Der 1. Absatz.

Von den Aermen.

[223] Die Aerm seynd die stärckiste Glieder des menschlichen Leibs / sie müssen auch die meiste und stärckiste Arbeit verrichten im Heben und Tragen / im Kämpffen und Ringen / im Schlagen und Werffen / im Beschützen und Angreiffen etc. sie beschirmen die andere Glieder / absonderlich das Haupt / wann ihm eine Gefahr bevorstehet / oder ein Streich darauf geführet wird.1 Ja manchesmahl erretten sie den Menschen aus der Todts-Gefahr / und erhalten ihne beym Leben.

Ein Arm aber theilt sich aus in die Schulter oder Achslen / in den Elenbogen / in den vorderen Theil des Arms / und in die Händ. Die erste Biegung des Arms geschieht bey der Achsel / die andere bey dem Elenbogen / und die dritte bey der Hand. Seine Bewegungen verrichtet er vermög neunerley Musculorum oder Mäußlein / krafft deren er sich in die Höhe hebt /oder herab lasset / für sich oder hinter sich / rechtwärts oder linckwärts sich beweget etc. Er enthaltet auch in sich starcke Bein und Nerven / so ihne zum Arbeiten tauglich machen: und zur Gesundheit des gantzen Leibs lasset er ihme die Ader öffnen / und gibt das überflüßige Blut reichlich her.

In sittlichem Verstand ist der Sohn GOttes der Arm des himmlischen Vatters / durch welchen dieser alles würcket / wie geschrieben stehet in dem Evangelio: Fecit potentiam in brachio suo:2 Er hat Gewalt erzeigt mit seinem Arm. Und wiederum / wie der Psalmist spricht: In brachio virtutis tuæ dispersisti inimicos tuos:3 Du zerstreuest deine Feind mit deinem starcken Arm. Der Arm dependiret oder hanget ab von der Achsel / und bestehet in zwey starcken Gebeinen: Und der Sohn GOttes dependirt von dem himmlischen Vatter / und bestehet in der Göttlichen und menschlichen Natur: jene ist starck in dem Würcken /und diese in dem Leyden. Dieser Göttliche Arm strecket sich aus bald die Gottlose zu straffen: In manu forti, & brachio, & furore effuso regnabo super vos, dicit Dominus: Ich will mit starcker Hand / und ausgestrecktem Arm / und mit ausgeschüttem Grimmen über sie regieren. Bald seine Glaubige zu erlösen / gleichwie der menschliche Arm sich ausstrecket in der Aderläß / und das Blut herauß lasset zum Heyl / oder zur Gesundheit des Leibs. Also hat sich Christus ausgestreckt an dem H. Creutz / und sein Blut vergossen für das menschliche Geschlecht: wie abermahl der Psalmist sagt: Redemisti in brachio tuo populum tuum:4 Du hast dein Volck erlöset durch deinen Arm. Bald die Schwache zu beschützen / gleichwie ihr kleines Kind die Mutter in ihren Armen beschützet: Portabam eos in brachiis meis:5 Ich truge sie auf meinen Armen / sagt der HErr. Zu diesem allmächtigen Arm sollen wir mit den Worten des Propheten ruffen: Esto brachium nostrum in mane:6 Seye unser Arm zu Morgens /und unser Heyl zur Zeit der Trübsaal.[223]

Ferners kan geistlicher Weiß durch die Aerm verstanden werden der menschliche Gewalt: und zwar durch den rechten Arm der geistliche Gewalt / die geistliche Jurisdiction, durch den lincken aber die weltliche: dann / gleichwie die Aerm den Leib umfangen / für ihn arbeiten / und ihne beschützen vor allem widrigen Anfall / also solle die geistliche und weltliche Obrigkeit / vermög ihres habenden Gewalts / den sittlichen Leib der Communität oder des gemeinen Wesens umgeben / versorgen und beschützen / auf daß sie mit Wahrheit zu GOTT und diesen Aermen sprechen könne: Posuisti ut arcum æreum brachia mea:7 Du hast meine Aerm wie ein stählinen Bogen gerüstet.

Die geist- und weltliche Obrigkeit solle ihre Untergebne umfangen mit denen starcken Aermen der Lieb und Vorsichtigkeit / der Gerechtigkeit und Barmhertzigkeit. Die Aerm arbeiten einhellig und helffen einander getreulich in Versorgung und Beschützung des Leibs: Eben also solle die geistlich- und weltliche Obrigkeit zusammen sehen / und das Heyl / das Beste der Unterthanen einhellig beförderen. Wiederum /gleichwie die Aerm nutz- und tauglich seynd zum Tragen / zum Erheben / Umfangen / zum Abhalten /Angreiffen / Arbeiten etc. also sollen die geistlich-und weltliche Obere ihre Macht und Stärcke anwenden / die Schwache zu übertragen / die Demüthige zu erhöhen / die Nutzliche zu umfangen / die Schädliche abzutreiben / die Feind zu bezwingen / und denen Freunden Gutes zu erweisen.

Die Aerm setzen sich offtermahl williglich in Gefahr / und lassen sich gern verwunden / damit der übrige Leib / absonderlich das Haupt / unverletzt verbleibe / als gegen welchem sie eine absonderliche Ehrentbietung und Danckbarkeit erzeigen / weilen sie von ihm die Kräfften und Bewegnuß empfangen.

Auch die Vorgesetzte und Obere sollen sich nicht scheuen noch weigeren etwas zu leyden / und ein Ungemach auszustehen / wann es die Noth und das Beste des gemeinen Wesens erforderet. Absonderlich sollen sie sich danckbar und ehrerbietig erweisen gegen ihrem höchsten Oberhaupt / das ist Christo dem HErrn / von welchem sie all ihren Gewalt und Anse hen empfangen haben: für dessen Ehr sollen sie all ihre Kräfften anspannen / ihr Gut und Blut / wann es die Noth erforderet / aufopfferen.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 223-224.
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