Der 4. Absatz.

Von dem Ochsen und der Kuhe.

[357] Die äusserliche Gestalt des Ochsen ist sattsam bekannt: Er ist zwar ein tummes / langsam- und dölpelhafftes / doch aber starckes / daurhafft- und nutzliches Thier / das Joch zu tragen / und den Pflug zu ziehen verordnet / nach diesem aber ist er auch mit seinem Fleisch und seiner Haut dem Menschen dienlich.41 Seine meiste Wehr und Stärcke bestehet in denen Hörneren. In gewissen Landschafften / benanntlich in Indien / sollen die Ochsen gar vil grösser / und im Lauffen vil schneller als die unserige seyn.42 Der Ochs ware vor Zeiten nicht nur bey den heydnischen Römeren / sondern auch bey denen rechtglaubigen Hebräeren berühmt oder hoch angesehen / und zu dem Schlacht-Opffer verordnet. Ja die Ochsen seynd bey den Römeren also in Ehren gehalten worden / daß /wer einen muthwilliger Weiß hat umgebracht / als wie ein Todtschläger an dem Leben gestrafft wurde. Es hat auch GOTT selbsten in dem Alten Testament des Ochsen ausdrucklich gedacht / und seinetwegen[357] gewisse Satzungen gemacht / als er gebotten hat: Ein jeglicher Mensch vom Hauß Israel / der einen Ochsen oder Schaaf etc. in oder ausser dem Lager tödtet / und bringts nicht zu der Thür der Hütten / dem HErrn zum Opffer / der soll des Bluts schuldig seyn / und ausgetilgt werden.43 Wiederum: Du solt dem Ochsen das Maul nicht verbinden / der in deiner Scheur die Früchten ausdreschet.44 Christus aber in dem Evangelio sprach zu den Juden: Wessen Ochs oder Esel fallet in einen Bronnen / der ihn nicht am Sabath herauß ziehen wird?

Es ist gewißlich kaum ein Thier zu finden / welches dem Menschen lebendig und todt so dienstbar und nutzlich ist / als eben der Ochs.45 Er ist des Bauren getreuer Mithelffer in dem mühesamen Feld- und Ackerbau / und hilfft ihm das Brod gewinnen: er unterwirfft seinen Halß willig und gern dem schweren Joch / er traget es schier den gantzen Tag / und nimmt mit schlechtem Futter vorlieb. Nachdem er aber lang genug gedient und gezogen hat / da schlaget man ihn für den Kopff / und zieht ihm die Haut ab (das ist der Welt Danck) alsdann dienet uns sein Fleisch zur Speiß / die Haut zu den Schuhen / die Horn aber zu anderen unterschiedlichen Dingen / so darauß gemacht werden / als Jäger-Horn / Laternen / Kämpel etc. ja auch das Aas oder verfaulte Fleisch von dem Ochsen ist nicht umsonst; dann wie die Naturalisten sagen / so wachsen Bienen oder Immen darauß / von welchen dann weiters das Wachs und Honig herkommt. Der Noë soll der erste gewesen seyn / so nach dem Sündfluß dem Ochsen das Joch aufgelegt / und in den Pflug gespannet hat.

Vor Zeiten wurden die Ochsen gar starck zum Schlacht-Opffer gebraucht / so wohl von den Heyden bey denen falschen Götteren / als von den Juden bey dem wahren Gottesdienst. Der König Salomon hat bey Einweyhung des Welt-berühmten Tempels zu Jerusalem 22000. Ochsen schlachten lassen / wie die Heil. Schrifft bezeuget: mactavit Rex Salomon hostias boum viginti duo millia etc.46 Deßwegen / wann die Alten den Ochsen durch ein Sinnbild wolten vorstellen / da machten sie auf der einen Seiten einen Altar mit brinnendem Feur / auf der anderen aber das Joch samt dem Pflug mit der Beyschrifft: ad utrumque paratus: das ist / der Ochs solle zu beyden Theilen parat seyn / zum Pflug ziehen / oder geschlachtet und geopfferet zu werden.

Von dem Ochsen hat der Mensch so vil zu lernen /daß er auch gleich ihme soll dienstbar / gedultig und arbeitsam seyn / absonderlich in dem sittlichen Ackerbau seines Hertzens / auf daß er die erwünschte Früchten möge herfür bringen.47 Er solle das Joch des Göttlichen Gesatzes gern auf sich nemmen / und willig tragen (dann das Joch des HErrn / wie Christus selbst im Evangelio bezeuget / ist süß / und seine Bürde leicht) allzeit ad utrumque paratus, leben und leiden / arbeiten / oder zu einem freywilligen Opffer werden / und sich durch das Feur der Liebe gäntzlich verzehren lassen.48 Gewiß ist es /daß GOtt einem jeden Menschen in sittlichem Verstand das Joch aufleget / mit einer Bürde / mit einem Creutz oder Beschwernuß beladet / mit einer grösseren oder kleineren / nachdem des Menschen Kräfften beschaffen seynd / und er mehr oder minder Gnad zu geben willens ist; dann keinen thut er überladen / keinem mehr aufbürden / als er tragen kan.

Wann man den jungen Ochsen zum erstenmahl das Joch auflegt / und sie anspannt oder zum Ziehen anhaltet / da thun sie sich wehren und widersetzen auf alle Weiß / sie seynd gantz unwillig / und bemühen sich das Joch von ihnen abzuwerffen: aber nach und nach gewohnen sie es: und wann 2. Ochsen mit einander das Joch zu ziehen gewohnt seynd / da lieben sie einander / und seynd gantz einig. Auch die Menschen seynd in der Jugend muthwillig und unbändig / des Jochs / der Disciplin und der Arbeit ungewohnt und verdrossen / aber mit den[358] Jahren kommt der Verstand / und alsdann ergeben und bequemen sie sich besser zu dem Gehorsam und zu der Arbeit: und die unter einem Gebiet oder Oberen stehen / sollen zusammen sehen / einander lieben / und zugleich die Kräfften anspannen / die gemeine Last zu tragen.

Es hat auch der Ochs diese Art / daß er gantz langsam daher gehet / und gleichsam auf alle seine Tritt Achtung giebt / wo er den Fuß hinsetze: deßwegen er auch nicht leicht fallet / und sich gar nicht überspringt oder stürtzet / wie es hingegen einem muthwilligen Pferdt leichtlich zu geschehen pflegt. Auch im Essen ist der Ochs langsam / er thut die Speiß wohl und langsam verkäuen. In diesen beyden Stucken solte der Mensch billich dem Ochsen nachfolgen / und in all seinem Thun und Lassen fein bedachtsam darein gehen / so wurde er nicht so manchen Mißtritt oder Fehlsprung thun / und sich nicht so offt gefährlich stürtzen. Auf dieses hat uns der weise Salomon gedeutet / da er gesprochen hat: Palpebræ tuæ præcedant gressus tuos:49 Deine Augen-Lid sollen deinen Gängen vorgehen; das ist / du sollest es zuvor wohl betrachten / ehe du was thust. Auch die Speiß solle der Mensch gleich dem Ochsen nit gantz hinab schlucken / das ist / er solle nicht gleich einer jeden Lehr / und einem jeden Exempel unbedachtsam nachfolgen / sondern behutsam darein gehen / und die Sach zuvor wohl bedencken.

Was die Kühe anbelangt / so wird derselben auch öffters in H. Schrifft gedacht: sie haben die Ehr gehabt / die Arch des Bunds auf dem Wagen zu ziehen /und haben auch zum öffteren in dem Tempel gedienet; sie kommen mit dem Ochsen übereins in dem langsamen Gang und Verdäuung der Speiß etc.50

Sonsten aber ist die Kuhe ein geiles Thier / und zur Zeit der Vermischung seynd sie böß und hitzig / sie stechen / springen und schreyen / und können von dem Hirten schier nicht gebändiget werden.51 Sie haben ein raucher- oder gröbere Stimm und härtere Hörner als der Stier. Deßwegen können die böse Weiber wohl mit den Kühen verglichen werden / welche auch zu Zeiten hitzig / geil und muthwillig seynd /also / daß sie stechen mit dem bösen Maul und Zungen / als mit harten und spitzigen Hörneren / sie seynd hartnäckig und unruhig / der Hirt / das ist / der Mann kan sie offt kaum oder gar nicht bändigen: sie machen auch ein grösseres oder gröberes Geschrey gemeiniglich im Hauß / als der Mann.

Die Kühe arbeiten nicht als wie die Ochsen / doch aber thun sie die Arbeit reichlich ersetzen / indem sie zum Dienst der Menschen / absonderlich der kleinen Kinderen / so vil Milch von sich geben. Auch die Weiber können nicht so groß- und starcke Arbeit verrichten als wie die Männer: aber dieses sollen sie ersetzen mit den Haußgeschäfften / absonderlich mit Ernährung und Auferziehung der Kinder.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 357-359.
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