Der 3. Absatz.

Von der Lungel, Leber und Miltz.

[271] Die Lungel ist ein Werckzeug der Respiration oder des Schnauffens / sie bestehet in einem hautigen schwammichten Wesen / und ist aus vileckigen Bläßlein zusammen gefügt / dardurch der Lufft oder Athem angezogen / und dann wiederum ausgelassen /und das Hertz dardurch abgekühlt wird.27 Die Lungel umgibet das Hertz / und wird in zwey Flügel / den rechten und lincken / ein jeder Flügel wiederum in zwey Eck abgetheilt. Die Leber aber ist ein hitziges /blutiges / hohles und schlipfferiges Glied: sie ist auswendig gewölbt wie ein Bogen: ihre Substanz ist zart und weich / ihre Farb und Consistenz aber wie ein geronnenes Blut / und ist unterhalb gespalten. Sie ligt an der rechten Seiten gegen dem Magen über / und thut das Blut kochen / purificiren und verdünneren. Das Miltz endlichen ist ein luckes schwammichtes Wesen mit vilen Aderen durchbrochen / deßwegen es auch leicht kan verstopfft werden / woraus Geschwulst / Stechen und andere Zufäll erfolgen: es ligt lincker Hand in dem Leib unter dem Zwerch-Fell /zwischen denen Rippen und dem[271] Magen: es ist langlecht / und bey denen Kinderen rother Farb / bey denen gewachsenen Leuthen aber schwartzlecht. Die Kranckheiten des Miltz seynd inflammatio lienis und punctura, die Entzündung des Miltz und Seitenstechen. Sonsten besteht das Miltz in vilen Häutlein als wie Pergament / die in besondere Blätlein / wie Immen-Häußlein zusammen gesetzt / und durch vil unterlauffende Zäserlein bevestiget seynd.

Durch die Lungel des Menschen kan füglich die Buß verstanden werden: dann gleichwie die Lungen das Hertz umgibt / und durch Anziehung des Luffts seine Hitz mäßiger und reiniget / also thut die Buß das menschliche Hertz / wann es von dem Feur der bösen Begierlichkeit / der unreinen Lieb oder des Zorns brinnt oder erhitzet ist / abkühlen / die Hitz mäßigen und reinigen / indem sie einen frischen Lufft / das ist / die Gnad des Heil. Geistes an sich ziehet.28 Ignem ardentem extinguit aqua: das Wasser löschet aus ein brinnendes Feur / und die reumüthige Buß-Zäher löschen die Hitz der Begierlichkeit. Ferners /die Lungel hilfft die Stimm und Red formiren; dann ohne Lungel kunte man weder reden noch schnauffen: auch die Buß macht den Sünder reden / und in dem Beichtstuhl seine Missethaten bekennen. Die Lungel thut den Lufft zur Nothdurfft inner sich behalten / biß daß sie wieder einen frischen schöpffet: und deßwegen kan der Mensch oder ein Thier unter dem Wasser so lang ohne Schnauffen leben / so lang er den geschöpfften Lufft behalten kan. Eben also / so lang die büssende Seel die empfangene Gnad GOttes / und den steiffen Fürsatz nimmermehr zu sündigen bey sich behaltet / so lang kan sie geistlicher Weiß leben in oder unter dem Gewässer der Versuchung / Trübsaal und Verfolgungen dieser Welt. Endlichen / die Lungel stehet niemahl müßig / sondern ist in beständiger Bewegnuß / sie thut sich immerdar auf und zu: Also auch die wahre Buß ist niemahl müßig / sondern allzeit beschäfftiget / theils in dem Lob GOttes / theils in Abbittung und Abbüssung der Sünden etc. gemäß der Ermahnung des weisen Manns / da er sagt: Quidquid potest manus tua, instanter operare:29 Alles /was dein Hand vermag / das thue stätiglich.

Durch die Leber werden die gerechte vollkommne Männer / und die Prediger beditten: dann gleichwie die Leber das Blut erzeuget / und das reine Geblüt von dem unreinen absönderet / und dem Magen zur Verdäuung verhülfflich ist / also müssen die Prediger und gerechte Männer durch ihre Wort und Exempel das Blut einer guten Lehr für das gemeine Volck auskochen / dieselbige von der unreinen oder von denen Irrthumen unterscheiden und absönderen / auch verdäuen oder verkochen helffen / das ist / wohl zu Gemüth führen / und im Werck erfüllen helffen.30 Ferners muß die Leber vil Ungemach leyden / sie ist vilen Zuständen unterworffen; dann bald wird sie zu vil erhitzet / bald gehen ihre Pori oder Lufft-Löchlein zu weit auseinander / daß die Wärme zu starck ausdämpffet / und wann sie verkaltet / und kein Blut mehr kochet / da ziehet es gern ein Wassersucht nach sich. Dergleichen Gefahren und Anligen haben auch die Prediger und geistliche Lehrer zu beförchten / vor welchen sie sich fleissig hüten sollen / und Achtung geben / daß sie sich nicht erhitzen durch allzugrossen unzeitigen Eyfer / oder hingegen / daß sie nicht im Geist erkalten durch eine Trägheit / oder aufgeschwellen / daß ihre Pori, ich will sagen die äusserliche 5. Sinn sich nicht zu weit aufthun durch eine sinnliche Ausgelassenheit etc. Wann die Leber starck leydet /da wird der gantze Leib verstellt und verderbt: und wann es an denen Predigern und geistlichen Vorstehern fehlt / da fehlt es auch an dem gantzen sittlichen Leib der Christlichen Gemeind.

Das Miltz bedeutet in sittlichem Verstand die Forcht und Liebe GOttes zugleich: dann das Miltz reiniget das Blut: macht gute Verdäuung und Appetit zum Essen: es bewegt auch den Menschen zum Lachen.31 Eben[272] also bie Forcht und Liebe GOttes reiniget und erhält das Gewissen von Sünd und Lasteren /sie bringt Lust und Begierd zur geistlichen Speiß der Seelen / zum Wort GOttes / und zur Gerechtigkeit: Beati qui esuriunt & sitiunt justitiam:32 Seelig seynd die hungeren und dürsten nach der Ge rechtigkeit. Sie macht verdäuen und verkochen einen manchen harten Bissen / das ist / mit Gedult übertragen ein manche Trübsaal und Widerwärtigkeit: und eben darum bewegt sie zum Lachen / das ist / sie bringt eine Freud des Geistes; dann wie ein H. Vatter sagt / wann je eine wahre Freud ist auf der Erden / so besitzet selbige gewiß der Mensch / so eines reinen Gewissens ist: deßwegen auch die Ermahnung des Psalmisten ist: Lætamini in Domino, & exultate Justi:33 Erfreuet euch im HErrn ihr Gerechte /und seyd frölich.

Es ist zwar der gemeine Wohn / daß / wann man einen jungen Menschen zum Lauffen ziglen wolle /und einen schnellen Läuffer aus ihme machen / da soll man ihm vermittelst der Chyrurgi die Seiten öffnen /und das Miltz herauß schneiden / aufs wenigist etwas darvon nemmen / als welches im Lauffen hinderlich ist / und Schmertzen oder Seitenstechen verursachet. Ob nun deme also oder nicht / das lasse ich denen Herren Medicis und Chyrurgen über und anheim gestellt: einige geduncket es ein Fabel und unmöglich zu seyn: dann / sagen sie / wann einem das Miltz solte herauß geschnitten werden / so wurde er nicht mehr weit lauffen / sondern vilmehr bald sterben; inmassen des Miltz seine grosse und weite Blut-Gefäß so vil Blut ausgiessen wurden / daß man sie nicht mehr stillen kunte: derowegen auch alle Wunden an dem Miltz tödtlich seyen. Deme seye nun wie ihm wolle / so ist doch gewiß / daß / wann man durch das Miltz geistlicher Weiß die zeitliche Güter und Wollüsten verstehen will / dises Miltz dem Lauffen gar hinderlich und schädlich seye: ich verstehe das Lauffen auf dem Weeg der Gebott GOttes / der Tugend und Vollkommenheit: und wem man dises Miltz / oder doch einen guten Theil darvon benimmt / der wird an seiner Seel deßwegen nicht nur keinen Schaden leyden / sondern vilmehr in seinem Lauff zu dem ausgesteckten Zweck der glückseeligen Ewigkeit trefflich wohl beförderet werden.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 271-273.
Lizenz:
Kategorien: