittentur grandines.18 Von dem harten Zorn werden viel Hagel-Stein fallen. Ich verstehe die Hagel-Stein des Schänden und Schmähens / des Fluchen- und Schwörens / des Rauffen und Schlagens etc. Der Hagel fallt gehlingen und mit einer Hefftigkeit oder Ungestümme / er macht ein Geräusch in dem Lufft / und wann er groß ist / so schlagt er hart / was er antrifft / ja er verletzt auch die Thier und Menschen. Eben also / die dem Zanck und Hader ergeben seynd / brechen gehlingen aus wegen jedem schlechten Ding: Sie thun mit ihrer Ungestümme einen grossen Tumult und Unruhe in dem Hauß oder in der Gemeind erwecken: Sie treffen und beschädigen bald diesen bald jenen / mit ihrem bösen Maul und bißigen Zungen. Der Hagel / wie gemeldt /fallet öffters bey dem Tag als bey der Nacht / glaublichen darumb / weilen die Wolcken zu Nachts niederer und näher bey der Erden seynd / als bey dem Tag und folgends die herab fallende Wasser-Tropffen im Lufft nicht so geschwind gefrieren und zu Hagel werden. Gleichfalls der Zanck und Hader Zwitracht und Uneinigkeit begibt sich öffters an dem Tag der zeitlichen Wohlfahrt / und Glückseeligkeit / als in der Nacht der Trübsal und Armseeligkeit: öffters unter denen Reichen und Adelichen als Armen und Verachten / weilen nehmlich diese demüthig / und niderträchtig seynd und folgends nicht viel haben um was sie streiten /und zancken können / weder Geld im Beutel / weder Ruhmsucht im Hertzen. Sie lassen sich mit einem Stuck[65] Brodt / einfältigem Kleid und schlechter Wohnung vergnügen und befriedigen / wo andern gantze Herrschafften nicht erklecken: ja immer darum ein mehrers zu zancken / und anderen das ihrige streittig zu machen / Anlaß geben / wie es der Weltweise Aristoteles und Seneca austrucklich bezeugen: dann jener sagt: Nobilitas generis, & divitiæ principia & fontes sunt seditionum.19 Der Adel des Geschlechts und die Reichthumen seynd die Bronnen-Quell und der Ursprung der Aufruhren. Dieser aber quietissimam, vitam agerent homines in terra, si hæc duo verba à natura omnium rerum tollerentur.20 Meum & Tuum. Die Menschen wurden ganz ruhig auf der Welt leben / wann das mein und dein nirgends wäre. Aber der schädliche Hagel des Zancken und Haderens schlagt überall ein.21. Schon zwischen dem Cain und dem Abel / zwischen den Hirten Abraham und Loths / zwischen dem Esau und Jacob / dem Jacob und Laban / dem Saul und David / ja auch zwischen den Jüngeren Christi / dem Paulum und Barnabam hat es Streit und Zwitracht abgeben.

Bey Erbauung des Hauß Gottes / des prächtigen Tempels zu Jerusalem ist kein eintziger Hammer-Streich ja gar kein Eisen gehört worden (dann die Stein waren schon alle vorher zubereitet) aber jetziger Zeit ist schier kein Hauß und kein Häußlein / wo nicht zum öfftern das Zanck-Eisen und die Hammer-Streich / ja Hagel-Streich des Haderens gehöret werden.22 Auch der unschuldige Joseph hat in seines Vatters Hauß von seinen zänckischen Brüdern kein gutes / und friedliches Wort haben können / sondern sie haben immerdar mit ihm zancken wollen / non poterant ei quidquam pacificè loqui:23 Und dieses Hader- oder Hagel-Wetter hat endlich so übel ausgeschlagen / daß sie sich entschlossen haben / ihne gar ums Leben zu bringen / obwohlen GOTT dieses durch eine absonderliche Vorsichtigkeit hat abgewendet.

Der grosse Freund GOttes der Prophet Moyses ware der sanfftmüthigste Mann von der Welt / und dannoch zanckten die Israeliter öffters starck mit ihm. Damahls ware der Abgang des Wassers in der Wüste daran schuldig: aber heutiges Tags ist zum öfftern nicht der Mangel des Wassers / sondern der Uberfluß des Weins und Biers in dem Wirths-Hauß am Zancken und Haderen schuldig / das Sauffen macht Rauffen / Haglen und schlagen.24 Der Leim mit welchem die Schreiner / oder Küstler umgehen / vereiniget leichtlich also zwey Bretter zusammen / daß mans für eines ansihet / wann sie aber lang an einem feuchten Orth seynd / oder gar zu naß werden / da gehen sie von einander und werden entzweyt. Eben also seynd offt zwey gute Freund also einig und einträchtig / daß es scheint als wann sie nur ein Hertz und nur einen Sinn hätten: aber wann sie zu offt und zu lang in einem feuchten Orth / ich verstehe in dem Wirths-Hauß beysammen sitzen / wann sie vom Wein oder Bier gar zu starck genetzt werden / da lasset der Leim ihrer Freundschafft / ihre Gemüther werden zerspalten / und gehen von einander / es gibt Spän ab / das ist Zwitracht und Uneinigkeit ab / es gibt Zanck und Hader / Rauffen und Schlagen ab.

Der Heil. Franciscus Seraphicus wollte niemahl in die Stadt Arezo gehen / weilen ein grosser Zanck und Streit unter denselben Burger- und Innwohnern ware /welche sehr wider einander verbittert waren: O wie viel weniger wird Christus / der ein friedsamer König / ein Fürst des Friedens ist mit seiner Gnad in die Hertzen eingehen / in welchen Zwytracht und Uneinigkeit regiert! Der Heil. Franciscus hat mit Augen gesehen / wie daß zwey Teuffel in leiblicher Gestalt auf dem offentlichen Platz unter denen Leuthen herum gelauffen / und sie zur Uneinigkeit zum Zancken und Streiten haben angehetzt und aufgestifft: aber was da einmahl sichbarlich geschehen ist / das geschieht anderstwo tausendfältig unsichbarlich; massen nicht nur die Fürsten und König in[66] dem Feld mit denen Waffen um Land und Leuth streitten / sondern auch die junge Knaben auf der Gassen um Glucker und Nussen rauffen und schlagen / auch die alte Weiber auf dem Acker / und in dem Kraut-Garten einander mit Ruben und Häptlein bombardieren / oder gar mit einer Bürde Schlüssel in der Hand attaquiren.25

Aber wo kommt es doch her / daß so manchesmahl der Hagel des Zanck und Haders / wo nicht die Fenster gar einschlaget / doch bey denen unfriedlichen Ehe-Leuthen blaue Fenster machet? die Ursachen seynd unterschiedlich: doch thun zum öfftern die böse Mäuler / und bißige Zungen einen solchen Hagel-Regen ausspeyen. Sermo durus suscitat furorem.26 Ein hartes Wort richtet Grimmen an. Und wiederum: Labia stulti immiscent se rixis & os ejus jurgia provocat.27 Die Leffsen des Narren kommen in Zanck / und sein Mund ringet nach Hader / sagt der weise Salomon.28 Hierdurch aber gewinnet man eben das / was jener Löw und Bär gewonnen haben /welche / als sie ein junges Kitzlein auf der Hayd zugleich angetroffen haben / und ein jeder dieses gute Bißlein für sich allein behaupten wollte / da wurden sie sehr uneins / und raufften so lang und hart miteinander / biß daß sie beyde gantz Krafftloß zu Boden fielen / welches der Fuchs von weitem sehend / ihme zu Nutzen gemacht / das Kitzlein alleinig angriffen /und aufgefressen hat. Eben so viel haben mit Zancken gewonnen zwey hungerige Tropffen / welche um einen Hafen voll Bettler-Suppen eyfrig gestritten /und hitzig geraufft haben / der dritte entzwischen wollte bey diesem Duell keinen Secundanten abgeben / sonder bediente sich der guten Gelegenheit / machte die Suppen beut / und lieffe darmit auf und davon: denen streitenden Partheyen aber bliebe nichts übrig als die truckne Faust-grosse Brocken / die sie selbst einander in das Maul gegeben haben. Also wahr ist jenes Lateinische Sprüchwort:


Duobus litigantibus gaudet tertius.


Wann zwey miteinander zancken /

Hat der dritt dem Glück zu dancken.


Aber auf was Weiß kan und soll man sich vor dem so schädlichen Hagel des Zanck und Haders hüten und schützen? Antwort: erstlich soll man gedencken /daß mit einem minderen zancken und streitten schändlich seye / mit einem gleichen gefährlich / und mit einem mehr- oder stärckeren unsinnig. Das andere Mittel gibt uns an die Hand das Buch der weisen Sprüch: Verbum dulce multiplicat amicos.29 Ein süsse Red oder gutes Wort macht viel Freund /und stillet die Feind. Das dritte Mittel heißt. Si iram non potes vincere, tempera etc. Wann du den Zorn nicht gäntzlich kanst überwinden / so mäßige ihn gleichwohl. Fuge, tace, schweig still / oder gehe davon / so hast du rühmlich obgesiget.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 64-67.
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