Anhang.

Zu den Händ und Fingeren. Von den Finger-Ringen.

[228] Ein uralter Brauch / und schon in dem Alten Testament übliche Gewohnheit ware es / guldene Finger-Ring an der Hand zu tragen: doch ist dieses von rechtswegen nur denen Freygebohrnen / nicht aber denen Leibeignen erlaubt.39 Schon der Egyptische König Pharao / als er den keuschen Joseph zu seinem Stadthalter oder Vice-König über gantz Egypten[228] bestellte / da hat er den Ring von seinem Finger genommen / und denselben dem Joseph zum Zeichen des ihme ertheilten Gewalts an die Hand gesteckt.40 Auch der König Assuerus übergabe einem aus seinen fürnehmsten Hoffherren dem Aman seinen gewohnlichen Petschir-Ring: tulit Rex annulum de manu sua, & dedit illum Aman etc.41 auf daß er im Namen des Königs die Brief oder geschriebne Befehl darmit obsigniren solte.42 Deßgleichen der König Nabuchodonosor / als er den Propheten Daniel in die Löwen-Grub hat eingesperrt / da druckte er mit seinem Petschir-Ring ein Sigill auf das Schloß der Gruben / welches seine Ministri oder Hoffherren gleichfalls thun müßten.

Mittelst der Zeit aber hat die Gewohnheit Finger-Ring zu tragen also zugenommen / daß / wie Plutarchus glaubwürdig schreibt / der Carthaginensische Feldherr Hanibal, als er in einer Feld-Schlacht die Römer überwunden / von denen erschlagenen Soldaten vierthalb Metzen lauter Finger-Ring erbeutet hat /welche er seinen Oberherren zu Carthago überschickt / damit sie darauß ersehen möchten / was für ein grosse Victori er erhalten habe.

Ja auch jener Evangelische Hauß-Vatter / als er seinen verlohrnen Sohn wiederum zuruck bekommen /da hat er unter anderen Freudens-Zeichen befohlen: date annulum in manu ejus,43 man soll ihme einen Ring an die Hand stecken.

Der König Pyrrhus hatte einen Ring / in welchem ein Edelgestein / auf deme der Gott Apollo mit der Cythern / und die 9. Musæ mit ihren Insignien gar zierlich und deutlich von der Natur eingeprägt oder abgebildet waren.44

Der Kayser Octavianus truge des grossen Alexanders Bildnuß im Edelgestein seines Finger-Rings für das Muster oder Vorbild seiner Regierung / sich darbey erinnerend / daß er nicht weniger klug und tapffer seyn solle / als jener gewesen ist.

Carolus V. aber der Römische Kayser hatte einen Ring / in welchem an statt des Edelgesteins ein überaus kleines und kunstreiches Uhrlein eingesetzt war /welches alle Stunden ordentlich anzeigte.

Heliogabalus truge ein solche Freud und Neigung zu kostbaren Finger-Ringen / daß er alle Tag das Jahr hindurch andere und neue an die Finger steckte.

Sehr denck- und sehenswürdig waren jene 4. guldene / mit Edelgestein versetzte Ring / welche Pabst Innocentius der III. Richardo dem König in Engelland samt einem Hand-Brief von sittlicher Auslegung hat zugesendet. Der Innhalt des aus dem Lateinischen in das Teutsche übersetzten Schreibens ist folgender:


Dem Durchleuchtigen König in Engelland.


Unter anderen irrdischen Schätzen ist nichts / nach dem die sterbliche Augen mehr und grösseres Verlangen tragen / nichts / das sie mehr lieben / dann Gold und Edelgestein.45 Ob nun aber schon die Königliche Hochheit an diesen und dergleichen Reichthumen einen Uberfluß hat / kan ich gleichwohl nicht umgehen / vier guldene / mit verschiedenen köstlichen Steinen versetzte Ring zum Zeichen der Lieb und Gnad deiner Hochheit zu übersenden / mittelst welcher wir suchen / daß du so wohl die Form als Anzahl / wie nicht weniger die Materi und Farb geistlicher Weiß annemmen und verstehen / vilmehr das Geheimnuß /dann die Schanckung selbsten ansehen und bedencken wöllest. Allermassen die runde Form die Ewigkeit /welche weder Anfang noch End hat / anzeigt und bedeutet: hat solchem nach die Königliche Klugheit /was sie in Form und Gestalt des Rings suchen und betrachten solle / damit selbige von dem Irrdischen zum Himmlischen / von diesem Zeitlichen zu dem Ewigen aufsteigen und sich erheben möge.

Belangend die Zahl / weil sie vierecket / bedeutet solche die Beständigkeit des Gemüths / welche weder in Widerwärtigkeiten verzagen / noch im[229] Glück sich erheben / vilmehr zu Erhaltung dessen mit den vier Haupt- und Cardinal-Tugenden / nemlich der Gerechtigkeit / Stärcke / Weißheit und Mäßigkeit (welche die rechte und eigentliche Elementen der Fürsten seynd) sich zieren und schmucken sollen.

So magst du dann bey dem ersten Ring verstehen die Gerechtigkeit / die du in Gerichts-Händlen üben: bey dem anderen die Stärcke / die du in Widerwärtigkeiten erzeigen: bey dem dritten die Weißheit / die du in zweifelhafftigen Sachen beobachten: bey dem vierdten die Mäßigkeit / die du bey allem Wohlergehen nicht fahren lassen sollest.

Durch das Gold aber wird verstanden die Weißheit / weilen selbige alle Gaben / wie das Gold andere Metall übertrifft nach Zeugnuß des Prophetens / der saget: ober ihme wird bleiben und ruhen der Geist der Weißheit / weilen selbige alle Gaben / wie das Gold andere Metall / und des Verstands übertrifft. Nichts ist / das ein König mehr haben und besitzen solle: wie dann der Ursachen jener friedsame König Salomon einzig von GOtt die Weißheit begehret hat / um sein ihm anvertrautes Volck vorsichtiglich zu regieren.

So bedeutet noch über das die grüne Farb des Smaragds den Glauben: die Haitere des Saphirs die Hoffnung: die Röthe des Granats die Liebe: die Helle des Topacii die Würckung: von welcher der HERR spricht: Euer Liecht solle leuchten vor den Menschen / auf daß sie eure gute Werck sehen / und loben euren Vatter / der in den Himmlen ist. So hast du dann in dem Smaragd was du glaubest: in dem Saphir was du hoffest: in dem Granat was du liebest: in dem Topacio was du übest: von der Tugend zur Tugend aufsteigest / biß du gleichwohl GOtt aller Götter in Sion sehen mögest. Geben zu Rom bey St. Peter den 29. May 1198.

Zu wünschen wäre / daß alle König und Fürsten diese 4. Ring aus der Schatz-Kammer Richardi entlehnten / selbe an ihre Finger steckten / und sich darbey in allem ihrem Thun und Lassen der obgemeldten 4. recht fürstlichen Tugenden erinnerten und beflissen.

Ubrigens ist der Gebrauch und die Bedeutung der Finger-Ringen unterschidlich: Es geschieht vil Gutes und auch vil Böses vermittelst derselben / nachdem sie nemlich wohl angewendet / oder übel mißbraucht werden.46 Bald braucht man sie aus eitler Hoffarth den Leib darmit zu schmucken und aufzubutzen. Bald steckt man sie an den Finger / zum Zeichen der Treu und Liebe / bevorab der ehlichen Treu und Lieb zwischen denen neuangehenden Eheleuten: deßwegen auch die Braut und der Bräutigam gemeiniglich einander einen Finger-Ring zu geben pflegen / und dardurch zur künfftigen Ehe sich verpfänden / welcher dann wohl mag genennet werden annulus fidei, ein Treu-Ring / sie dardurch zu erinneren / daß sie einander sollen Treu und Glauben halten / unzertrennlich und unabsönderlich biß in den Tod; dann ein Ring haltet vest zusammen / was er umgibt / und in sich schliesset. Disem Brauch ist auch der himmlische Bräutigam Christus JEsus selber nachkommen /indem er zu Zeiten sichtbarlicher Weiß erschienen /und einer absonderlichen lieb- und getreuen Dienerin einen Ring an den Finger gesteckt hat / und sich mit ihr gleichsam vermählet.47 Also ist begegnet der H. Jungfrauen und Martyrin Catharinæ Alexandrinæ, und Agneti. Eben dergleichen Gnad hat ein Heil. Robertus und Edmundus von der seeligisten Jungfrauen Maria empfangen.

Wiederum pflegt man die Ring zu tragen zum beständigen Angedencken einer abwesenden geliebten Person / oder zur Erinnerung eines gewissen Dings: und diese pflegt man Denck-Ring zu nennen.48 Einen solchen Denck-Ring hat auch in sittlichem Verstand der himmlische Gesponß seiner geistlichen Braut in den hohen Liederen an die Hand gesteckt / oder vielmehr tieff ins Hertz hinein gedrucket / da er zu ihr gesprochen hat: Pone me ut signaculum super cor tuum, ut signaculum[230] super brachium tuum:49 Drucke mich wie ein Petschafft auf dein Hertz und auf deinen Arm / meiner niemahl zu vergessen.

Man steckt gemeiniglich die Braut- und Denck-Ring an den vierten Finger / weilen von demselben ein Aederlein biß zum Hertzen gehen solle / dardurch anzudeuten / daß man die jenige Person oder Sach /dero der Ring ein Angedencken ist / wohl zu Hertzen nemmen und zu Gemüth führen solle. Einen solchen Denck-Ring will ich hiemit all und jeden geist- und weltlichen / hoch- und niederen Stands-Personen / mit allschuldigem Respect an den Finger stecken / auf daß sie fleißig ingedenck seyen / und sich öffters erinneren dessen / was er ihnen andeutet. Der Ring aber / weil er Circul-rund ist / und folgends weder einen Anfang noch End hat / bedeutet so wohl die glückseelige als unglückseelige Ewigkeit: Derowegen macht der H. Paulus und der H. Pabst Gregorius eine Umschrifft auf diesen Ring / indem dieser sagt: Momentaneum quod delectat, æternum quod cruciat: Augenblicklich ist / was unzuläßlicher Weiß erlustiget / hingegen ewig / was peiniget.50 Jener aber: Momentaneum & leve tribulationis æternum gloriæ pondus in nobis operatur: Unser jetzige Trübsaal / die zeitlich und leicht ist / schafft eine ewige und über alle Maaß wichtige Herrlichkeit in uns.

Ja weilen die Finger-Ring denen verliebten Personen vor anderen angenehm und eigenthumlich seynd /so will ich auch diesen einen besonderen Denck-Ring mit folgender Umschrifft præsentiren:


Quidquid amas, prudenter ames, moderatus amando.


Alles was du liebst / mit Bhutsamkeit

Lieb / mit Maaß und Bscheidenheit.


Es sollen die Alte vor Zeiten nicht nur Edelgestein /sondern auch Gifft in die Finger-Ring eingeschlossen haben / um auf allen Fall selbes gleich hinein schlucken zu können / wann sie etwan lebendig in die Händ ihrer Feinden / und in ein grosses Unglück etc. gerathen solten. Aber der obgemeldte Denck-Ring der Ewigkeit haltet gewiß kein Gifft in sich / sondern vilmehr vertreibt er das Sünden-Gifft von dem Hertzen /nach Zeugnuß des weisen Spruchs: In all deinen Wercken gedenck an deine letzte Ding / so wirst du nimmermehr sündigen.51

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 228-231.
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